Gesamtschulabweisungen: Widersprüche und Klagen nicht ausgeschlossen – Viel politisches Porzellan zerschlagen

Red. Schule, Studium & Arbeitswelt [ - Uhr]

bzmg-p1080250Die MIGS hatte eingeladen und nicht nur Eltern, deren Kinder an der Neuwerker Gesamtschule abgewiesen wurden, hatten sich im Konferenzraum des DGB-Hauses an der Rheydter Straße eingefunden.

Etwa 30 hatten sich eingefunden, um zu erfahren, welche Chancen noch bestünden, dass ihr Kind zukünftig doch in eine Gesamtschule gehen kann.

In der Diskussion wurden deutlich, dass eine zweite „Überlastklasse“ in Neuwerk gewünscht worden war, diese Entscheidung jedoch bei der Schulleitung gelegen hatte. Deren Leiterin scheint sich wohl auch dafür ausgesprochen zu haben, war jedoch in die Zwickmühle geraten, diese Klasse zwar einzurichten, dann aber von der Bezirksregierung die zusätzlich notwendigen Lehrer zu erhalten.

Diesem „Druckmittel“, das ganz offensichtlich aus dem Düsseldorfer Schulministerium aufgebaut worden war, hatte sie als bekannt verantwortungsvolle Leiterin nichts mehr entgegenzusetzen … verständlich.

Deutlich wurde auch, dass sich die Mönchengladbacher Ampel-Schulpolitiker offensichtlich selbst die Hände gebunden hatten. Zum Beschluss der Einrichtung einer 6 Zügigkeit in Neuwerk reichte die Übereinstimmung nicht, es reichte nur zur Empfehlung einer einmaligen Überlast in Neuwerk.

Zu sagen, die Gestaltungsmehrheit verpasste eine Gestaltung in Neuwerk, wäre zu wenig.

Sie baute Vertrauen auf, überließ der Schulleitung das Problem und hinterlässt einen emotionalen Scherbenhaufen.

Als einziger aus der „Ampel“ war Gerd Schaeben der Einladung der MIGS gefolgt; Nicole Finger (FDP) hatte wegen der kurzfristigen Terminierung schon kurz nach der Einladung abgesagt, Monika Schuster (SPD) erst kurz vor der Veranstaltung.

So war es an Schaeben, den teilweise entrüsteten Eltern die Situation zu erklären. Für BZMG tat er das anschließend noch in einem Interview:

[audio:10-02-13-interview-schaeben.mp3]

Auch nach der Veranstaltung wurde noch heftig diskutiert und nach Wegen gesucht, wie die Eltern weiter vorgehen könnten.

So ist zu erwarten, dass Eltern, deren Kinder an den Gesamtschulen Hardt, Volksgarten und Mülfort abgewiesen wurden, gegen die Entscheidungen der Schulleitungen in Widerspruch gehen und einige von Ihnen – je nachdem, wie der Widerspruch beschieden wird – den Weg zum Verwaltungsgericht beschreiten werden.

Allem Anschein nach wird es bezüglich der Gesamtschule Neuwerk zu Widersprüchen und ggf. zu einer Sammelklage kommen.

„Wir wollen abwarten bis nach der Landtagswahl“, hatte es aus der Ampel geheißen. Und auch, dass man einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang nicht „auf dem Rücken der Eltern austragen wolle“. Nun tragen die Eltern die Folgen.

Hätte man den Eltern die Verwaltungs- und Rechtslage frühzeitig erklärt, und ihnen deutlich gemacht, dass auch eine Ratsmehrheit keine zweite „Überlastklasse“ in Neuwerk beschließen könne, weil die Kommunalpolitiker keine Zuständigkeit haben, sondern nur Schulleitung (mit dem Druck der Landesregierung im Rücken), hätten viele Telefonate nicht geführt werden müssen, wären viele Gerüchte nicht entstanden und es wäre bei diesem Thema zu der von der Ampel avisierten Transparenz gekommen.

Spätestens nach der Presserklärung des DGB vom 20.02.2010 hätte die Ampel eine gute Chance gehabt, die Grenzen der Kommunalpolitik in diesem speziellen Fall darzulegen. Kaum jemand hätte das als „Schwäche“ ausgelegt.

Möglicherweise hat es ja solche Gedanken gegeben, die sich aber auch fraktionsintern nicht durchsetzen konnten; allein darauf hinzuweisen, die FDP hätte mit Blick auf die Landtagswahl hier „geblockt“, wäre dann wophl zu einfach.

Diese Chance jedenfalls hat die Ampel verpasst. Stattdessen hat sie es geschafft, Zweifel an ihrer schulpolitischen Kompetenz aufkommen zu lassen.

Der wirkliche Erfolg der drei Kooperationspartner liegt einzig und allein bei der dauerhaften Schaffung von 29 zusätzlichen Gesamtschulplätzen auf der Espenstrasse.

In Neuwerk hat einzig die Schulleitung Hochachtung verdient: Ihr allein gebührt der Dank für die Einrichtung der Überlast im Schuljahr 2010/11.

Schulpolitisch gesehen wussten Eltern mit Gesamtschulwunsch wenigstens, wo sie mit den Kommunalpolitikern unter einer CDU/FDP-Mehrheit dran waren, nämlich dass insbesondere für die CDU die Gesamtschule ein ideologisch gefärbtes „rotes Tuch“ ist; auch eine Form der Transparenz und Verlässlichkeit.

An ihrem Transparenzanspruch muss die Ampel noch arbeiten.

Nun heißt es abwarten. Abwarten auf den Ausgang der Widersprüche und ggf. der Klagen der betroffenen Eltern und abwarten, welche Konstellation sich nach der Landtagswahl in Düsseldorf ergibt.

Häme ist nicht angebracht.

Dazu ist die Angelegenheit für die betroffenen Kinder und der Eltern viel zu dramatisch. Wie sollen die Eltern ihrem Kinde erklären, warum ein anderes Kind, das vielleicht schlechtere Noten in der Grundschule hat, zur Gesamtschule darf und es selbst immer noch nicht weiss, in welche Schule es zukünftig geht.

Auch vor diesem Hintergrund hielten es die anwesenden Eltern gelinde gesagt für geschmacklos, wenn nicht sogar unverschämt, dass eine Frau Stähn, Sprecherin der Hauptschulinitiative, über Radio 90.1 den an einer Gesamtschule abgewiesenen Kinder eben zu dieser Abweisung „gratuliert“ haben soll.

Dann mangelt es an Takt- und Fingerspitzengefühl.

Solche Aussagen helfen niemandem und kosten dieser Schulform völlig unnötig  Sympathiepunkte.

Es bleibt abzuwarten, ob sie mit gleicher Inbrunst den Schneid hat, sich für diese Entgleisung bei den abgewiesenen Kindern zu entschuldigen.

3 Kommentare zu “Gesamtschulabweisungen: Widersprüche und Klagen nicht ausgeschlossen – Viel politisches Porzellan zerschlagen”
  1. @mgweb:
    Die Positionen sind leider nicht so klar (siehe http://www.bz-mg.de/nrw-deutschland-europa-welt/ministerin-sommer-lehrer-und-eltern-zeigen-wahre-tatkraft.html).

    Ich erkenne aus Aussagen und Pressenotizen folgende Parteistimmung:

    Grüne und Linke sagen eindeutig „Ja“ zur Gesamtschule mit Oberstufe, wollen das 3-gliedrige Schulsystem abschaffen.

    CDU ist eindeutig für Erhalt des 3-gliedrigen Schulsystem und erklärt auch, dass sie zu den Gesamtschulen in der jetzigen Form und Menge stehen (es bleibt wie es ist).

    FDP will Gesamtschulen ohne Oberstufe, daneben bleibt das Gymnasium.

    SPD will Gesamtschulen ohne Oberstufe, daneben bleibt das Gymnasium.

    Was ich von Gesamtschulen ohne Oberstufe halte, kann man in meinem Kommentar zu o.e. Artikel lesen: Nichts!

    Da ist es immer noch besser, das was man bewahrt, was man jetzt hat (so leid mir das für die abgewiesenen Eltern an Gesamtschulen tut).

    Ohne einen Anteil gymnasialer Leistungsträger ist das Gesamtschulkonzept definitiv kaputt, es macht überhaupt keinen Sinn mehr. Und diese Kinder mit Gymnasialempfehlung werden sich auf einer Haupt-Real-Gesamtschul-Verschmelzung ganz klar nicht mehr finden. Für sie bleibt nur das Gymnasium, sie werden das auch von Anfang an wählen.

    SPD und FDP bauen hier lediglich einen Weg zur CDU auf, damit man sich in einer Koalition einigen können. Die Folge ist eine Verschmelzung von Hauptschulen und Realschulen unter Opferung der Gesamtschulen. Mehr nicht.

    Vor dem Druck der jährlichen Abweisungen von Gesamtschulen und dümpelnden Hauptschulen wird die CDU auch zusammenknicken. Der Elterndruck hat hier dann genau das Gegenteil erreicht, was er wollte: die Ausweitung der Gesamtschulen in der jetzigen Form.

    Ich bezweifle vor diesem Hintergrund auch, dass Eltern, die ihre Kinder mit Realschulempfehlung auf eine Gesamtschule schicken, auch weiterhin (hätten sie denn noch die freie Wahl) freiwillig ihre Kinder in eine Gesamtschule ohne Oberstufe schicken würden. Die Unzufriedenheit der Eltern wird eher noch wachsen bei solch einem faulen Kompromiss.

    Die SPD ebnet sich den Weg zur Macht (was letztlich alle wollen) in Koalition mit CDU oder FDP und hofft vermutlich auch, dass sie mit diesem Kompromiss Wähler abfischt. Das wird allerdings nicht funktionieren, denn die Eltern, die zum 3-gliedrigen Schulsystem stehen, werden CDU wählen. Und die Gesamtschuleltern werden dankend ihr Kreuzchen der SPD verweigern.

    Selbst Gesamtschulbefürworter, die den Linken und Grünen ansonsten nichts abgewinnen können, kommen da ans Denken, ob es nicht sogar besser ist CDU zu wählen. Denn sonst verlieren die Gesamtschulen alles.

    So gesehen opfert die SPD unnötig das Klientel ihrer Wähler, für das sie sich doch angeblich so stark macht. Mehr noch: sie verprellt sich den Rest der Eltern, der sie unter Umständen wählen würde.

    Da wissen Gesamtschuleltern jedenfalls, was sie haben.

  2. Erinnert mich an einen anderen Beitrag.

    Es macht ja nichts das mgweb und andere Bildungspriviligierte unter sich bleiben wollen, aber es gibt ja noch andere Meinungen.

    Ob die GS die Lösung ist, wer weis.

    Aber HS ist auch nicht schön. Und an die ohne Schulabschluß wird wieder kaum gedacht.

    Wer vor 50 Jahren einen Hammer halten konnte, wurde Zimmermann. Reichte es nicht für den Hammer sondern nur für den Pinsel halt Maler.

    Heute sucht man für den Zimmermann-Azubi studierte Statiker und der Maler muß Chemiker sein.

    Das ist denen, die in Lohn und brot stehen und denen, die eine fette Rente kassieren egal.

    Politik im 21. Jahrhundert heißt Besitzstandswahrung. Lasst den Pöbel ungebildet, aber die Chinesen werden unsere Rente nicht zahlen.

    Zum Teufel mit CDU und FDP, damit wir endlich eine wirkliche Zukunftsorientierung bekommen und nicht die bedienen, denen Chancengleichheit fern liegt.

  3. Eines ist doch klar:
    bei folgenden Positionen zur GS

    MG SPD pro
    MG GRÜNE pro
    MG FDP contra
    Land CDU/FDP contra

    ist es so wie es ist.

    Die Landtagswahl ist entscheidend.

    Vor Ort sind die Pro-Leute mit Ihrem Latein am Ende.

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