Harry Voigtsberger (SPD) in Erkelenz – Teil II: Plädoyers für weitere Kohlever­stromung und für „Opfer der Bürger“

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

DSC05175NRW Wirtschafts- und Energieminister Harry Voigtsberger (im Bild mit Dr. Hans-Heiner Gotzen, Erster Beigeordneter der Stadt Erkelenz) nutzte in Erkelenz die Fragen von Pressevertretern zu teilweise philosophischen Betrachtungen, die er mit der Frage begann: „…geben Sie irgend­jemandem die Schuld, dass wir in NRW Steinkohle gefördert haben?“

Und wörtlich weiter:“ … War das schlecht oder war das gut für das Land? Machen wir das irgendjemandem zum Vorwurf, dass das jemals stattgefunden hat? Ich denke, das war doch eine Chance für dieses Land (Anm. d. Red.: NRW)? Wo meinen Sie denn wo dieses Land wäre, ohne diese Energieressourcen?“.

Voigtsberger beschrieb die Folgen der Abwanderung von Unternehmen aus der Eifel, wo die Bevölkerung deshalb verarmte, in das Ruhrgebiet, als dort der Steinkohlebergbau begann und meinte, das ganze Land habe davon profitiert und die Menschen, die konkret betroffen gewesen seien, hätten Opfer gebracht.

Einerseits verwies er damit zu Recht auf die industrielle Revolution, die in der Tat auch an der Eifel nicht spurlos vorbeiging. Allerdings erzählte er nur einen Teil der Geschichte.

Dazu ein kurzer Exkurs:

Die vor allem in den Kreisen Düren und Schleiden damals beheimatete Eisenindustrie reicht geschichtlich bis in die römische Antike zurück. Bis in das 19. Jahrhundert profitierte man von Erzvorkommen, Wasserkraft und Holzkohle.

Zum Wettbewerbsnachteil wurde der Standort Eifel nicht nur wegen der optimierten Kohlegewinnung im Ruhrgebiet und deren Einsatz in der Hüttenindustrie.

Ein Problem war die Erschöpfung/massive Raubbau der Wälder für die Holzkohle, die deshalb, weil knapp, immer teurer wurde.

Ein weiteres Problem, das wir heute von den fossilen Rohstoffen ebenfalls nur zu gut kennen, war auch damals schon, dass die Erzvorkommen erschöpft und nur noch mit enormem Kapitalaufwand auszubeuten waren.

Tatsache ist, dass die Eifel das Schicksal ereilte, dass die Eisenhüttenindustrie wegen der rasanten Industriealisierung nicht mehr mithalten konnte und demzufolge Unternehmen das taten, was sie bis zum heutigen Tage tun: sie suchen sich lukrativere Produktionsstandorte.

Vor diesem Gesamthintergrund muss demzufolge auch die von Voigtsberger dargestellte Entwicklung gesehen werden.

Die Eifel ereilte damals ein unabwendbares, absehbares Schicksal, das für einzelne und die Bevölkerung selbstverständlich bitter war. Aber, wo ist der Unterschied zu unserer Zeit, in der es schließlich auch nur um Profit und Standortvorteile geht und deshalb zu Arbeitslosigkeit kommt?

Das ist auch heute nachvollziehbar und hart aber leider meist, genau wie im 19. Jahrhundert, nicht zu ändern.

Wie damals die Kohle bei der industriellen Revolution eine große Rolle spielte, sind heute die Erneuerbaren Energien auf dem unaufhaltsamen Vormarsch, der von Energiekonzernen nicht gerne gesehen wird, weil sie diese Wende nicht wollten bzw. „verschlafen“ haben.

Deshalb das Festhalten an der Braunkohle, das allerdings nicht zu unterschätzende Risiken birgt, die nicht nur in einem verstärkten Ausstoß von CO2 liegen, das die Einhaltung von Klimazielen in Frage stellt.

Man hätte Voigtsbergers Plädoyer für die Braunkohle durchaus so verstehen können, dass er meint, dass heute die Bevölkerung in der Region und in NRW dasselbe tragische Schicksal ereilen könnte wie einst die Bevölkerung in der Eifel.

Wobei angemerkt werden muss, dass diese damals auch nicht die einzigen Leidtragenden waren.

Die tragischen Folgen aussterbender oder abwandernder Industrie hat NRW in seiner 60-jährigen Geschichte immer wieder verkraften müssen und ist noch heute ständig mit der Umstrukturierung konfrontiert. Deshalb schließlich auch „Innovation City“ und andere Prgramme.

Voigtsberger meinte, dass es nur möglich sei, die Atomkraftwerke abzuschalten, wenn in NRW die fossilen Kraftwerke weiterlaufen.

Er entwickelte seine Ausführungen zu einem Plädoyer „pro Kohleverstromung“, wobei er im Vergleich von Stein- und Braunkohleverstromung die extrem unterschiedlichen Folgen aus der jeweiligen Kohlegewinnung für die Menschen und die Umwelt vollkommen ausblendete.

Ohne es explizit auszudrücken, scheint Voigtsberger zu glauben, dass die Betroffenen am Rand des Rheinischen Braunkohlereviers „Opfer für das Land“ zu bringen hätten.

Nicht anders sind seine Ausführungen zu verstehen.

Ob dies nur Voigtsbergers Meinung ist oder ob er damit zumindest für den SPD-Teil der Landesregierung sprach, war nicht erkennbar, wohl aber zu vermuten.

Denn es darf angenommen werden, dass er damit die SPD-Meinung wiedergab, die bekanntlich „pro Braunkohle“ votiert; wie übrigens der überwiegende Teil der Politik/Parteien.

Zum Braunkohletagebau führte er weiter aus, Zitat: „Und wir alle sind damit dafür auch wieder ein Stück verantwortlich, das entsprechend zu gestalten und ohne dass man irgendjemandem einen Vorwurf macht und Feindbilder erzeugt, ich glaube damit kommen wir im Prinzip nicht weiter.“

Mit „irgendjemandem einen Vorwurf machen und Feindbilder erzeugen“ meinte er vermutlich die Kritiker des Braunkohletagebaues, von RWE Power und der fossilen Kraftwerke.

Voigtsberger weiter: „Ich sage Ihnen noch eines. Wir schalten jetzt die Atomkraftwerke ab. Was meinen Sie denn, wie wir überhaupt diese Atomkraftwerke abschalten können? Weil in NRW die fossilen Kraftwerke weiterlaufen. Nur dadurch ist das möglich. Wir werden mit dem Netzausbau und den Erneuerbaren Energien nicht annähernd so schnell sein, um das Abschalten der Atomkraftwerke zu ersetzen.

Wir werden es nur mit fossilen Kraftwerken können. Wir sind uns schon einig, wir werden da wahrscheinlich noch eine Reihe davon in Süddeutschland, die überlegen jetzt eine Reihe fossiler Kraftwerke neu zu bauen, weil sie nicht wissen, wie sie es sonst auffangen sollen. Da sind wir alle in einer Verantwortung, dass wir solche Prozesse gestalten und das sind eigentlich keine Diskussionen und Feindbilder um irgendjemand einen Vorwurf zu machen.“

Mit dieser Meinung bestätigte Voigtsberger die Haltung eines großen Teiles der Politik.

Allerdings erklärte gerade erst Jochen Flasbarth, Chef des Umweltbundesamtes, dass keine weiteren Kohlekraftwerke mehr erforderlich seien, obwohl in den nächsten drei Jahren 6,6 Gigawatt der bestehenden fossilen Kraftwerke vom Netz gehen.

Hintergrund ist, dass im gleichen Zeitraum bereits im Bau befindliche Kraftwerke mit einer Leistung von 12,5 Gigawatt in Betrieb gehen werden, die ausreichend seien.

Flasbarths interessante Ausführungen sind u.a. hier nachzulesen: http://www.n-tv.de/politik/Neue-Kohlekraftwerke-unnoetig-article6441541.html

Dass „wir“ mit dem Netzausbau und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht annähernd so schnell vorankommen, um das Abschalten der Atomkraftwerke zu ersetzen, mag seine Meinung sein.

Erstaunlich und unbestritten ist immerhin, gem. einer Pressemitteilung des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR), dass am 26. Mai 2012

 „…die solare Kraftwerksleistung am Mittag 22.000 MW erreichte. Das entspricht der Leistung von mehr als 20 Atomkraftwerken.

„Es gibt derzeit kein anderes Land auf der Erde, in dem Solaranlagen Strom mit einer Leistung von über 20.000 MW produzieren können“, so Allnoch.

Der Beitrag der Photovoltaik zur Stromversorgung deckt die in Deutschland tagsüber bis Mittag zunehmende Stromnachfrage immer mehr ab.“

Kritiker sehen es als durchaus problematisch an, dass überwiegende Teile der Politik und Energiekonzerne immer noch am Ausbau einer fossilen und einer zentralen Energieversorgung festhalten; und das auch bei den Erneuerbaren (Offshore).

Grund ist, dass der erforderliche Netzausbau, ihnen aus Durchleitungsrechten gesicherte Einnahmen beschert.

Damit ist auch zu verstehen, warum der Ausbau der Erneuerbaren Energien kräftig gebremst wird, statt diese voranzutreiben.

Wie Voigtsbergers Aussage: „Wir gestalten das als Land, alle Menschen, die hier Verantwortung haben und wir wollen es eigentlich so gestalten, dass wir auch alle unsere Zukunft ein Stück weit auch in dieser Form aufrecht erhalten. An Wohlstand an dem wir bisher auch praktiziert haben. Um das geht es. Ich glaube, da sind wir jetzt an der richtigen Stelle und an dem Punkt, wenn Sie sagen, die Braunkohle wird irgendwann auslaufen.“ zu interpretieren ist, bleibt dabei offen.

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