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Harry Voigtsberger (SPD) in Erkelenz – Teil I: Wirklich „neue“ Erkenntnisse? [mit Video]

12-06-01-voigtsberger-erkelenz-goldenes-buch [1]NRW- Wirtschafts- und Energieminister Harry Voigtsberger löste sein Versprechen ein und besuchte das vom Braunkohletagebau betroffene Erkelenz. Dabei trug er sich auch in das Goldene Buch der Stadt ein.

Grundsätzlich werteten Mitglieder der Erkelenzer Bürgerbeiräte sehr positiv, dass Voigtsberger, im Gegensatz zu anderen Personen aus der Landespolitik vor ihm, zu einem Gespräch mit den Vertretern von Umsiedlungen betroffener Bürger ins Rathaus Erkelenz gekommen war.

11-07-22-hans-josef-dederichs [2]Dieser Besuch war im vergangenen Jahr am Rande der Veranstaltung des WDR 5 in Neu-Immerath zum Thema „Verheizte Heimat oder Zukunftsenergie? – Braunkohle in NRW“ von Heinz-Josef Dederichs (Grüne Erkelenz) angeregt worden.

An dem nichtöffentlichen Gespräch am Freitag, den 01.06.2012, nahmen neben Voigtsberger und Ministerialrat Ulrich Kaiser (Bergbau, Bergrecht, Geologischer Dienst), Vertreter der Bezirksregierung Köln und seitens Erkelenz Bürgermeister Peter Jansen, die Beigeordneten Dr. Hans-Reiner Gotzen und Ansgar Lurweg, der Koordinator für Braunkohleangelegenheiten und Umsiedlungsfragen Jürgen Schöbel und weitere Vertreter der Verwaltung, sowie die Fraktionsvorsitzenden teil.

Die angekündigte Teilnahme des Vorstandsvorsitzenden von RWE Power, Dr. Johannes Lambertz, wurde abgesagt.

Im anschließenden Pressegespräch informierte Bürgermeister Jansen (CDU) kurz darüber, dass es bei dem nichtöffentlichen Gespräch um Themen gegangen sei, die diskutiert werden müssen, wo angepackt werden muss und wo man der Meinung ist, dass die Landesregierung flankierend mitarbeiten kann.

Dies waren z.B.: Infrastruktur der Tagebaurand-Orte, Belastungssituation, CO2-freie Siedlung, nachhaltiges Bauen, psychologische Betreuung der Betroffenen, die dies wünschen. Außerdem wie Verhandlungen transparenter gestaltet werden können bis hin zu der Frage wie man einen Evaluierungsprozess noch optimierter gestalten kann.

Frage war auch „wie kann man die Bürger mitnehmen“ und vor allem, wie kann man die Erfahrungen für die nächste Umsiedlung nutzen und: wie kann man die Umsiedlung als Chance nutzen?

Es sei klar, dass die Energieversorgung für das Land im Vordergrund stehe, Erkelenz wolle dann aber auch „mitgenommen“ werden, meinte Jansen.

Voigtsberger erklärte ebenfalls, dass das Gespräch mit den Bürgern ausgesprochen interessant und sehr intensiv gewesen sei.

Schon als Hans-Josef Dederichs ihn am Rande der Veranstaltung des WDR in Immerath eingeladen hatte, aber auch schon bei der Vorbereitung zu der Podiumsdiskussion in Immerath, sei ihm klar gewesen, dass es sich hier um eine ganz besondere Situation handele.

Ein besonderer Standort mit besonderem Vorgehen, mit der sich Politik beschäftigen müsse.

Vor allem wenn man einem Ministerium vorstehe, das sich einerseits mit Energie und Wirtschaft aber auch mit Städtebau und Infrastruktur beschäftige, sei es für ihn klar gewesen, nach Erkelenz zu kommen, um mit den Bürgern zu diskutieren.

Umsiedlung „im Dienste für NRW“ als Energieland?

Voigtsberger legte Wert darauf hervorzuheben, dass das, was NRW und auch diese Region groß gemacht habe, die Energie sei und damit auch die hier vorhandene Braunkohle.

Das sei die Voraussetzung für die Industrie, entsprechende Entwicklung und auch für unseren Wohlstand gewesen und sei es auch zukünftig.

Damit würden die Menschen, die betroffen sind und dies ermöglichten und noch immer ermöglichen „einen Dienst an uns allen“ leisten. Dies müsse immer wieder einmal betont und wertgeschätzt werden.

Dies bringe eben auch Konsequenzen mit sich, wie die Umsiedlungen, die so sozialverträglich wie möglich ablaufen sollten. Es müssten Wege gefunden werden, die Menschen mitzunehmen.

Wichtig sei, so Voigtsberger, der intensive Dialog unter dem Motto „Dialog schafft Zukunft“. Eine Politik, die Menschen beteiligt, damit wichtige Dinge, die nicht von heute auf morgen zu lösen seien, die lange Prozesse verlangen, optimal gestaltet werden.

Dies sei auch ein Ansatz gewesen, warum es zu der „Innovationsregion Rheinisches Revier“ gekommen sei.

Der Tagebau wird noch 20, 30, 40 Jahre in der Region sein, meinte Voigtsberger und weiter: „Aber wir müssten uns schon heute darauf vorbereiten, was danach kommt und sukzessive die Region entwickeln.“

Was die Umsiedlung anbelange, habe man zwar jahrzehntelange Erfahrung, stelle aber immer wieder fest, dass man auf neue Themen stoße. Um dies alles lösen zu können, sei das Engagement der Betroffenen unersetzbar.

Voigtsberger würdigte die Leistung und das Engagement der Bürgerbeiräte, das nach seinen Worten gar nicht hoch genug einzuschätzen sei.

Sie seien Vermittler zwischen den Institutionen, Behörden, den betroffenen Menschen und dem Unternehmen (Anm. d. Red.: RWE Power).

Dass dies nicht immer einfach sei, wäre bei dem Gespräch deutlich geworden, weshalb er den Bürgerbeiräten noch einmal ausdrücklich auch namens der Landesregierung dankte, weil dieses Engagement außergewöhnlich sei.

Das Thema „gemeinsame Umsiedlung“ bezeichnete Voigtsberger als richtigen und wichtigen Ansatz, weil er auch neue Chancen biete. So etwas auf den Weg zu bringen verlange auch die Unterstützung und Begleitung durch die Politik und durch das Land.

Innovative, nachhaltige Lösungen zu suchen und zu finden sei, bei aller Belastung, auch eine Chance, die genutzt werden müsse. Wo habe man schon einmal Gelegenheit eine Siedlung, eine Lebensstruktur am Reisbrett zu entwickeln und Dinge umzusetzen, die man in gewachsenen Strukturen kaum leisten könne.

Dass solche „Entwicklungsaussichten“ mit dem Verlust von Heimat „erkauft“ werden muss, ließ Voigtsberger an dieser Stelle seiner fast euphorisch anmutenden Betrachtungen unberücksichtigt.

Gleichwohl sei es nach Voigtsbergers Worten sehr wertvoll die Einschätzung von Betroffenen und der Politik direkt vor Ort zu erfahren, denn Politik befinde sich oft in der Situation in der Käseglocke zu sitzen, ob in Düsseldorf, ob in Berlin oder sonst wo.

Originalton: „ … man spüre es, wenn man weiter weg ist, dass man bewusst vor Ort sein muss, um es zu erfahren. Sonst hat man ein völlig falsches Bild oder völlig falsche Einschätzung.“

Verbleibende Orte am Grubenrand bisher offensichtlich unbeachtet!

26 [3]Scheinbar ein neuer Aspekt, der bisher mehr oder weniger außen vor blieb, war für Voigtsberger die Problematik der am Tagebaurand verbleibenden Orte und die dort unmittelbar betroffenen Menschen.

Diese sollten mehr in den Fokus rücken. Damit müsse man sich, so Voigtsberger, ganz besonders beschäftigen.

Welche Aspekte er oder sein Ministerium in diesem Zusammenhang „besonders beschäftigen“ könnten, ließ Voigtsberger jedoch noch offen.

Stattdessen lenkte er seine Ausführungen wieder zum Thema Umsiedlungen und wiederholte noch einmal: ..“wenn schon neue Siedlungen, dann bieten diese auch eine neue Chance.“ Beispiel sei „Innovation-City“ im Ruhrgebiet, wo ganze Städte innovativ neu aufgestellt werden sollen.

Mehr zu der Initiative „Innovation-City“, bei der vor allem das Thema Energieeinsparung und Energieeffizienz im Vordergrund steht, können Interessierte hier nachlesen. [4]

Fragen der Presse meist nur ausweichend beantwortet

Auf die erste Frage eines Pressevertreters an Voigtsberger, die sich dann doch auf die „verbleibenden“ Orte und  Betroffenen am Grubenrand bezog, indem gefragt wurde, wie Voigtsberger das Thema anzugehen gedenke, antwortete der Minister wenig konkret.

Stattdessen machte er einen Schwenk zurück zur Umsiedlung und deren Evaluierung, also der Berücksichtigung von Erfahrungen aus schon vollzogenen Umsiedlungen.

Eine weitere Frage bezog sich dann eben auf die Umsiedlung und was das Land an Unterstützung liefern könne, oder ob die Erkelenzer die Ideen liefern müssten.

Voigtsberger erklärte, dass das Thema nachhaltige Siedlungsentwicklung, nachhaltiges Bauen erst jetzt im Gespräch ein Thema war. Damit müsste man sich auseinander setzen.

Wenn man hier etwas Beispielhaftes macht, müsse man prüfen, wie man das letztendlich im Rahmen von Möglichkeiten umsetzen könne, die das Land sicherlich habe- Was aber auch zu prüfen sein wird, bis hinauf zu dem Thema „IRR“ (Innovationsregion Rheinisches Revier) und europäischen Fördermitteln. Das könne man sich alles einmal anschauen, ob man hier Möglichkeiten habe.

Das sei jetzt in der Diskussion hoch gekommen, dazu habe er kein fertiges Konzept.

Die ergänzende Frage dazu befasste sich mit der Finanzierung z.B. von „Innovation City“ da letztlich der deutsche Steuerzahler, egal welche Fördermittel es gebe,diese finanziell immer mit zu tragen habe, deshalb: inwiefern und in welchem Umfang wird RWE eingebunden?

Dazu meinte Voigtsberger, dass RWE immer einbezogen werde.

Auch RWE werde sich dieser Verantwortung stellen müssen. „Wie wir das machen, wenn wir besondere Dinge in Bewegung setzen wollen, muss man sehen,“ meinte Voigtsberger

Es werde natürlich wieder zu einem öffentlichen Thema. Man müsse sehen, wo dann die entsprechenden Schnittstellen sind. Klar sei aber, „RWE muss da mit hinein.“

Offensichtlich überrascht wurde Voigtsberger von der Frage, in welchem prozentualen Verhältnis sich die öffentliche Hand (Land und Kommune) und RWE an den Kosten der Umsiedlung beteiligen werde. Stichwort war hier das „Indener Modell“.

Bei diesem „Finanzierungsmodell“ hatte RWE nur einen Teil (z.B. im Falle Jüchen 55%) der Umsiedlungskosten übernehmen müssen, die anderen Teile hatten Land und Kommunen zu tragen.

Hierzu meinte dann Bürgermeister Jansen, das “Indener Modell“ gebe es seit Jahren nicht mehr.

Hier gebe es eine Erklärung, dass sämtliche technische Infrastruktur, anders als früher nach dem Indener Modell, wo Mittel aus der Städtebauförderung verwandt worden seien, komplett vom Verursacher getragen wird.

Das werde auch schon bei den umgesiedelten Orte angewandt. Es gebe jedoch noch Details, die mit der Bezirksregierung und RWE zu klären seien.

Einer der beiden Erkelenzer Beigeordneter ergänzte: „…. Sie sprechen das kritisch an. Das ist auch zu recht kritisch, wie es in der Vergangenheit angepackt wurde. Es gab von Seiten des Landes immer aus Städtebauförderungsmitteln Zuschüsse für die Umsiedlungsstandorte. Dort gab es eine Vorfinanzierung seitens des Bergbautreibenden.“

Die Landesregierung sei irgendwann „ausgestiegen“, weil der Einsatz von Steuergeldern kritisch gesehen werden müsse.

So sei das Thema nun voll und ganz beim Bergbautreibenden angesiedelt. Er meinte, dass man mit Blick darauf, dass man Zukunftsfähiges wolle, schauen müsse „wie man das hin bekommt“.

Die ergänzende Frage: „Das heißt, der Erkelenzer Haushalt wird nicht belastet werden?“ wurde damit beantwortet, dass die Stadt Erkelenz für die Infrastruktur und die Ausstattung des Ortes keine Kosten zu übernehmen habe.

Mit dem Errichten von Gebäuden für die Stadt Erkelenz (beispielsweise Hochbauten) wurde der Erkelenzer Haushalt bisher schon belastet.

Zur Frage, ob 2045 wirklich ein See entstehe, oder ob der Tagebau weiter wandern werde, meinte Voigtsberger, dass er “davon ausgehe“, das der Tagebau auslaufen werde: „Bis dahin brauchen wir die Braunkohle …“

Im Klartext bedeutet Voigtsbergers Aussage, dass er „davon ausgeht“, dass der Braunkohletagebau Garzweiler II, von dem Erkelenz betroffen ist, wie vorgesehen bis 2045 betrieben wird.

In der logischen Konsequenz bedeutet dies auch, dass bis mindestens zu diesem Termin weiterhin Braunkohlekraftwerke laufen würden. Ansonsten wäre ein Fortführen des Tagebaues schließlich nicht sinnvoll.

Wofür sonst sollte die bis dahin geförderte Braunkohle, die nur im näheren Umkreis für Kraftwerke eingesetzt wird, noch verwandt werden, da sich ihr Transport über weite Strecken nicht lohnt?

Auf den eigentliche Teil der Frage, nämlich bezüglich des Restsees, ging Voigtsberger gar nicht ein.

Ob er an den Restsee glaubt oder diesen für realisierbar hält, wurde deshalb auch nicht klar.

 

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3 Kommentare (Öffnen | Schließen)

3 Kommentare Empfänger "Harry Voigtsberger (SPD) in Erkelenz – Teil I: Wirklich „neue“ Erkenntnisse? [mit Video]"

#1 Kommentar von Der vom Morken am 10. Juni 2012 00000006 23:43 133937179011Sun, 10 Jun 2012 23:43:10 +0000

RWE macht Kohle mit der Kohle – die Bürger zahlen.

Subventionen durch die Hintertür, die von der Bezeichnung her (z.B. Mittel aus dem Programm für Städtebauförderung) keine sind, flossen und fließen mit Sicherheit noch immer.

Was soll die Geheimniskrämerei? Wenn RWE fair für die Umsiedlungskosten aufkommt und die Steuerzahler dadurch nicht belastet würden, wäre das die beste PR die die haben könnten, dies auch öffentlich kund zu tun.

Das „Unternehmen“ hat eine Art mit Betroffenen umzugehen, die für diese zermürbend ist.

Der RWE-Vorstandsvorsitzender Dr. Johannes Lambertz erklärte bei der Veranstaltung des WDR in Neu-Immerath (2011), dass er selbst von der Umsiedlung Manheims betroffen sei. Richtig sei, dass er dies in finanzieller Hinsicht leichter verkraften könne als andere Betroffene.

Was bedeutet diese Aussage denn im Klartext? Doch eindeutig, dass es für die Umsiedler in finanzieller Hinsicht nicht leicht ist das zu stemmen und dass auch RWE das vollkommen klar ist – aber letztendlich sowas von egal!

Diese Umsiedlungen sind enorm belastend und das über Jahrzehnte.

Sehr richtig ist, dass die, die am Grubenrand weiterleben müssen ebenfalls belastet werden. Für diese Menschen nehmen auch noch die gesundheitlichen Risiken vor allem durch Feinstaub zu. Grobstaub gibt es auch reichlich, plus Lärm- und Lichtemissionen, die nicht minder schädlich sind.

Es drängt sich, angesichts der rasanten Entwicklung der Erneuerbaren Energien und immer besser werdender Speichermöglichkeiten, die Frage auf, die schon im Braunkohlenplan 1995 thematisiert wurde:

Ist der Braunkohletagebau noch erforderlich?

Im Braunkohlenplan für Garzweiler II von 1995 wurde eine Überprüfung dieser Erfordernis festgeschrieben. Dort steht (ZITAT):

„Angesichts der Langfristigkeit des Bergbauvorhabens ist, vielfach die Frage nach der Überprüfbarkeit bzw. Änderbarkeit des Planes gestellt worden.

Nach den Regelungen des Landesplanungsgesetzes muss ein Braunkohlenplan überprüft und erforderlichenfalls geändert werden, wenn sich die Grundannahmen für den Plan wesentlich geändert haben. Mit dieser Regelung ist die Grundlage der prinzipiellen Überprüfbarkeit von Braunkohlenplänen dargestellt. In dem bisherigen Verfahren wurde die Erwartung geäußert, den Begriff der Grundannahmen zu konkretisieren, um damit die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Einwirkungsbereich des Tagebaues zu verbessern.

Die Planung geht von der grundlegenden Annahme aus, dass die Gewinnung der Braunkohle zur Sicherstellung der Energieversorgung und ganz überwiegend zur Verstromung erforderlich ist.

Für eine Überprüfung muss eine bedeutende Entwicklung eingetreten sein, die die dem Braunkohlenplan zugrundeliegenden Annahmen in einem Maße verändert haben, dass das öffentliche Interesse an einer Umplanung höher zu gewichten ist als der Vertrauensschutz des Bergbautreibenden.

Der Gesetzgeber hat für diese Änderbarkeit bewusst hohe Maßstäbe gesetzt.

ANDERERSEITS WERDEN MIT EINER GENEHMIGUNG KEINE FESTSCHEIBUNGEN VORGENOMMEN, DIE AUF DAUER IRREVERSIBEL BZW. UNVERÄNDERLICH SIND.

Die Änderbarkeit muss möglich bleiben, je langfristiger eine Planung ist, je konsequenter das System der be¬gleitenden Umweltkontrolle wird und je wahrscheinlicher zukunftsweisende Entwicklungen im Bereich der Energietechnologie sind.

Die im Planverfahren verschiedentlich von Dritten geäußerte Annahme, mit einer Genehmigung sei auf Dauer die Festschreibung einer umweltbelastenden Technologie verbunden, widerspricht dem tatsächlichen Sachzusammenhang.

Die heutige, der Genehmigung zugrundeliegende energiewirtschaftliche Einschätzung stellt eine der Grundannahmen dar, deren wesentliche Änderungen unzweifelhaft zu einer Planüberprüfung führen.

Die Landesregierung wird auch nach der Genehmigung des Braunkohlenplanes die energiewirtschaftliche Entwicklung beobachten. Über gravierende Änderungen der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere über ihre Auswirkungen auf die Braunkohlennutzung, wird die Landesregierung berichten.

Das bedeutet, dass die Genehmigung von Teilplänen, die zu gegebener Zeit die Umsiedlung weiterer Ortschaften (über Otzenrath, Spenrath und Holz hinaus) regeln, mit dem energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Erfordernis des Braunkohlenbergbaus in Einklang stehen muss.

Des weiteren geht die Planung von der Annahme aus, dass die Folgen des Abbaugeschehens kontrolliert und im Sinne der Vermeidung von Fehlentwicklungen beherrscht werden. Dieses trifft besonders für die sozialverträgliche Gestaltung des Umsiedlungsgeschehens zu. Ebenso sind die Folgen für den Naturraum auf ein fachlich und politisch verantwortbares Maß zu reduzieren. Dazu zählt vor allem die Erhaltung der landesbedeutsamen, grenzüberschreitenden und schützenswerten Feuchtgebiete in den Flussgebieten von Schwalm und Nette.“ (ZITAT ENDE).

Stellt sich also die Frage, ob die Grundannahmen des Planes für Garzweiler II noch Bestand haben.

Ist der Braunkohletagebau noch energiewirtschaftlich und energiepolitisch erforderlich?

Sind die weiteren Umsiedlungen, die nun auch Erkelenz betreffen, überhaupt noch erforderlich? Wie wurde dies geprüft? Wurde überhaupt geprüft? Wenn ja, wo kann man diese Begründungen nachlesen?

Gibt es Informationen darüber wie die Landesregierung auch nach Genehmigung des Braunkohlenplanes die energiewirtschaftliche Entwicklung beobachtete und aktuell beobachtet? Wo sind die Ergebnisse dazu?

Was den Bergbautreibenden (RWE) anbelangt war die Politik (SPD, CDU, FDP) immer emsig dabei sich zu beeilen zu versichern, dass es ohne Kohle nicht geht und nur ja alles umgesetzt wird, was dem „Unternehmen“ dient und von Nutzen ist.

Der ehemalige Bundeskanzler Schröder und „unser“ ehemaliger „Landesvater“ Wolfgang Clement setzten sich schon 2000 anlässlich eines Besuches in Inden für: „die zügige Umsetzung von Garzweiler II und das Kraftwerksinvestitionsprogramm im Rheinischen Revier“ ein.

Besonders interessant:

„RWE-Chef Kuhnt forderte, die Steuervergünstigungen für Erdgaskraftwerke keinesfalls weiter auszudehnen.“ (Quelle: DEBRIV Bundesverband Braunkohle, Januar 2000.)

Warum ist ja wohl klar. Die alten RWE-Dino-Kraftwerke müssen sich doch weiter rechnen und konkurrenzfähig bleiben. Konkurrenz wollte und will man gar nicht erst zulassen.

Interessant ist auch, dass klimapolitische Überlegungen im Jahr 2000 zur Verdrängung von Kohle als KRASSER Verstoß gegen zentrale europäische Energieziele angesehen wurden!

Der Verband (DEBRIV) ist rührig und versorgte auch unsere EU-Abgeordneten mit geeigneten Informationen, wie z.B. diesen teils haarsträubenden, aus denen das vorstehend zitierte stammt:

„Die im europäischen Ausschuss für feste Brennstoffe (CECSO) zusammengeschlossenen europäischen Steinkohlen- und Braunkohlenproduzenten haben KLIMAPOLITISCHE Überlegungen zur Verdrängung von Kohle als KRASSEN VERSTOß gegen zentrale europäische Energieziele zurückgewiesen.

Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit sowie Umweltschutz könnten insbesondere angesichts der Erweiterung der EU nur durch einen ausgewogenen Energiemix unter Einbeziehung fester Brennstoffe garantiert werden.

Beruhigend sei, dass die Kommission in ihrem jüngsten „Energy Outlook“ in spätestens zehn Jahren wieder mit einer wachsenden Bedeutung der Kohle in der europäischen Stromversorgung rechne.

Einen Überblick über die europäische Kohlenindustrie sowie die modernen und effizienten Nutzungstechnologien gibt die neue Broschüre der CECSO „Solid fuels for a sustainable future.“

Die an die EU-Parlamentarier und die Kommission gerichtete Information zeigt, wie Kohle durch moderne Technologien zur UMWELTSCHONENDEN und wettbewerbsfähigen Energieoption für den ressourcenarmen EU-Raum werden kann.“

Nachzulesen hier beim Informationsservice des DEBRIV:

[8]

Bis auf den heutigen Tag hat sich an dieser Haltung nichts geändert.

Nach der Rede von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf dem Braunkohlentag 2011:

Der Vorstandsvorsitzende des DEBRIV, Dr.-Ing. Johannes Lambertz, berichtete der Ministerpräsidentin brieflich über die große Resonanz und breite Zustimmung auf ihre Rede anlässlich des Braunkohlentages 2011. Wenn sich die Braunkohlenländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Nordrhein-Westfalen gemeinsam zu Wort melden,“ bestünde die Aussicht, wichtige Elemente in die deutsche Energiekonzeption einzupassen und einen Schritt in Richtung Konsens voranzukommen.“

Garzweiler II gehört ganz klar auf den Prüfstand inklusive dieses Wahnsinnunternehmens „Restsee“. „Rest“, das klingt nach einem beschaulichen, netten „See“.

Ist überhaupt jemandem wirklich klar, was für ein gigantisches Riesenloch (23 qkm, 185 m tief) mit Rheinwasser gefüllt und über Jahrzehnte über 2085 hinaus noch weiter gespeist werden muss?

Wird dieser „See“ jemals „leben“ oder sauer sein (trotz Kalk und Zuführen weiteren Rheinwassers – so noch genug vorhanden)? Wozu soll er gut sein? Wie werden die klimatischen Auswirkungen sein?

Kein Wunder, dass Voigtsberger dazu gar nichts sagte.

Wir aktuell Lebenden werden das nicht mehr erleben. Die Folgen haben die Generationen nach uns zu tragen.

Nach uns die Sintflut? Scheint für viele und RWE die Devise zu sein.

Glückauf!

#2 Kommentar von Rettisch am 11. Juni 2012 00000006 14:41 133942566502Mon, 11 Jun 2012 14:41:05 +0000

@ Der vom Morken

Ist ne Menge Holz zu lesen. Sollte man mal tun. Was weiß ich von der Kohle und was da alles passiert?

Ich wusste es nicht bis ich hier mal mehr drüber gelesen habe. Muß das sein? Ist das richtig was da läuft?

Mir tun die Leute leid. Ist bestimmt nicht toll. Alles verlassen müssen und irgendwo ganz neu anfangen. Ist ja fast wie im Krieg.

An dem Riesenloch möchte ich auch nicht leben. Das wars dann doch wohl oder? Warum wird sowas erlaubt?

#3 Kommentar von M. Angenendt am 12. Juni 2012 00000006 18:19 133952519606Tue, 12 Jun 2012 18:19:56 +0000

Ich habe alles gelesen und auch das Video angesehen.

Dass sich die Erkelenzer freuen oder anerkennen, dass jemand von der Landesregierung den Weg zu ihnen gefunden hat und Interesse an ihren Problemen zeigt, ist nachvollziehbar.

Mit den Betroffenen möchte ich nicht tauschen. Ich muss auch gestehen, dass ich das bisher nicht so richtig auf dem Schirm hatte was da und auch bei uns an der südlichen Stadtgrenze geschieht. Wanlo ist ja auch heftig betroffen. Wer über die AB fährt kann das sehen oder ahnen.

Etwas schwierig finde ich das, was Herr Voigtsberger da erzählt hat. Ich habe es zweimal gehört und bin nicht richtig schlauer geworden. Viele Worte aber wenig gesagt.

@ Rettisch

Warum sowas erlaubt wird? Das steht da und auch in dem anderen Artikel. Die Bewohner in Braunkohlegebieten bringen Opfer zum Wohle der Energieversorgung der Allgemeinheit. Ob denen das hilft? Ist nachvollziehbar aber nicht mehr zeitgemäß.

Seit den 1980er Jahren gibt es schon Photovoltaik. Warum hat man das nicht schneller ausgebaut? Ich vermute mal, dass da andere Interessen eine Rolle gespielt haben. Wer Solarstrom selber produziert braucht keinen von RWE & Co.

@ Der vom Morken

Was da zu Garzweiler II kommentiert wird ist richtig interessant. Wird denn auch wirklich mal überprüft ob das alles noch nötig ist? Ist dafür jemand zuständig? Wie sieht das die Politik?

Hätte Herr Voigtsbergber mal dazu gefragt werden müssen. Wäre für die betroffenen Leute bestimmt wie ein Lottogewinn, wenn da Schluss wäre.