“Schikane gegen ehemalige Heimkinder?“ • Bericht in AKTUELLE STUNDE vom 4. Mai zum Nachlesen [mit Artikel-Download]

Bernhard Wilms [ - Uhr]

Am 04.05.2016 strahlte der WDR in „Aktuelle Stunde“ den Beitrag „Schikane gegen ehemalige Heimkinder?“ aus. Weil aus medienrechtlichen Gründen der Bericht ab dem 01.06.2016 nicht mehr zu sehen war, hier noch einmal die Textfassung:

Moderatorin Anne Gesthuysen: Der Katholikentag hat begonnen und da präsentiert sich die Kirche grade von ihrer schönsten Seite.

Geprügelte und vergewaltigte Heimkinder, die sind dort wahrscheinlich kein Thema mehr.

Das ist abgehackt, sollte man meinen, zumal den Betroffenen Hilfe von bis zu 10.000 Euro „unbürokratisch“ zugesagt worden war.

Das klingt ganz fair, entpuppt sich aber als weitere Tortur, denn die Betroffenen müssen erst einmal minutiös aufschreiben, was man Ihnen eigentlich alles angetan hat, und sie müssen dann auch noch auf Heller und Pfennig angeben, wofür sie die Entschädigung verwenden.

Und wehe, das passt nicht ins Konzept.

Uwe Werner aus Krefeld wurde sogar verklagt, weil er nicht ordnungsgemäß abgerechnet haben soll.

 

Sprecherin: Der Mann wehrt sich und er fühlt sich erneut gedemütigt.

Er redet es sich von der Seele.

Uwe Werner wurde direkt nach seiner Geburt in ein katholisches Kinderheim gebracht.

Seine Mutter war Alkoholikerin.

Dort wurde er, wie er sagt, nur geschlagen.

Mit zwölf Jahren kam er in ein anderes Heim.

In die Obhut eines Diakons

 

Uwe Werner: In den ersten Wochen, als ich da war, habe ich dann immer nachts gesehen, wie so gegen 22:00 Uhr ein Junge zu dem ins Zimmer ging, denn mein Bett stand direkt am Schlafzimmereingang.

So nach einer halben Stunde … manche kamen heulend zurück.

Aber es wurde nie darüber gesprochen.

 

Sprecherin: Irgendwann  war Uwe Werner dran. Der Diakon missbrauchte auch ihn sexuell, gedeckt vom Heimleiter, der selbst ein brutaler Schläger war.

 

Uwe Werner: Ohrfeigen gab es täglich.

Ich kriegte mal so eine Ohrfeige, dass ich mit dem Kopf gegen die Schweinestallmauer knallte, nur weil ich dem Schwein eine Eierkohle gegeben habe.

Dann kam der Heimleiter von hinten – und patsch, hatte ich eine hängen gehabt.

Ich kann nicht sagen, dass ich renitent war, aber ich war ein sturer Bock gewesen.

Aber ich zahlte auch den Preis dafür, dass ich die Angst öffentlich nie gezeigt habe, die habe ich im Bett gezeigt.

Ich habe mich im Bett uriniert und fühlte mich wie im Mutterleib wohl.

Andern morgens stand ich auf und war dann wieder der starke Uwe, der sich wehrte und dafür wieder – patsch, eine Ohrfeige bekam.

 

Sprechern: 10.000 Euro Entschädigung für so viel Leid.

In Kinderheimen wie diesem in Krefeld.

Darauf hatten sich der Staat, die Kirchen und Opfervertreter geeinigt.

Im sogenannten „Hilfsfond Heimerziehung“ für jeden Antragsteller. Unbürokratisch, schnell, hieß es.

Von wegen.

Schon den Antrag auszufüllen sei eine erneute Qual für die ehemaligen Heimkinder, sagt Uwe Werner.

 

Uwe Werner: Da müssen sie Täter, Tatort, Tatzeit – nach 40 Jahren! – wie bei einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung aufführen.

Sie müssen die Tat schildern.

Das ist ja vor allen Dingen Geld, wofür wir gearbeitet haben!

Mit acht, neun, zehn Jahren.

Auf Äckern, Feldern usw., usw. und haben dafür nichts bekommen.

Kein Taschengeld, keine Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke. Nichts.

 

Sprecherin: Uwe Werner hat vor einem Jahr einen Verein mit ehemaligen Heimkindern wie ihm gegründet.

Nun kämpfen sie gemeinsam dafür, endlich mit Respekt behandelt zu werden.

Uwe Werner selbst wurde verklagt vom Lenkungsausschuss des Heimfonds, weil er sich weigerte penibel Nachweise zu erbringen, wofür er die 10.000 Euro Entschädigung ausgeben wolle.

Denn auch das verlangt der Fonds von den Antragstellern.

 

Uwe Werner: Ich war damals mit einer der Ersten und habe bis heute die Schwierigkeiten, auch gerichtlich, weil ich von Anfang an zeigen wollte: ich lasse mich von euch nicht mehr fremdbestimmen.

 

Sprecherin: Wir fragen ein Interview beim Bundesfamilienministerium an.

Die Antwort kommt per E-Mail.

Zum laufenden Verfahren gegen Uwe Werner könne man sich nicht äußern, die Fondsleistungen würden jedoch unbürokratisch gewährt, heißt es.

 

Uwe Werner: Es gibt auch Heimkinder, die haben dieses Leid gelernt zu lieben.

Die haben sich darin „verliebt“.

Das heißt, sie haben das nie verarbeitet und immer nur gesagt, ich bin geschädigt, ich bin Opfer, ich bin Opfer, ich bin Opfer.

Aber mittlerweile kommt Würde hervor.

Kommen diese Menschen und sagen, nein, das war absolutes Unrecht.

Dass man uns dies jetzt zumutet, ist für Deutschland eine Dreistigkeit hoch drei.

 

Moderatorin Anne Gesthuysen: Es ist schockierend.

Man kann gar nicht mehr sagen, als dass es einen wirklich sehr empört.

 

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Ein Kommentar zu “
“Schikane gegen ehemalige Heimkinder?“ • Bericht in AKTUELLE STUNDE vom 4. Mai zum Nachlesen [mit Artikel-Download]”
  1. Auch hier kann ich mich nur aufregen.

    Überall wird viel zu oft das Geld mit vollen Händen nur so rausgeworfen. Auch bei Kirchen und den anderen genannten Einrichtungen.

    Ausgerechnet bei den Opfern dann auch noch dieser unfassbare Bürokratismus.

    Oder ist das nur Schikane, um Antragsteller abzuschrecken?

    Widerlich wie mit den Schwächsten unserer Gesellschaft umgegangen wird.

    Besonders ätzend ist das Verhalten der sogenannten christlichen Kirchen! Wie passt das zusammen? Die erzählen uns von Nächstenliebe und christlichem Handeln?

    Dann muss man auch gleich fragen warum sowas ausgerechnet auch in kirchlichen (christlichen?) Einrichtungen passieren konnte!

    Hat wirklich nie jemand bemerkt, was da passierte oder wurde nur weggesehen, weil es praktischer und bequem war?

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