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Lenkungsausschuss „Fond Heimerziehung West“ klagt in Mahnverfahren gegen ehemaliges Heimkind • Weitere Betroffene demonstrieren vor dem Landgericht an der Hohenzollernstraße für ihre Rechte

[1]Am kommenden Montag, 04.04.2016, findet vor einer Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach ein wahrscheinlich in Deutschland einmaliger Prozess statt.

Uwe Werner, Vorsitzender des Vereins „1. Community Mönchengladbach e.V.“, im Bild rechts mit dem Vorsitzenden des Sozialausschusses des NRW Landtages, Günter Grabrecht (SPD), wird vom Lenkungsausschuss „Fond Heimerziehung West“ [2] auf Rückzahlung von 6.500 EURO verklagt.

Werner gehört zu den ehemaligen Heimkindern, die nach dem Krieg zwischen 1945 und 1975 in Einrichtungen der Behindertenhilfe (u.a. Stiftung Hephata und St. Josefshaus, Schloss Dilborn…) untergebracht waren und dort körperlich, seelisch und sexuell misshandelt wurden.

Um diese ehemaligen Heimkinder, die dort auch Arbeiten verrichten mussten, zu entschädigen wurde 2011 ein so genannter „Fond Heimerziehung“ ins Leben gerufen, bei dem sich Betroffene bis zum 31.12.2014 registrieren lassen konnten, um ihren Anspruch anmelden zu können.

Der Fonds „Heimerziehung West“ wurde errichtet durch

Fast alle ehemaligen Heimkinder leiden unter Traumata, körperlichen Gebrechen und Behinderungen.

Viele von ihnen sind darüber hinaus lern- und lesegeschwächt und waren u.a. deshalb nicht über den Heimfond informiert.

Mit einer Flugblattaktion, sowie auf einer Info-Veranstaltung im Mönchengladbacher Polizeipräsidium, machte Werner auf die Möglichkeit der Antragstellung aufmerksam, so dass sich bei ihm viele ehemalige Heimkinder meldeten.

Allein aus Mönchengladbach konnte Werner etwa 35 ehemalige Heimkinder informieren, und sie im Rahmen seiner Möglichkeiten bis zum Stichtag 31.12.2014 unterstützen, die Anträge zu stellen.

Wird ein Antrag genehmigt stehen den ehemaligen Heimkindern bis zu 10.000 EURO als „Anerkennung“ für das erlittene Leid (sexueller Missbrauch und körperliche Züchtigung) in den Einrichtungen zu.

Nach den Regeln des Fonds müssen die Anspruchsberechtigten ausgesprochen dezidiert die erlittenen Misshandlungen schildern, Täter, Zeitpunkt und Umstände beschreiben. Werner spricht in diesem Zusammenhang von Verhörsituationen.

Sowohl das Antragsverfahren, als auch die Antragsdauer schließen eine erneute Re-Traumatisierung nicht aus.

Teilweise grenze dieses Verfahren an „seelische Grausamkeit“, meint Uwe Werner.

Eine Direktorin des LVR habe nach einer WDR-Aktuelle Stunde-Ausstrahlung zu diesem Thema, schriftlich erklärt, dass ‚bei diesem Antragsverfahren, eine Re-Traumatisierung nicht ausgeschlossen werden kann, bzw. sich nicht vermeiden lässt‘.

Auch die Verwendung der Mittel aus dem Fond ist an Auflagen gebunden. Schon bei der Beantragung muss erklärt werden, wofür diese eingesetzt werden sollen. Damit aber noch nicht genug.

Nach Auszahlung müssen die Empfänger die nächste bürokratische Hürde nehmen, nämlich den Nachweis erbringen, dass die Mittel auch gemäß Antrag verwendet wurden, wobei auch noch vor Verwendung derselben mindestens drei Alternativangebote einzuholen und vorzulegen sind.

Uwe Werner gegenüber BZMG: „Das empfinde ich als diskriminierend. Wenn mir die Gelder zustehen, kann ich diese so verwenden, wie ich es für meine persönlichen Belange notwendig und angemessen halte.“

Er kenne niemanden, der diese im Verhältnis zum Erlebten und Durchlittenen, recht geringen Mittel „verjubelt“ hätte. Dazu seien die persönlichen Bedürfnisse der ehemaligen Heimkinder in vielerlei Hinsicht und insbesondere zum Erhalt ihrer Gesundheit viel zu groß und gewichtig.

Werner selbst leidet infolge Polyneuropathie an einer Fußlähmung, die ihm das Gehen sehr erschwert, und auf Grund derer er auf fremde Hilfe angewiesen ist, die er finanziell selbst tragen muss.

Bislang hat Werner gegenüber dem „Fond Heimerziehung“ etwa 3.500 EURO mit Belegen nachgewiesen. Für die restlichen 6.500 EURO besteht Werner darauf, dass er die Mittel selbstbestimmt. entsprechend seinen persönlichen und gesundheitlichen Bedürfnissen verwenden darf.

Das sieht der Lenkungsausschuss des Fonds anders und hat ein Mahnverfahren in die Wege geleitet, das nunmehr vor dem Mönchengladbacher Landgericht verhandelt wird.

Der Lenkungsausschuss besteht aus sechs Vertreterinnen und Vertretern der Fond-Errichter.

Für die Bundesregierung:

Für die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder:

Für die evangelische Kirche:

Für die katholische Kirche:

Vorsitzender des Lenkungsausschusses ist Christoph Linzbach, Georg Gorrissen nimmt den stellvertretenden Vorsitz wahr.

Zur Wahrung der Belange der ehemaligen Heimkinder hat der Lenkungsausschuss Frau Heidelore Rampp, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Heimkinder Deutschlands, als Betroffenenvertreterin berufen. Sie nimmt beratend an den Lenkungsausschusssitzungen teil.

Ob die Klage auch im Zusammenhang mit seinem ehrenamtlichen Einsatz für die Rechte von ehemaligen Heimkindern im Verein „1. Community Mönchengladbach e.V.“ steht, kann Werner nicht sagen. Die Vermutung liegt zumindest nahe.

Tatsache ist jedenfalls dass der Fond an die von ihm bis zum 31.12.2014 und darüber hinaus betreuten 35 ehemaligen Heimkinder (bei angenommenen 10.000 EURO pro Antragsteller) 350.000 EURO zahlen müsste.

„Ich habe dieses Gerichtsverfahren am 04.04.2016 nicht provoziert, nehme es aber bewusst in Kauf, damit die Öffentlichkeit erfährt, wie mit uns ehemaligen Heimkindern umgegangen wird. Viele sind diesem sehr bürokratischen, aufwendigen Antragsprozedere und dem darauf folgenden Nachweis über den Einsatz der Mittel nicht gewachsen, zumindest nicht ohne Unterstützung“, erklärt Uwe Werner gegenüber unserer Zeitung.

Mittlerweile seien in Mönchengladbach diverse ehemalige Heimkinder verstorben, die zwar Anspruch gehabt hätten, diesen jedoch nicht mehr hätten nutzen können. Wenn dieser Heimfond weiterhin so arbeite, würden wohl noch einige „Fälle“ ebenso enden.

Zumindest moralische Unterstützung erhält Uwe Werner am kommenden Montag (04.04.2016) in der Zeit von 10:30 Uhr bis 11:00 Uhr von einigen Mit-Betroffenen.

[3]Diese werden bei einer genehmigten Kundgebung vor dem Landgericht an der Hohenzollernstraße mit Plakaten, die auf den Artikel 1 des Grundgesetzes (Menschenwürde) hinweisen, anwesend sein und u.a. statt Bevormundung ein rechtsstaatliches Verfahren fordern.