Methangas-Anlage Gripekoven: Eindrucksvolle Informationsveranstaltung– Teil VI: Methangas-Fabrik Güterglück, ein abschreckendes Beispiel

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

Rainer Schmidt war extra aus dem 500 km entfernten Güterglück (zwischen Magdeburg und Dessau) angereist, um den Wegbergern von seinen Erfahrungen mit einer Methangas-Fabrik in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu berichten, die dort von RWE INNOGY betrieben wird.

In Güterglück, einem Ortsteil von Zerbst in Sachsen-Anhalt ist die Welt nicht mehr in Ordnung. Nichts ist mehr wie es vor der Inbetriebnahme war. Zuverlässig, nachhaltig und innovativ – so versteht und sieht sich RWE.

Die ca. 760 Anwohner, denen mit 6,5 Megawatt eine der größten Anlagen Deutschlands, sozusagen vor die Haustüren gesetzt wurde, sehen das vollkommen anders. Nachhaltig ist für sie nur der Ärger, den die Methangasfabrik ihnen tagein tagaus in vielfältigster Weise bereitet.

Jemand, den es besonders hart getroffen hat, ist Rainer Schmidt. Er wohnt etwa 150 Meter Luftlinie von der Mega-Anlage entfernt.

2007 war Baubeginn. Zunächst entstanden drei riesige Silos, damit rund 55.000 Tonnen Nachwachsende Rohstoffe (NaWaRos) gelagert werden konnten. Neben Mais auch Hirse, die allein auf einer Fläche von 500 Hektar angebaut wird.

Die riesigen Lager sind erforderlich, damit in der Zeit bis zur nächsten Ernte genügend Nachschub für die Anlage zur Verfügung steht.

Mit Beginn des Befüllens der Fahrsilos, war es in Güterglück und dem Nachbarort Schora, sehr wohl an normale Ernteereignisse gewöhnt, mit der Ruhe vorbei. LKWs und Traktoren fuhren im Abstand weniger Minuten. Der Lärm war enorm.

Da Ende 2007 ein Baustopp der Anlage verfügt wurde, mussten die Silos wieder leergefahren werden. Derselbe Krach und Verkehr wie bei der Anfahrt war die Folge. Die Fertigstellung war dann letztendlich 2010 und im April desselben Jahres begann der Probebetrieb.

Noch in demselben Jahr gab es dank eines Ventils, das sich gelöst hatte, die erste Havarie beim Abtransport flüssiger Reststoffe. Auf einer Länge von einem Kilometer verteilte sich eine übel riechende Flüssigkeit im Ort. Auch etliche parkende Fahrzeuge wurden davon getroffen.

Der Gestank war penetrant und der Ärger groß. Vor allem auch, weil die Reinigung erst drei Tage später erfolgte. Zum Glück regnete es in der Zwischenzeit. Aber es blieb noch genug für den zehn Mann starken Reinigungstrupp übrig, der die Straße regelrecht schrubben musste.

Wie schon mit Hilfe des Regens, lief auch das Wasser, das für die Reinigungsaktion eingesetzt wurde, mitsamt den entfernten Reststoffen in die Kanalisation, was offensichtlich weder den Betreiber noch sonst jemanden interessierte.

Am 08.07.2010 kippte dann ein vollbeladener Traktor mit Hänger auf der Fahrt zur Anlage in einer Linkskurve um. Kurz zuvor war dort gerade noch eine Mutter mit einem Kleinkind entlang gegangen.

Am 15.03.2011 kam es gegen 14.00 Uhr in der Methangasanlage Güterglück zu einer Verpuffung mit anschließendem Brand in einem der drei Gärbehälter. Diese Behälter haben einen Durchmesser von 26 Metern und sind 6 Meter hoch. Die Feuerwehr wurde um 14.35 Uhr nicht von den Mitarbeitern der Anlage oder deren Betreiber, sondern durch einen Bürger verständigt.

Die Anlage ist über DSL fernüberwacht. Der Betreiber betreut die Anlage vor Ort. Der Betrieb wurde kurzfristig eingestellt. Der Schaden belief sich auf 50.000 Euro.

Am 04.05.2012 um 6:47 uhr traten auf Grund einer Havarie in der Methangas-Anlage mehrere Kubikmeter organische Flüssigkeit aus dem Werksgelände aus und verbreiteten sich über das Grabensystem in Richtung des Baches Nuthe.

Die Freiwillige Feuerwehr hielt den Zufluss in das Gewässer durch Folie und Kies auf. Die anschließende Entsorgung wurde durch den Betreiber der BGA organisiert. Bei der Feuerwehr wurde das Einsatzende mit dem Datum 08.09.2012 angegeben.

In der Nuthe werden jährlich 8.000 bis 10.000 Junglachse ausgesetzt. Eine Verschmutzung hätte schwerwiegende Folgen gehabt. Sicher nicht nur für die Fische, sondern für das gesamte Ökosystem des Baches und wahrscheinlich auch für das Grundwasser.

Güterglück wurde mit der Methangasfabrik sozusagen en passant „beglückt“. Da es weder durch den Investor RWE noch den damaligen Betreiber Schmack Biogas GmbH eine Informationsveranstaltung gab, wurden die Bürger nicht direkt auf das geplante Vorhaben aufmerksam.

Es gab die übliche Veröffentlichung im Amtsblatt von der Verwaltungsgemeinschaft bzw. dem Landkreis, dass Pläne und Unterlagen ausliegen. Dem hat aber niemand Beachtung geschenkt, so sie denn überhaupt gelesen wurde.

Wer liest schon täglich das Amtsblatt oder in der Tageszeitung irgendwo ganz hinten die Bekanntmachungen …

So hat es die Einwohner von Zerbst und besonders die beiden betroffenen Stadtteile Gütersglück und Schora, wie man es ausdrückt „kalt erwischt“.

Von Politik und Gemeindevertretern wurden und werden keine Aussagen zu oder gar gegen die Anlage gemacht.

Schmidt erklärte vielfältige Gründe, wie z.B.:

  • Die Poltiker haben dem Vorhaben zugestimmt.
  • Ein Politiker wurde Betriebsleiter der Anlage.
  • Andere haben in irgendeiner Weise als Handwerker Nutzen von der Anlage.
  • Fast alle wohnen weit weg von der Anlage und bekommen weder vom Verkehr noch von der Geruchsbelästigung etwas mit.
  • Der Ortsbürgermeister hat seinen Wohnsitz in der Stadt Zerbst genommen.

Beliefert wird die Anlage nicht durch die Landwirte selbst, sondern, wie bei Anlagen dieser Dimension üblich, durch ein beauftragtes  Lohnunternehmen.

So werden Jahr für Jahr jeweils 5.000 Tonnen Gülle, 6.000 Tonnen Hühnertrockenkot, 5.000 Tonnen Grassilage und rd. 55.000 Tonnen Mais und Zwischenfrüchte (wie z.B. die erwähnte Hirse) angeliefert.

Nur rund 14.000 Tonnen Mais und Zwischenfrüchte stammen aus der näheren Umgebung von Güterglück. Der große Rest muss aus dem Raum östlich von Lindau und Zerbst  herangefahren werden, weswegen vor allem Bewohner aus dem Ortsteil Schora durch den starken Zulieferverkehr belastet werden.

Da hilft es auch nicht, dass Dr. Christian Julius von RWE INNOGY um „Verständnis der Bevölkerung für die unvermeidbare Belästigung und verstärkten Verkehr während der Ernte“ werben will. Denn nicht nur Anwohner, sondern auch Autofahrer müssen sich auf regen LKW- und Traktorenverkehr einstellen.

Also gibt es „Abstimmungsgespräche“ mit Vertretern von RWE, Lohnunternehmen/Erntefirmen, Polizei, dem Ordnungsamt und Bürgern der betroffenen Ortschaften, wie z.B. dem Schoraer Ortschaftsrat. Dabei ging es auch darum, dass die Erntefahrzeuge „nur“ bis täglich 22 Uhr fahren dürfen. Nachts solle, wie in den vergangenen Jahren geschehen, nur noch in Ausnahmefällen gefahren werden …

Theorie ist leider auch der Wunsch, dass Straßenverunreinigungen komplett vermieden werden sollen. Wobei Maishäcksel gerade für Motorradfahrer gefährlich sein können.

Je nach Witterung dauert allein die Maisernte sechs bis acht Wochen in der Loburger Region.

Im Jahr 2011 hatten die Betreiber der Methangas-Großanlage erstmals Kontakt mit der Öffentlichkeit gesucht, da es im Jahr zuvor massive Beschwerden aus der Bevölkerung geradezu gehagelt hatte. Deshalb also auch das „Werben um Verständnis“ von RWE-Seite.

Der Clou ist, dass bei guter Ernte die Silos der Güterglücker Anlage nicht groß genug sind und deshalb Mais & Co. in weiteren Silos im Zerbster Umland „zwischengelagert“ werden muss.

Von dort müssen sie dann später zur Anlage gebracht werden, was weitere zusätzliche Verkehre bedeutet.

Während der Erntezeit fahren stündlich 10 Fahrzeuge zur Anlage. Das bedeutet alle sechs Minuten ein Fahrzeug. Durch das Lohnunternehmen werden sowohl 40-Tonner Sattelzüge als auch Traktoren mit dreiachsigen Anhängern eingesetzt. Diese donnern dann schon von den frühen Morgenstunden bis gegen 23:00 Uhr durch die kleinen Ortschaften.

Von Montag bis Sonntag rasen die Traktoren mit offener Ladung bis 23.00 Uhr durch das Dorf. Sogar an den Wochenendeden erfolgte die Lieferung im 10-Minutentakt.

Beschwerden gibt es mehr als genug in Bezug auf Geruchsbelästigungen, Lärm durch die Fahrzeuge und auf Grund der Verunreinigungen durch verlorenes Ladegut.

Als Eigentümer von Grundstücken ist man in Zerbst auf Grund der städtischen Satzung verpflichtet, wöchentlich die Straße bis zur Straßenmitte zu reinigen. Was das (nicht nur) zur Erntezeit bedeutet, kann sich jeder sicher vorstellen. Da helfen leider auch nicht die schon erwähnten Abstimmungsgespräche vor Beginn der jährlichen Campagne und der fromme Wunsch, dass die Transporter mit einer Plane abgedeckt werden sollen.

Ewiges Ärgernis sind die „freiwilligen Tempobeschränkungen“ der Lohnunternehmen, an welche diese sich leider nicht halten. Auch dies kein Zerbster Phänomen, sondern eine leidvolle Erfahrung, die auch andernorts gemacht wird.

Die Bürger griffen daher zur Gegenwehr. Immer mehr von ihnen parken ihre Fahrzeuge so, dass die Transporter „Schlangenlinien“ fahren müssen und somit gezwungen sind die Geschwindigkeit zu drosseln.

Statt von den Lohnunternehmen die Umsetzung ihrer Zusagen einzufordern, wurden nun die Bürger aufgefordert die Nicht-Einhaltung der zugesagten Geschwindigkeit von 30 km/h der entsprechenden Transporter mit Fahrzeugnummer und Uhrzeit mitzuteilen. Ein absolut nicht praktikables Vorgehen, da schon das Beweisen der Geschwindigkeitsüberschreitung für einen Bürger schlicht unmöglich ist.

Einwohner von Schora ärgern sich über die unvernünftigen Fahrer. Weil auch für sie das Maß längst mehr als voll ist, protestierten sie mit einer Unterschriftenaktion nicht nur gegen das rücksichtslose Rasen der Transportfahrer durch ihren Ort,  sondern auch das unerlaubte Befahren einer Ringstraße, die nur für 7,5 Tonnen ausgelegt ist und die Verschmutzungen durch nicht abgedeckte Ladungen.

Auch die umliegenden Gemeinden beschweren sich über die Transporte,  z.B. weil Brücken befahren werden, die gar nicht für diese Lasten zugelassen sind.

Schmidt selbst, der in nur etwa 150 Metern Luftlinie Entfernung von der Anlage wohnt, berichtete von teils sehr hohen Geruchsbelästigungen, die auch etwas weiter entfernt wohnende Bürger monieren.

In einer Gartenanlage am Bahnhof Güterglück könne man sich im Sommer an manchen Tagen kaum aufhalten, geschweige etwas essen, denn der Appetit vergeht einem beim Geruch nach faulen Eiern und/oder Gülle. Auch der starke Geruch der Silage sei schier unerträglich. Anwohner, die dicht an der Methangasanlage wohnen, beschweren sich, dass sie kein Fenster mehr öffnen können, weil die Geruchsbelästigungen derart massiv sind.

Einige Bürger haben daraus für sich Konsequenzen gezogen und Güterglück verlassen. Die Dummen sind vor allem Hauseigentümer. Wie sollen sie sich gegen all das wehren?

Die angeblichen „Vorteile“ der Großanlage kann kaum einer der Betroffenen nachvollziehen. Nur sehr wenige Grundstücke im Ort sind an das öffentliche Gasnetz angeschlossen, in das die Einspeisung des Gases erfolgt.

Schmidts resignierendes Fazit:

  • Wir müssen die nächsten Jahrzehnte (!) mit den Unannehmlichkeiten leben.
  • Wir müssen den Werteverlust/Wertminderung unserer Immobilien hinnehmen.
  • Wir müssen mit penetranten Geruchsbelästigung leben.
  • Wir haben ständige Geräusch- und Lärmbelästigungen.
  • Wir haben die Gefährdungen im Straßenverkehr.
  • Wir kommen als Steuerzahler für die Straßenschäden auf.
  • Wir leben als direkte Nachbarn mit der Sorge und Angst vor Explosionen. Dass diese begründet ist, beweist das erwähnte Ereignis (Verpuffung und Brand).

Schmidt schloss mit der Frage an die Teilnehmer der Veranstaltung der Gripekovener BI: „Wollen Sie sich das antun?

 

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