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Karin und Albert Sturm mit dem Inklusionspreis des VdK Mönchengladbach ausgezeichnet • Städtischer Masterplan für Barrierefreiheit und Inklusion gefordert [mit Audio]

[1]Seine Stimme ist durch mehrere Schlaganfälle stark beeinträchtigt.

Also hatte Albert Sturm (Bildmitte mit seiner Frau Karin, ebenfalls Preisträgerin, Moderator Karl Boland, links, VdK-Kreisvor­sitzender Bernhard Wilms) sein Statement per Audio-Aufnahme vorgesprochen.

Diese Aufnahme lief dann am Samstagmittag (12.11.2016) im Theater an der Odenkirchener Straße vor annähernd 150 aufmerksamen Zuhörern im vollbesetzten Konzertsaal ab.

Darin fordert der Rolli-Fahrer unter anderem einen „Städtischen Masterplan für Barrierefreiheit und Inklusion“.

„Unsere Stadt soll kein Reha-Center werden“, aber durch solch einen Plan (und dessen Umsetzung gerade in öffentlichen Gebäuden) entstünde ein Mindestmaß an Normalität.

[audio: Statement-Albert-Sturm-IP2016.mp3]

Statement von Albert Sturm zum Nachlesen [2]

 

Normal war das nicht, was der diesjährige Preisträger des „VdK-Inklusionspreises“ im Februar 2016 im Rathaus Abtei erleben – vielleicht kann man auch sagen erleiden – musste.

Er und seine Frau Karin wollten im Hauptausschuss des Stadtrates dabei sein, wie die Politik über einen Antrag der Bündnis-Grünen abstimmt.

Darin ging es um die Barrierefreiheit in der schmucken Abtei bzw. zum Ratssaal.

Weil die nicht vorhanden ist, wurde der gewichtige Sturm von „starken Männern“ auf einen Bürostuhl gesetzt und in den Saal getragen.

Dann „durfte“ der lebensbejahende Giesenkirchener fast drei Stunden warten, bis das Thema erörtert wurde – mit der Schlussvokabel der GroKo aus SPD und CDU: Abgelehnt.

Zuvor war die Bitte, ebenfalls von der GroKo, abgewiesen worden, den Tagesordnungspunkt vorzuziehen.

Sturm hätte in seiner misslichen Lage nicht so lange warten müssen.

Während das Rathaus Rheydt für Behinderte relativ leicht zugänglich ist, ist das in der Abtei nach wie vor nicht so.

 

Der Sozialverband VdK vergab den Preis aus Acryl-Stele, Urkunde und einem kleinen Geldbetrag zum 4. Mal.

Inklusion bedeutet gleichberechtigte Zugehörigkeit – und die mahnten Redner in der festlichen Veranstaltung, in der es neben nachdenklich-kritischen Anmerkungen auch „Lichtblicke“ gab, an.

So sorgte der Mönchengladbacher Gospelchor „Lichtblick“ für auflockernde Swing-Atmosphäre.

Gladbachs VdK-Kreisvorsitzender Bernhard Wilms hatte da bereits mehrere Ehrengäste und Politiker wie die SPD-Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel begrüßt.

Wilms bedauerte, dass OB Hans-Wilhelm Reiners (CDU) sein Kommen wegen eines gleichzeitig stattfindenden Karnevalstermins abgesagt habe und hofft, dass Reiners es irgendwann einmal schaffen würde, an einer Feierstunde zur Verleihung des VdK-Inklusionspreises teilzunehmen.

Auch bedauerte Wilms, die Sozialdezernentin Dörte Schall (SPD) nicht begrüßen zu können, freute sich jedoch, dass der neue Ordnungsdezernent Matthias Engel (SPD) gekommen war. Engel nahm sich nach der Veranstaltung noch viel Zeit, um intensive Gespräche mit Teilnehmern an der Feierstunde zu führen.

[3]Nachdenklich verfolgte Albert Sturm die Laudatio, die Wilms mit der Feststellung über die Preisträger schloss: „Liebe Karin, lieber Albert: Ihr seid auf Eure ganz besondere Art unsere Helden. Ihr seid Motoren und Vorbilder und geradezu prädestiniert für unseren Inklusionspreis.“

So gehören die Sturms zu den Initiatoren von „Null Barrieren in Mönchengladbach“.

Auf ihre Anregung gibt es seit Jahren den VdK-CityTreff (Mittwoch und Samstag, 10 bis 13 Uhr, in der Rheydter Citypassage).

Bei diesen Treffen stehen Gedankenaustausch und Infos im Vordergrund.

Wilms: „Albert und Karin Sturm wollen immer etwas bewegen und kreativ sein, wenn es um die Belange der Behinderten geht.“

Ein Unmöglich gebe es für die Beiden nicht.

Inklusion sei für das Ehepaar: denken, planen und umsetzen für eine „Gesellschaft der Vielfalt“.

[4]Als Hauptredner forderte Dr. Carsten Dethlefs, nicht länger auf das Potential der Behinderten in Deutschland zu verzichten.

„Ich frage mich, wie reich muss unser Land sein, wenn wir es uns leisten können, dieses Potential kaum zu berücksichtigen.“

Laut Detlefs, Alt-Stipendiat und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konrad-Adenauer Stiftung und seit dem 4. Lebensjahr blind, leben in Deutschland mehr als 10 Millionen Menschen mit Behinderungen.

Größere Wahlkabinen, Wahlprogramme in Blindenschrift, in Gebärdensprachvideos oder als aufgesprochene Akustikangebote seien Möglichkeiten z.B. der politischen Teilhabe und nicht schwer umsetzbar.

Inklusion sei erst dann vollständig erreicht, wenn das eigene Handicap zur Nebensache geworden sei.

Man brauche kein Mitleid, es gebe genügend Gesetze, jetzt sei die Zeit des Handelns.

Einer seinen zahlreichen Denkanstöße: Welchen Gewinn könnten Kommunen erzielen, wenn sie beispielsweise auf den barrierefreien Tourismus setzten?

[5]Karl Boland (Der Paritätische) moderierte die mehrstündige Veranstaltung. Seiner Ansicht nach muss die Gesellschaft die Voraussetzungen schaffen, dass Menschen mit Behinderungen würdig leben können.

Sie hätten ein Recht darauf.

Mit dem Bundesteilhabegesetz würden Rahmenbedingungen geschaffen, behinderte Menschen wirtschaftlich-finanziell besser abzusichern.

Doch der Entwurf ist umstritten und wird nicht nur von Interessenverbänden heftig diskutiert.