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TTIP: Überwältigende 97% gegen Schiedsgerichte • Überwiegend negative Antworten im Konsultations­verfahren • EU-Kommission sollte Konsequenzen ziehen.

Rund 97 Prozent der teilnehmenden Personen, Verbände und Firmen lehnen Schiedsgerichte zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Staaten und Konzernen ab, so lautet das veröffentlichte Ergebnis einer offiziellen EU-Konsultation zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.

Im Rahmen der europaweiten Befragung zum Investitionsschutzkapitel im geplanten Freihandelsabkommen waren rund 150.000 Eingaben gemacht worden.

„Das Ergebnis der Konsultation spricht eine deutliche Sprache: Diese Schiedsverfahren sind eine Gefahr für die Demokratie und in Europa nicht erwünscht.

Die EU-Kommission muss ihr eigenes Verfahren ernst nehmen und die Verhandlungen sofort beenden.

Das europäisch-kanadische Abkommen CETA, das ein ähnliches Investitions­schutzkapitel enthält, darf nicht ratifiziert werden“, fordert Karl Bär, Sprecher der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative (sEBI) „Stop TTIP“.

Die Investitionsschutzkapitel beinhalten Mechanismen und Regeln für die Konfliktbearbeitung zwischen Staaten und Unternehmen, das so genannte „Investor-State Dispute Settlement“ (ISDS).

Diese Regelungen würden es ausländischen Investoren ermöglichen, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen.

In den vergangenen Jahren haben Unternehmen im Rahmen von bereits bestehenden Abkommen wiederholt Milliardenklagen gegen Staaten angestrengt: So verklagte der schwedische Energieriese Vattenfall die deutsche Bundesregierung wegen Umweltauflagen für ein Kohlekraftwerk, der kanadische Öl- und Gaskonzern Lone Pine strengte wegen eines Fracking-Moratoriums ein Verfahren gegen die eigene Regierung an.

„Diese Beispiele zeigen, dass die Verfahren von Konzernen genutzt werden, um Umweltauflagen zu verhindern, demokratische Regulierung einzuschränken und sich aus der Staatskasse zu bedienen“, so Bär weiter.

Um die öffentliche Debatte über den Investitionsschutz in den Abkommen mit USA und Kanada zu beruhigen, befragte die EU-Kommission von Ende März bis Mitte Juli 2014 die Öffentlichkeit.

Die Formulierung der Konsultation legte allerdings von Anfang an eine positive Beurteilung des Investitionsschutzes nahe.

Die wesentliche Frage, ob ISDS Teil des transatlantischen Freihandelsabkommens sein sollte, wurde gar nicht gestellt.

Dennoch gingen 145.000 Antworten ein, die das Investitionsschutzkapitel oder das gesamte Freihandelsabkommen generell ablehnen.

Dabei nutzte ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger Online-Angebote, die das Umweltinstitut München und weitere europäische Organisationen bereitgestellt hatten, um die Beteiligung an der unnötig komplexen Konsultation zu erleichtern.

„Hinter jeder dieser Eingaben steht ein Mensch, der ISDS und in vielen Fällen auch TTIP ablehnt. Die einzig ernst zu nehmende Konsequenz, die die Kommission aus der regen Beteiligung an der Konsultation ziehen kann, ist es, auf ISDS vollständig zu verzichten“, so Nelly Grotefendt, Koordinatorin des Bündnisses TTIP unfairHandelbar [1].

„Wenn die EU-Kommission dennoch am Investorenschutz festhält, zeigt sie, dass es ihr nicht um echte Bürgerbeteiligung, sondern nur um Augenwischerei ging.

Und das schon zum zweiten Mal: Auch die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA wurde aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt.

Die Kommission fördert damit die EU-Verdrossenheit und schadet der europäischen Idee“, so Karl Bär. „Den Widerstand gegen TTIP wird sie damit nicht aufhalten können!“

Mit der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative Stop TTIP [2], die von 340 Organisationen aus ganz Europa getragen wird, protestieren mittlerweile über 1.260.000 Menschen gegen TTIP und CETA.

 

2 Kommentare (Öffnen | Schließen)

2 Kommentare Empfänger "TTIP: Überwältigende 97% gegen Schiedsgerichte • Überwiegend negative Antworten im Konsultations­verfahren • EU-Kommission sollte Konsequenzen ziehen."

#1 Kommentar von medienanalystin am 20. Januar 2015 00000001 17:48 142177610905Tue, 20 Jan 2015 17:48:29 +0000

TTIP und CETA

Nicht nur die Bürger haben Bedenken. Wie ich finde sehr zu Recht, denn das, was im Sinne von Unternehmen und vor allem weltweit agierenden Konzernen geplant wird, ist eine absolute Unverschämtheit.

Für wie blöd halten uns Politik und Wirtschaft?

Besonders übel ist das Verhalten von Sigmund Gabriel von der SPD. Ausgerechnet wieder mal die SPD! Von wegen „sozialdemokratisch“!

Die Zeit berichtet dazu. Sehr lesenswert! Zitate:

„Gabriel wird wortbrüchig: Vizekanzler Gabriel will das Handelsabkommen Ceta unterzeichnen.

Ceta schafft ein Sonderrecht für Konzerne

Denn der Ceta-Vertrag mit Kanada ist gefährlich.

Er enthält wie auch der TTIP-Vertrag, über den noch verhandelt wird, Klauseln, vor denen sich auch Gabriel fürchten sollte. Sie gewähren ausländischen Unternehmen besonderen Schutz.

Tritt Ceta in Kraft, können sie die Bundesregierung vor internationalen Schiedsstellen verklagen, wenn sie ihre Investition gefährdet sehen.

Über die Klage entscheiden dann nicht Richter, sondern Anwälte, die dafür von den Streitparteien bezahlt werden. Und gegen ihr Urteil kann keine Revision vor einem regulären Gericht eingelegt werden.“

Und weiter wird ausgeführt:

„In den vergangenen Jahren hat sich jedoch eine wahre Klageindustrie entwickelt.

Da finanzieren amerikanische Risikofonds große Anwaltskanzleien, die wiederum nach für Unternehmen lohnenden Klagen gegen Staaten suchen. Das ist wie ein Roulette, bei dem die Wirtschaft die Bank hält. Sie kann klagen, aber nicht verklagt werden. Sie verlieren also nie, höchstes ein paar Anwaltshonorare.

(…)

Andere Regierungen haben die Folgen solcher Verfahren bereits erfahren und teuer bezahlen müssen.

Deswegen kündigen immer mehr von ihnen Handelsabkommen, die solche Klauseln vorsehen.

Sie wollen keinen kostspieligen Schadensersatz mehr leisten – weil sie Fracking verbieten, Subventionen streichen oder Warnhinweise auf Zigarettenpackungen verlangen. (Ja, es hat Klagen von Unternehmen gegen solche Politik gegeben).

Regierungen wollen nicht mehr erleben, wie ihr politischer Spielraum reduziert wird.

Südafrika und Australien haben deswegen Abkommen gekündigt – und erstaunlicherweise hat ihnen das weltweit überhaupt nicht geschadet.

[3]

Auch der ehemalige Verfassungsrichter Professor Siegfried Broß ist sehr kritisch. Im Spiegel ist dazu zu lesen, Zitat:

„TTIP: Ex-Verfassungsrichter hält Schiedsgerichte für rechtswidrig

Die privaten Schiedsgerichte in den Freihandelsabkommen CETA und TTIP verstoßen möglicherweise gegen Verfassungsrecht. Ein früherer Verfassungsrichter sieht in den entsprechenden Klauseln einem Zeitungsbericht zufolge einen Systembruch des Völkerrechts.“

[4]

Aber „unsere“ Politiker ignorieren nicht nur den Willen des Volkes, das sie angeblich vertreten, sondern auch Experten.

Für wen „arbeiten“ diese Politiker?

#2 Kommentar von Brummbär am 21. Januar 2015 00000001 16:29 142185776304Wed, 21 Jan 2015 16:29:23 +0000

TTIP, CETA und TiSA: Schluss mit diesen Geheimverhandlungen.

Diese Abkommen brauchen die EU-Bürger nicht, sondern nutzen nur den weltweit agierenden Konzernen.

Dieses Ergebnis allein zu den geheimen (!!) Schiedsgerichten ist ein deutliches Votum.