TÜV Nord Bildung kurz vor der Bruchlandung

Red. Schule, Studium & Arbeitswelt [ - Uhr]

Bild-003Die E-Mail, die die Angestellten der TÜV Nord Bildung am letzten Freitag in ihrem Postfach fanden, traf sie wie ein Schlag in die Magengrube. Die Geschäftsführer der TÜV Nord Bildung wandten sich ohne Umschweife an ihre Mitarbeiter.

Die Hypotheken aus der Vergangenheit wiegen schwer und das rettende Geschäftsmodell für die Zukunft fehlt.

Etwa die Hälfte der 1500 Mitarbeiter verlieren ihren Job, nur 23 der 40 Standorte in Deutschland sollen weiterbetrieben und die Personalkosten um 20 % reduziert werden.

Schon jetzt steht fest, die Standorte in Berlin, Bochum, Dinslaken, Kleve, Neustrelitz, Cottbus, Erkelenz, Geilenkirchen, Hagen, Hückelhoven und Waren werden geschlossen.

Von der einstigen Größe wird die TÜV Nord Bildung nach der geplanten Umstrukturierung  meilenweit entfernt sein.

Brisant ist der geltende Beschäftigungsrahmenvertrag der Lohnkürzungen und betriebsbedingte Kündigungen innerhalb von drei Jahren ab dem 01.07.2010 ausschließt.

Vor einem Jahr hatte die TÜV Nord AG die RAG BILDUNG GmbH Gruppe mit 40 Bildungszentren, 5 Berufskollegs und der Opel Transfer GmbH für 12,5 Mill. Euro übernommen und sich auf diesen Beschäftigungsrahmenvertrag geeinigt.

Nun will die TÜV Nord AG die TÜV Nord Bildung finanziell nur unterstützen, wenn die Personalkosten gesenkt werden.

Die Anwälte der TÜV Nord setzten in Verhandlungen den Betriebsrat massiv unter Druck.

Als Druckmittel dient eine drohende Insolvenz mit Betriebsschließung.

Dagegen wehren sich Betriebsrat und Belegschaft.

Vor dem Verkauf gab es einen Ergebnisabführungsvertrag mit der Evonik Industries AG (RAG) und der RAG Stiftung der die Verluste der früheren RAG BILDUNG ausglich.

Hinter den Kulissen tobt nun ein erbitterter Verteilungskampf, die Evonik Industries AG erzielte 2010 einen Gewinn von 734 Mill. Euro und die TÜV Nord AG einen Gewinn von 49,1 Mill. Euro.

Die Evonik Industries AG steht kurz vor dem Börsengang.

In einer kurzfristig bekannt gegebenen Abteilungsversammlungen reisten ca. 900 Mitarbeiter, der Betriebsrat , der Vorstandsvorsitzende der TÜV Nord AG Dr. Rettig, und der Verhandlungsführer der IGBCE Markus Kraft nach Dortmund bzw. nach Mönchengladbach, wo zeitversetzt zwei Versammlung stattfanden.
Die Mitarbeiter der TÜV Nord Bildung sind entsetzt: „Die Stimmung in der Belegschaft ist aufgeheizt, die Leute sind sehr wütend“, sagte der Mitarbeiter des Hückelhovener Bildungszentrums Thomas Wasilewski.

Er hält die Pläne zum Arbeitsplatzabbau und die Lohnkürzungen für völlig überzogen und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Deutschland für sehr kurzsichtig.

Mit einer strategischen Neuausrichtung und seinen Plänen die berufliche Weiterbildung nach Indien und China zu exportieren hätte der Vorstandsvorsitzenden Dr. Rettig zusätzlich „Öl ins Feuer gegossen“.

Die Gerüchteküche: dass ein schwedischer Möbelhersteller auf dem Gelände des Hückelhovener Bildungszentrums einen Markt errichten möchte, sorge für zusätzlichen Sprengstoff.

Zudem ergänzte er, hätten seine Kolleginnen und Kollegen den gnadenlosen Unterbietungswettbewerb und das daraus resultierende Lohndumping weder eingeleitet noch befürwortet.

Da sehe ich die Arbeitgeber und Politiker in der Verantwortung.

Die Sanierung sollte von den Aktionären der Konzerne und nicht von den Löhnen der Mitarbeiter bezahlt werden.

Die eigentliche Intention ist klar: Der TÜV Nord möchte die Arbeitnehmer loswerden.

Die Kostensenkung  sieht mittelfristig eine Koppelung von Rausschmiss und Gnadenbrot vor.

Gegen windelweichen Formulierungen zur Änderung der Arbeitsbedingungen, Lohnsenkungen und Stellenabbau wandte sich auch ein Aufruf, der von der Belegschaft, der in Mönchengladbach versammelten Mitarbeiter, unterschrieben wurde.

Zudem wird in einem weiteren Aufruf ein finanzierbares Sanierungskonzept und eine demokratische Abstimmung über die Zukunftspläne gefordert.

Eine reine Ergebnispräsentation der Geschäftsführung, dass sich die Umsätze im laufenden Geschäftsjahr halbiert haben und die Schlussfolgerung Entlassungen und Lohnkürzungen  oder Insolvenz empfindet die Belegschaft als Drohung.

Ein Jahr nach Übernahme hat die TÜV Nord Bildung kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell.

Das Vertrauen der Belegschaft in die Geschäftsführer Becks, Oecking und Halank ist auf dem Nullpunkt angekommen.

Mit zahl­rei­chen Trans­pa­ren­ten und Pla­ka­ten ließen die Mitarbeiter Dampf ab und äußerten ihren Unmut auf den Plakaten: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis“ – Ausbeutung TÜV geprüft – Evonik sozialisiert die Verluste – die Pleitespezialisten vom TÜV.

Begleitet wurde die Versammlung in Mönchengladbach von einer Demonstration vor dem Gebäude.

Einige Politiker des Landtags NRW und des Bundestages waren gekommen um den Angestellten der TÜV Nord Bildung ihre Solidarität zu versichern.

KEINE Randbemerkung:

Die erschienene Presse, die bereitwillig über das Problem berichten wollte, wurde kurzzerhand gebeten, die Versammlung zu verlassen.

So drängt sich der Gedanke auf, dass die TÜV Nord A G und die RAG Bildung GmbH keine objektive Berichterstattung wünschen, weil es etwas zu verheimlichen gibt.

Sollen hier die Mitarbeiter auf unsauberste und nicht-öffentliche Art und Weise um ihre Arbeitsplätze gebracht werden?

Vielleicht aus dem Grund, dass man sonst das Unternehmen Evonik Industries AG nicht profitabel an die Börse bringen kann, weil noch Kosten vorhanden sind, die entstanden als man sich, im Taumel der Expansion, Mitarbeiterfreundlich geben wollte.

Die gesamte Aktion hat einen sehr faden Beigeschmack.

In solchen Fällen sind Politiker aller Parteien aufgerufen, den Mitarbeitern zu Hilfe zu eilen und mit ihnen um den Erhalt der Arbeitsplätze zu kämpfen.

Es wäre außerdem zu prüfen, ob nicht gesetzliche Möglichkeiten bestehen, den Arbeitgeber zu zwingen, sich an geschlossene Verträge zu halten.

Es ist außerdem zu klären, inwieweit der Betriebsrat in diesem Fall auf perfide Art gezwungen wird als Handlager des Arbeitgebers unliebsame Maßnahmen mitzutragen bzw. mit zu verantworten.

Es sollte sich eine große Solidargemeinschaft aus Politik und Gewerkschaft bilden und den bedrohten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Betriebsrat zur Hilfe eilen.

Hier ist äußerste Aufmerksamkeit von allen Seiten geboten um einen breit angelegten Arbeitsplatzabbau zu verhindern.

Allen betroffenen Beschäftigten ist nur zu wünschen, dass der Arbeitsplatzverlust verhindert werden kann und der Arbeitgeber gezwungen wird, sich an geschlossene Verträge zu halten .

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