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US-Drohneneinsätze im Jemen: Kläger erzielen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Teilerfolg • Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen

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 [19.03.2019] In einem teilweise stattgebenden Urteil vom heutigen Tag hat das Oberverwaltungsgericht NRW die Bundesrepublik Deutschland dazu verurteilt, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, ob eine Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für Einsätze von bewaffneten Drohnen an der Wohnanschrift der Kläger im Jemen im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet.

Erforderlichenfalls müsse die Bundesrepublik auf dessen Einhaltung gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika hinwirken.

Soweit die Kläger verlangt haben, die Nutzung der Air Base Ramstein für bewaffnete Drohneneinsätze zu unterbinden, hat das Gericht die Klage abgewiesen.

Die Kläger machen geltend, bei einem Drohnenangriff im Jahr 2012 in der Provinz Hadramaut nahe Angehörige verloren zu haben.

Sie bezweifeln die Rechtmäßigkeit dieses Angriffs, der nach ihrem Kenntnisstand bisher nicht von unabhängigen Stellen untersucht worden ist.

Eine gegen die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtete Klage wurde von einem amerikanischen Gericht abgewiesen, ohne dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Angriffs stattgefunden hat.

Wegen der wesentlichen Bedeutung der in Deutschland gelegenen Air Base Ramstein für fortdauernde amerikanische Drohneneinsätze auch im Jemen haben die Kläger, die um ihre eigene Sicherheit besorgt sind, die Bundesrepublik Deutschland darauf verklagt, eine Nutzung der Air Base für derartige Einsätze durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden.

Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage ab. Die Berufung hatte nun teilweise Erfolg.

Zur Begründung führte der Vorsitzende des 4. Senats bei der mündlichen Urteilsbegründung aus:

„Die Bundesrepublik hat eine Schutzpflicht bezogen auf das Leben der Kläger, die sie bisher nicht ausreichend erfüllt hat.

Eine Schutzpflicht des Staates besteht bei Gefahren für das Grundrecht auf Leben auch bei Auslandssachverhalten, sofern ein hinreichend enger Bezug zum deutschen Staat besteht.

Das ist hier der Fall, weil die Kläger berechtigterweise Leib- und Lebensgefahren durch völkerrechtswidrige US-Drohneneinsätze unter Nutzung von Einrichtungen auf der Air Base Ramstein befürchten.

Es bestehen gewichtige, der Beklagten bekannte oder jedenfalls offenkundige tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die USA unter Verwendung technischer Einrichtungen auf der Air Base Ramstein und dort stationierten eigenen Personals bewaffnete Drohneneinsätze in der Heimatregion der Kläger im Jemen durchführen, die zumindest teilweise gegen Völkerrecht verstoßen, wodurch die Kläger rechtswidrig in ihrem Recht auf Leben gefährdet werden.

Die Feststellungen des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags und die dem Gericht vorliegenden offiziellen Informationen belegen die zentrale Rolle insbesondere der Satelliten-Relaisstation in Ramstein für fortdauernde Einsätze bewaffneter US-Drohnen auch im Jemen.

Die Frage, ob das Völkerrecht bewaffnete Drohneneinsätze im Jemen zulässt, ist keine politische Frage, sondern eine Rechtsfrage.

Der Senat ist nach dem Grundgesetz verpflichtet zu prüfen, ob die amerikanischen Drohneneinsätze in der Heimat der Kläger mit Völkerrecht vereinbar sind.

Die bisherige Annahme der Bundesregierung, es bestünden keine Anhaltspunkte für Verstöße der USA bei ihren Aktivitäten in Deutschland gegen deutsches Recht oder Völkerrecht, beruht auf einer unzureichenden Tatsachenermittlung und ist rechtlich letztlich nicht tragfähig.

Sie ist deshalb verpflichtet, durch ihr geeignet erscheinende Maßnahmen den bestehenden Zweifeln nachzugehen.

Der Einsatz bewaffneter amerikanischer Drohnen im Jemen, die mit Zustimmung der dortigen Regierung eingesetzt werden, ist derzeit zwar nicht generell unzulässig. Bewaffnete Drohnen sind insbesondere keine völkerrechtlich verbotenen Waffen.

Gezielte militärische Gewalt auch durch bewaffnete Drohneneinsätze ist aber nur unter Beachtung der Vorgaben des humanitären Völkerrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes zulässig.

Im Jemen besteht ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt zwischen al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) auf der einen Seite und der jemenitischen Regierung, die auf ihr Bitten unter anderem von den USA unterstützt wird, auf der anderen Seite, der zumindest derzeit noch nicht beendet ist.

Nach dem deshalb anwendbaren humanitären Völkerrecht dürfen sich Angriffe grundsätzlich nur gegen Kämpfer der am Konflikt beteiligten bewaffneten Gruppe richten sowie gegen andere Personen, die unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen.

Ob jemand Kämpfer einer Konfliktpartei ist, hängt davon ab, ob seine fortgesetzte bzw. dauerhafte Funktion in der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten besteht („continuous combat function“).

Ist dies der Fall, darf er auch dann gezielt bekämpft werden, wenn er aktuell nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt.

Nach Auswertung aller für den Senat verfügbaren öffentlichen Erklärungen der US-Administration bestehen Zweifel, ob die generelle Einsatzpraxis für Angriffe auch im Jemen diesem Unterscheidungsgebot des humanitären Völkerrechts genügt.

Indem alle mit al-Qaida „assoziierten“ Kräfte umfassend als Beteiligte an einem weltweiten bewaffneten Konflikt angesehen werden, selbst wenn Zeit und Ort eines möglichen Angriffs noch ungewiss sind, bleibt unklar, ob sich direkte bewaffnete Angriffe im Jemen auf zulässige militärische Ziele beschränken.

Schließlich ist auch im bewaffneten Konflikt nach internationalen Menschenrechtsverträgen jede willkürliche Tötung unzulässig.

Eine Tötung ist nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs dann nicht willkürlich, wenn sie sich im Rahmen eines bewaffneten Konflikts gegen ein legitimes militärisches Ziel richtet und der Angriff unverhältnismäßig hohe zivile Opfer vermeidet.

Ob dies jeweils der Fall war, blieb in der Vergangenheit vielfach ungeklärt, selbst wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass Zivilisten gezielt angegriffen worden sein könnten.

Das Verbot willkürlicher Tötung verlangt überdies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts, dass wirksame amtliche Ermittlungen durchgeführt werden, wenn Personen durch Gewaltanwendung insbesondere durch Vertreter des Staates getötet werden.

Der Bundesregierung ist nach Angaben ihrer Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht bekannt, dass in Fällen dieser Art – über rein interne Lageauswertungen hinaus – unabhängige Untersuchungen durch US-Behörden durchgeführt oder zugelassen werden.

Hierüber ist im laufenden Verfahren auch sonst nichts bekannt geworden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Aktenzeichen: 4 A 1361/15 (VG Köln 3 K 5625/14)

Wortlaut der mündlichen Urteilsverkündung [4]

3 Kommentare (Öffnen | Schließen)

3 Kommentare Empfänger "
US-Drohneneinsätze im Jemen: Kläger erzielen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Teilerfolg • Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen"

#1 Kommentar von Ypsilon am 20. März 2019 00000003 22:25 155312073510Wed, 20 Mar 2019 22:25:35 +0000

Aus dem Artikel:

„Schließlich ist auch im bewaffneten Konflikt nach internationalen Menschenrechtsverträgen jede willkürliche Tötung unzulässig.

Eine Tötung ist nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs dann nicht willkürlich, wenn sie sich im Rahmen eines bewaffneten Konflikts gegen ein legitimes militärisches Ziel richtet und der Angriff unverhältnismäßig hohe zivile Opfer vermeidet.“

USA und der Internationale Gerichtshofs:

Zitat aus Zeit.de:

„Die USA haben dem Internationalen Strafgerichtshof mit Sanktionen gedroht, sollten Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen von Amerikanern in Afghanistan vorangetrieben werden.

Wenn das Gericht gegen Bürger der USA, Israels oder anderer verbündeter Staaten vorgehe, werde seine Regierung Einreiseverbote und Finanzsanktionen gegen die Richter und Staatsanwälte verhängen, warnte der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, John Bolton, in einer Rede in Washington. Zudem könnten sie vor ein US-Gericht gestellt werden.

‚Die USA werden zu jedem Mittel greifen, um unsere Bürger und die unserer Verbündeten vor ungerechter Verfolgung von diesem illegitimen Gericht zu schützen‘, sagte Bolton.“

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Dazu auch (aus Wikipedia):

Amerikanischer Exzeptionalismus

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Auszüge:

„Wegen ihrer Einzigartigkeit seien die USA an völkerrechtliche Vereinbarungen grundsätzlich nur insoweit gebunden, wie ihnen dies nützt.“

„Dick Cheney, der in seiner Zeit als Vizepräsident der USA den Irak-Krieg mit herbeiführte und Folter als Verhörmethode rechtfertigte,[16] veröffentlichte 2015 gemeinsam mit seiner Tochter Liz ein Buch, in dem sie aus der einzigartigen Rolle, die die USA im Zweiten Weltkrieg spielten, eine Pflicht zur Verteidigung der Freiheit in aller Welt ableiteten und dass Amerika

“the most powerful, good, and honorable nation in the history of mankind, the exceptional nation” sei.

Deutsch: „die machtvollste, gute und ehrenwerte Nation in der Geschichte der Menschheit, die Ausnahme-Nation sei.“

Beim Amerikanischen Exzeptionalismus (englisch American Exceptionalism) handelt es sich um den Anspruch, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Nationen einnehmen.

In der Vorstellung amerikanischer Beispielhaftigkeit, die die anderen Nationen lehren werde, wie der naturrechtlich verstandene Anspruch auf nationale Souveränität mit dem aufklärerischen Universalismus in einem mustergültigen Beispiel freier Selbstregierung in eins falle. Es sei die Mission der USA, dieses Beispiel auf der Erde zu verbreiten.

Der amerikanische Exzeptionalismus lag für Hamilton und die Founding Fathers in Amerikas Exemplarität begründet.

In einer Studie entwickelte Hans Morgenthau 1964 die These, die USA hätten eine „transzendente Bestimmung“, weltweit für Frieden und Freiheit zu sorgen, da „der Schauplatz, auf dem die Vereinigten Staaten ihre Bestimmung verteidigen und fördern müssen, global geworden ist.“

Er räumte zwar ein, dass die historischen Fakten im Widerspruch zu diesen Idealen standen, doch dürfe man sich dadurch nicht täuschen lassen, sondern solle sich hüten,

„den Missbrauch der Wirklichkeit mit der Wirklichkeit selbst zu verwechseln“.

Die Wirklichkeit sei vielmehr die unvollendete Mission, die sich offenbare „in der Evidenz der Geschichte, wie unsere (also die amerikanische) Geschichte sie widerspiegelt“.

1980 beschwor Richard J. Tofel in der New York Times Jimmy Carter und Ronald Reagan diesen besonderen Ausdruck zu verteidigen. In den folgenden 20 Jahren wurde Exceptionalism in amerikanischen Medien 457 mal verwendet. Dann stieg der Gebrauch sprunghaft an: im ersten Jahrzehnt auf 2558 Erwähnungen und im Zeitraum von 2010 bis Februar 2012 auf 4172.

Der neokonservative Politikberater Robert Kagan errechnete 2014, dass die USA seit 1898 außerhalb der amerikanischen Hemisphäre 26 größere Interventionen mit Bodentruppen durchführten: im Durchschnitt alle viereinhalb Jahre eine, seit 1990 sogar alle drei Jahre.

Im 21. Jahrhundert bezeichnet amerikanischer Exzeptionalismus die politische Kernideologie der USA. Er drückt sich, wie Stephen Kinzer schreibt, auch darin aus, dass die USA “are the only ones in modern history who are convinced that by bringing their political and economic system to others, they are doing God’s work”.

Deutsch: „die einzigen in der Geschichte der Neuzeit sind, die überzeugt sind, dass sie Gottes Werk verrichten, indem sie ihr politisches und wirtschaftliches System anderen bringen.“

#2 Kommentar von Rademacher am 21. März 2019 00000003 12:03 155316979912Thu, 21 Mar 2019 12:03:19 +0000

Also ich hab den Kommentar 2 x gelesen, weil ich das nicht in den Kopf bekam.

Irgendwie krass. Sehr krass was da auch bei Wikipedia noch alles dazu steht.

#3 Kommentar von Ypsilon am 8. April 2019 00000004 10:18 155471868610Mon, 08 Apr 2019 10:18:06 +0000

Aktuell:

Internationaler Strafgerichtshof : USA verbieten Chefanklägerin Einreise

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USA verbieten Chefanklägerin Einreise.

Die USA lehnen den Internationalen Strafgerichtshof ab. Dieser zeigt sich davon unbeeindruckt und ermittelt gegen US-Soldaten. Washington revanchiert sich und macht eine Drohungen wahr.

Sie richtet sich gegen die Juristen aus Den Haag. Die USA haben der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs die Einreiseerlaubnis entzogen. Das bestätigte Fatou Bensoudas Büro in Den Haag.

Bensouda hatte 2017 Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen in Afghanistan angeregt, von denen auch US-Soldaten betroffen wären. Die USA wollen verhindern, dass das Gericht ein Ermittlungsverfahren gegen US-Soldaten wegen mutmaßlicher Verbrechen in Afghanistan eröffnet.

Die Anklägerin werde ihre Arbeit unbeirrt fortsetzen, erklärte die Sprecherin. Sie betonte, dass der IStGH „unparteiisch und unabhängig“ operiere. Ein Prinzip des Weltstrafgerichtes sei es, dass es erst dann einschreite, wenn Staaten selbst ihrer Verantwortung nicht nachkämen.

Bensouda hatte die richterliche Zustimmung zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren beantragt. Nach ihrer Ansicht gibt es genügend Beweise für Kriegsverbrechen und Hinweise, dass US-Soldaten und Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienstes CIA 2003 und 2004 Häftlinge gefoltert oder brutal behandelt haben.

Bereits im März hatte US-Außenminister Mike Pompeo Mitarbeitern des Gerichts mit Einreiseverboten gedroht. Die USA würden die Visa der entsprechenden Personen zurücknehmen und keine neuen erteilen, wenn gegen US-Bürger ermittelt werde.

Die USA sind kein Vertragsstaat des Gerichtshofes und lehnen diesen schon seit Jahren strikt ab.

Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seine rechtliche Grundlage ist das 2002 in Kraft getretene Römische Statut.

Dem Vertrag sind 122 Staaten beigetreten, darunter alle EU-Staaten.