Schienenverkehr: Politiker überschätzen ihren Einfluss – Beispiel: Mönchengladbach

Bernhard Wilms [ - Uhr]

[06.06.2009] Von den insgesamt neun Verkehrsverbünden und Verkehrsgemeinschaften ist der VRR (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr) der größte. Von Vorstand bis hin zu Arbeitskreisen der vertretenden Parteien (CDU, SPD, B90/Die Grünen) zählt man fast 30 Gremien, die auf irgendeine Weise Einfluss auf den VRR nehmen bzw. gerne nehmen möchten.

Für Mönchengladbach sind in den Gremien als ordentliche oder stellvertretende Mitglieder u.a. vertreten: Lothar Beine (SPD) in 10 Gremien und Joachim Roeske (CDU) in 11 Gremien.

Dass die Größe des Verbundes, die politischen Einflussnahmen und die divergierenden Interessen der Mitgliedskommunen und deren Verkehrsgesellschaften die Chancen für individuelle Forderungen einzelner Kommunen gegen Null tendieren lässt, ist nachvollziehbar und wurde auch bei der Mai-Sitzung des Mönchengladbacher Planungs- und Bauausschusses deutlich.

Ein Schwerpunkt der Beratungsvorlage der Verwaltung zum VRR-Nahverkehrsplan (NVP) und des Vortrages von Verkehrsplaner Jörg Clages bildeten die an den VRR gemeldeten und noch nicht gemeldeten Maßnahmen stellte der SPNV (Schienen-Personen-Nahverkehr) und die Bahn als Auftragnehmer des VRR dar.

Betrachtet man die Maßnahme im Einzelnen, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es sich hierbei mehr um Wunschträume als um realistische Dinge handelt.

Gerne nehmen dann örtliche und überörtliche Mönchengladbacher Politiker solche Träume und deklarieren sie aks Forderungen ihrer Parteien – wohl wissend, dass sie damit bei den Bürgern Hoffnungen schüren, die nicht erfüllbar sind.

Das vor allem vor dem Hintergrund, dass der, der die „Musik“ (sprich: Leistungen) haben will, diese auch zu bezahlen hat. Heißt konkret das, dass die Schienenverkehrsbetreiber für 20 Jahre eine Bestellgarantie fordern.

Wenn in die Mönchengladbacher Kommunalpolitik involvierte Politiker Forderungen stellen, sollten Sie die Machbarkeit nicht aus dem Auge verlieren und nicht dem Versuch erliegen, den (Wahl-)Bürgern unrealistische Hoffnungen zu wecken.

Das gilt besonders für diese acht Themen:

S-Bahn-Verlängerung von Mönchengladbach Hbf nach Odenkirchen und Wickrath

VRR: Maßnahme wird im aktuellen Entwurf des NVP wegen Unwirtschaftlichkeit nicht weiter verfolgt

Hintergrund: Die Streckenbelastung zwischen Mönchengladbach Hbf und Rheydt Hbf ist schon heute so hoch, dass weitere Züge ohne ein zusätzliches Gleis kaum noch aufgenommen werden können. Diese Investitionen würden auf das Land und die Stadt Mönchengladbach zurückfallen und scheiden schon allein aus diesem Grund aus.

Schon bei der Planung der S8 in 1972 hatte die Deutschen Bundeshahn die Durchleitung bis Rheydt und darüber hinaus geprüft und verworfen. Es ist also ein sehr altes Thema.

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie diese unrealistischen Forderung aus Ihrem „Repertoire“.

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Verlängerung der Schwalm-Nette-Bahn Mönchengladbach – Dalheim nach Roermond

VRR: Maßnahme steht im unmittelbarer Abhängigkeit mit der umstrittenen Reaktivierung des „Eisernen Rhein“; keine Bestellgarantie durch den VRR.

Hintergrund: siehe hierzu: http://www.bz-mg.de/nitriativen/ig-friedrich-ebert-strasse/dr-krings-bei-der-interessengemeinschaft-friedrich-ebert-strase-zum-thema-eisenbahnlarm.html

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie dieses unrealistische Ziel aus Ihrem „Repertoire“.

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Schienenanbildung des Nordparks durch die Nordpark-Bahn

VRR: Maßnahme wird im aktuellen Entwurf des NVP wegen Unwirtschaftlichkeit nicht weiter verfolgt

Hintergrund: Nach Rückzug der Briten aus dem Nordpark und den Planungen für eine Folgenutzung hat ein Krefelder Verkehrsplanungsbüro eine derartige Anbindung technisch und wirtschaftlich geprüft. Ergebnis: Keine hinreichende Wirtschaftlichkeit. Wenn eine Anbindung wirklich gewollt worden wäre, hätten entsprechende Planungen spätestens beim Bau des Borussia-Parks konkretisiert werden müssen. Das ist nicht geschehen.

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie dieses unrealistische Ziel aus Ihrem „Repertoire“.

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Verlängerung der Regio-Bahn Mettmann – Kaarster See über Flughafen Mönchengladbach

VRR: Maßnahme wird als zukünftige Strecke in Richtung Viersen und Venlo, aber nicht zum Hauptbahnhof Mönchengladbach genannt.

Hintergrund: VRR und Regio-Bahn haben eine technische Machbarkeitsstudie für diese Streckenverlängerung in Auftrag gegeben, aus denen auch Fragen zur Wirtschaftlichkeit beantwortet werden sollen.

Vor Gründung der Regio-Bahn-Gesellschaft wurde in 1992 eine technische Machbarkeitsstudie auch unter dem Gesichtspunkt durchgeführt, über einen Haltepunkt im Bereich der AS Schiefbahn (A52) Pkw-Verkehre aus Richtung Niederlande von der Straße auf die Schiene zu verlagern (P&R).

Eine Anbindung dieser Strecke an das Mönchengladbacher Schienenetz und damit den Hauptbahnhof ist allein schon aus eisenbahninfrastrukturellen Gründen nicht realisierbar. Eine im Krieg zerstörte Brücke, die eine solche Anbindung hätte möglich gemacht, wurde nicht wieder aufgebaut.

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie die Forderung nach Anbindung des Mönchengladbacher Hauptbahnhofes als unrealistisches Ziel aus dem „Repertoire“.

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10-Minuten-Takt der S8 zwischen Mönchengladbach und Düsseldorf in der HVZ (Hauptverkehrszeit)

VRR: Maßnahme wird im aktuellen Entwurf des NVP nicht weiter verfolgt

Hintergrund: Die Streckenbelegung zwischen Mönchengladbach und Düsseldorf, die erhebliche Verdichtung im Knoten Neuss und eisenbahnbetriebliche Restriktionen im Endpunkt Mönchengladbach Hbf machen einen 10-Minuten-Takt unrealisierbar. Darüber hinaus wären zusätzliche Züge erforderlich, die vom Land/vom VRR finanziert werden müssten.

Schon der 20-Minuten-Takt hat zeitweise zu erheblichen Problemen und letztlich sogar zu Verspätungen in Mönchengladbach geführt.

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie dieses unrealistische Ziel aus Ihrem „Repertoire“.

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Bau eines Haltepunktes Mönchengladbach-Eicken/Hoven (mit Halt der RB 33 – 2 x pro Stunde)

VRR: Maßnahme wird im aktuellen Entwurf des NVP als angemeldete Maßnahme genannt

Hintergrund: Hierbei handelt es sich um eine Forderungen der Stadt Mönchengladbach. Erst dann, wenn ermittelt ist, wie hoch die Kosten für einen derartigen Haltepunkt sind, wie viele Reisende die Linie RB 33 zusätzlich benutzen würden und welchen Einfluss die zusätzlichen Halte auf der Abwicklung des Eisenbahnbetriebes hätte, wird sich zeigen, ob es überhaupt Sinn macht, sich näher mit dem Thema zu befassen. Alles andere ist nur in die Kategorie „Luftschloss“ einzuordnen.

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie diese unrealistische Forderung aus Ihrem „Repertoire“.

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Bau eines Haltepunktes Mönchengladbach-Hochschule (mit Halt der RB 33, RE 8, RB 27, RB 39)

VRR: Maßnahme wird im aktuellen Entwurf des NVP als angemeldete Maßnahme genannt

Hintergrund: Die Realisierung dieser Forderung der Stadt Mönchengladbach ist ebenso wenig wahrscheinlich, wie die Forderung nach der Verlängerung der S 8. Es gelten die gleichen Restriktionen, wie in Pkt. 1 beschrieben.

Eine Forderung, die Stadt möge auf eigene Kosten einen Haltepunkt erstellen, ist ohne unmittelbare Einbindung der Bahn AG nicht umsetzbar (Grundstücke, Eisenbahnbetrieb, Eisenbahntechnik, …).

Da das Land/der VRR für diese Halte nicht als Besteller auftreten wird, würden auch die Kosten ausschließlich von der Stadt Mönchengladbach zu tragen sein. Auch diese Forderung gehört in die Kategorie „Luftschloss“.

Empfehlung an die Politiker: Streichen Sie diese unrealistische Forderung aus Ihrem „Repertoire“.

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ICE-Halt in Mönchengladbach

ice-in-mgNicht in die Zuständigkeit des VRR gehört die immer wieder „aufgewärmte“ Forderung nach einem ICE-Halt in Mönchengladbach Hbf. Wünschenswert wäre der allemal, ist aber nach wie vor völlig unrealistisch.

Tatsache ist nun mal, dass Mönchengladbach nicht in einem Verkehrskorridor liegt, der für internationale und nationale Schienenfernverkehre von so großem Interesse ist, dass die Bahn AG auch nur im Ansatz konzeptionell damit befasst.

Öffentliche Erklärungen unserer (Kommunal-)Politiker, aber auch entsprechende „Handlungsfelder“, wie beispielsweise im FDP-Kommunalwahlprogramm sind nicht mehr als populistische Spekulationen ohne wirklichen Gehalt.

Vielen Kommunalpolitikern – gleich welcher Couleur – stände es gut zu Gesicht, unrealistische Forderungen aus ihrem „Repertoire“ zu streichen. Aber gegen solche Empfehlungen sind viele von ihnen resistent.

Da liegt es einmal mehr am (Wahl-)Bürger, unrealistische Forderungen oder Ankündigungen als solche zu erkennen und zu werten.

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