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Politische Partizipation von Schülern und Jugendlichen: Ein Stiefkind • Nur wenige Politiker interessieren sich wirklich • BSV-Vorstandsmitglieder müssen finanziell in Vorleistung treten [mit Audio]

[1]Landauf landab und damit auch stadtweit in Mönchengladbach behaupten Politiker, dass sich „die Jugend“ nicht für ihre eigenen politischen Belange interessieren würde, geschweige denn für Kommunalpolitik überhaupt.

Wer sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen will, wird feststellen, dass diese Pauschaleinschätzung unzutreffend, ja sogar falsch und kontraproduktiv ist. Den Beweis traten auch die 11 anwesenden der 14 Vorstandsmitglieder der Bezirksschülervertretung (BSV) am vergangenen Freitag (05.06.2015) im „Cannape“ am Alten Markt an.

Wo anders als in der Schule und im schulischen Umfeld kann politisches Interesse am ehesten geweckt werden? Dort im Politikunterricht und in den Schülervertretungen haben die Schüler die Möglichkeit, erste politische Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln … wenn man sie lässt, und wenn man sie fördert.

Eine wichtige Rolle spielen dabei unzweifelhaft die Lehrer, von denen man erwarten dürfte, dass sie, neben ihren fachlichen Themen, den Schülern zumindest ein Gespür dafür vermitteln, dass diese in eine Welt hinein geboren wurden, an deren Gestaltung sie sich beteiligen können und auch müssen.

Das beginnt im schulischen Alltag mit all seinen Problemen, wie der Integration von Menschen unterschiedlichster Herkunft im Sinne von sozialem Status und ethnischen Wurzeln, wie individuellen Stärken, Schwächen und Neigungen, wie Rassismus und auch aktuell der Inklusion.

Gerade dem Thema Inklusion in der Schule begegnen manche „gestandene“ Lehrkräfte mit Distanz bis hin zu offener Ablehnung. Basis dieses gesamten Spektrums ist Uninformiertheit auf Grund mangelnden Wissens, aber auch auf Grund „statusbedingter“ Grundeinstellung.

So fragte ein Gymnasiallehrer in einer Inklusionsveranstaltung in Mönchengladbach, ob ein Kind mit einer Behinderung „von 100%“ überhaupt an einem Gymnasium beschult werden könne. Diese undifferenziert gestellte Frage machte deutlich, dass dieser Lehrer von „Behinderungen“ nichts wusste. Die Antwort (aus dem Publikum), dass der im Rollstuhl sitzende Finanzminister Schäuble mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 haben werde, unterstrich dieses „Nichtwissen“.

Unbestritten ist, dass man diesen Lehrer als „Einzelfall“ darstellen könnte. Aber ist das wirklich so?

Dass Inklusion auch bei Schülern ein Thema ist bzw. in Kürze sein könnte, wurde bei der konstituierenden Sitzung des Vorstandes der „Bezirksschülervertretung Mönchengladbach und Umland“ (BSV) erkennbar. Hatte er sich im vergangenen Jahr – neben den erforderlichen organisatorischen „Wiederaufbauarbeiten“ – in einem Workshop mit dem Thema „Homophobie“ auseinandergesetzt, ist aktuell ein Workshop zur Rassismusproblematik in Planung.

Blickt man auf die konstituierende Vorstandsitzung der BSV am vergangenen Freitag (05.06.2015) im „Cannape“ am Alten Markt zurück, erkennt man, dass es in Schulen der Sekundarstufen sehr wohl Schüler mit politischem Interesse gibt. Und das schulformübergreifend.

Aus diesem politischen Interesse leitet sich die eindringliche Forderung nach „Politischer Partizipation“ ab, die sich zwar formell auf Themen rund um Schule beschränken soll, faktisch jedoch auch andere gesellschaftliche Bereiche mit einbeziehen dürfte.

Wie diese politische Partizipation der Schüler in Mönchengladbach aussehen kann, wird noch zu entwickeln sein. Ob es ein „Jugendparlament“ geben wird oder die Bezirksschülervertretung die Hauptrolle spielen soll, oder ob sich eine Kombination oder Kooperation mit dem Stadtjugendring, einem eingetragenen Verein aus Jugendorganisationen in Mönchengladbach, ergibt, wird noch längerer Diskussionen bedürfen. Daraus folgernd auch, ob es überhaupt ein „Jugendparlament“ geben wird.

Jannan John Safi, der Vorsitzende der BSV, erklärte gegenüber unserer Zeitung, dass es in jedem Fall nicht zu einer gegenseitigen „Kannibalisierung“ kommen dürfe und stellt dabei fest, dass die BSV den höchsten Legitimierungsgrad habe, da die Schülervertreter unmittelbar demokratisch gewählt seien.

Auch im nachstehenden Interview weist Safi darauf hin, dass es letztendlich eine Entscheidung des Stadtrates geben müsse und erklärt, dass Gespräche mit Parteien anstünden. Dabei betont er, dass die BSV ganz konsequent Wert auf Überparteilichkeit legen werde.

„Politische Partizipation gibt es nicht zum Nulltarif“. Diese Erkenntnis ist auch für die BSV-Akteure nichts Besonderes.

Wohl aber, dass bei allen Ausgaben, die die BSV hat, deren Vorstandsmitglieder in Vorleistung treten müssen, die dann später von der Bezirksregierung erstattet werden. Ein Jahresbudget seitens der Bezirksregierung würde sicherlich zielführender für beide Seiten sein.

Unterstützung bei seiner Arbeit seitens der Stadt erfährt die BSV nur sehr eingeschränkt. Städtische Zuschüsse erhält sie nicht, wohl aber das Zugeständnis einen Nebenraum in einer Mehrzweckhalle nutzen zu dürfen. Der Wunsch, ein Büro mit einer Postadresse zu erhalten, wird sich nicht so schnell erfüllen lassen.

Nach langer „Ruhephase“ wurde im Februar 2014 ein neuer Vorstand der BSV gewählt, dem auch Jannan John Safi angehörte und der sich in der Folge einer Menge struktureller Arbeit gegenüber sah. Die Satzung musste angepasst werden, es galt eine Wahlordnung und eine Geschäftsordnung zu erarbeiten.

Damit wurden wichtige Grundlagen dafür geschaffen, dass sich der neue Vorstand nunmehr verstärkt den inhaltlichen Aufgaben im Sinne „politischer Partizipation“ und der Unterstützung der Schülervertretungen an den Schulen mit Sekundarstufen widmen kann.

Dass aktuell nur 25 der möglichen 45 Schülervertretungen in Mönchengladbach Delegierte in die BSV entsandt haben, führt Safi auf mangelnde Aufklärung über die Arbeit der BSV, und die daraus resultierende unzureichende Anbindung der Schülervertretungen der einzelnen Schulen an den BSV zurück.

Diesen Mangel zu beheben sieht der BSV-Vorsitzende – neben konkreten inhaltlichen schulpolitischen Aufgaben – als eines der wesentlichen Ziele des Vorstandes, der am Freitag seine Arbeit aufnahm.

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[audio: 15-06-05-bezirksschuelervertretung-janann-safi.mp3][ca. 19 Min]

Die Zusammensetzung des BSV-Vorstandes zeigt sowohl altersbezogen als auch von der geografischen Herkunft ein breites Spektrum. Das jüngste Mitglied ist 10 Jahre, das älteste 19 Jahre alt.

Neben Schülern mit deutscher Herkunft engagieren sich solche mit ghanaischen, türkischen und afghanischen Wurzeln in diesem ausgesprochen harmonisch agierenden Team.

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Im Bild v.l.: Yaw Amponsah (19), Gesamtschule Volksgarten, Max Riedel (16), Math.-Nat.-Gymnasium, Celina Osmanovic (14), Gymnasium Am Geroweiher, Rick Duman (17), Gymnasium Am Geroweiher, Arian Ludorf (17), Kath. Hauptschule Rheindahlen, Janann Safi (18), Math.-Nat.-Gymnasium, Melvin Lehner (18), Stift.-Humanistisches-Gymnasium, Dennis Ritter (18), Gesamtschule Hardt, Ibrahim Ahmad (16), Stift.-Humanistisches-Gymnasium, Paul Quasdorff (11), Math.-Nat.-Gymnasium, Feyza Koc (17) , Berufskolleg Volksgartenstraße

Nicht mit auf dem Bild: Djalila Kerime(10), Math.-Nat.-Gymnasium, Charlotte Klinger (17), Stift.-Humanistisches-Gymnasium, Kimberly Ottmann (15), Gesamtschule Stadtmitte

Unterstützt wird der BezirksschülerInnensprecher Janann John Safi von einigen BSV-Vorstandsmitgliedern bei seinen Aufgaben:

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Politische Partizipation von Schülern und Jugendlichen: Ein Stiefkind • Nur wenige Politiker interessieren sich wirklich • BSV-Vorstandsmitglieder müssen finanziell in Vorleistung treten [mit Audio]"

#1 Kommentar von Ypsilon am 10. Juni 2015 00000006 19:26 143396439207Wed, 10 Jun 2015 19:26:32 +0000

Mir gefällt, dass sich junge Menschen für ihre Belange einsetzen, politisch interessieren und auch engagieren.

Nicht verstehen kann ich, dass junge Leute ohne Einkommen in finanzieller Hinsicht in Vorleistung gehen müssen, um dies tun zu können.

Wenn die Politik(er) wirklich so sehr am politischen Engagement der Bürger und vor allem Jugendlicher, den zukünftigen Wählern, interessiert wären, wie immer und immer wieder propagiert wird, hätte sicher längst eine praktikable Lösung gefunden werden können.

Es kann sich ja nicht um Summen handeln, die die Stadtverwaltung und/oder Parteien nicht aufbringen könnten. An anderer Stelle (z.B. üppige Gehälter insbesondere beim Konzern Stadt – zahlen letztendlich auch wir Bürger und für Prüfaufträge –allein bei der Trabrennbahn 1,5 Mio. wenn ich mich nicht irre) ist seltsamerweise immer genug Geld vorhanden.

Es gab doch mal diesen Verein, der sich gegen die Wahlmüdigkeit der Bürger gegründet hatte. Die haben doch bestimmt auch noch was in der Kasse, womit die die jungen Leute unterstützen könnten.

Ist auf jeden Fall ein Armutszeugnis vor allem der Parteien, dass die sich nicht der jungen Leute unterstützend und parteiübergreifend annehmen.