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Alle Jahre wieder: Falsche Grundschulempfehlungen

Für SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen an den Grundschulen eine ungeliebte Situation, werden doch zu einem zu frühen Zeitpunkt wichtige Weichen für viele Mädchen und Jungen über deren Schullaufbahn gestellt. Das gilt sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in NRW.

Nahezu alle ernst zu nehmenden Untersuchungen (u.a. PISA, IGLU, TIMMS) belegen, dass Empfehlungen über die weitere Schullaufbahn der Kinder zu diesem Zeitpunkt zu über 50% falsch sind.

So titelt auch der  „Spiegel“ vom 28. Januar 2004:“Fast jeder zweite Grundschüler erhält eine falsche Schulempfehlung.“ Der Erziehungswissenschaftler Wilfried Bos, Leiter der IGLU-Studie in Berlin, bezeichnet diese Tatsache als „bildungspolitischen Skandal“.

Selbst das Schulministerium in NRW (hier sind die Schulempfehlungen im Unterschied zu Rheinland-Pfalz mittlerweile verbindlich) gibt am 24.01.2006 in einer Presseerklärung zu, dass ca. 40% der Schulempfehlungen  falsch sind. Den erfolgreichen Abiturienten der Gesamtschulen in NRW (Zentralabitur) hatten die Grundschulen sogar ca. 72% eine Empfehlung für den Abiturbildungsgang verweigert.

Ein entscheidender Grund für diese höchst unzureichende prognostische Qualität der Gutachten liegt darin, dass diese zu einem Zeitpunkt verlangt werden, an dem gesicherte Aussagen über das zukünftige Lernverhalten und die Lernentwicklung der Kinder nicht möglich sind.

Dass diese Beurteilung zu früh getroffen wird, ist auch in unserem verkrusteten Bildungssystem (föderal und vielfach gegliedert) begründet. Diese Art der frühen Selektion ist weltweit nahezu einmalig.

Sie existiert in dieser Form nur noch in Österreich und in drei Kantonen der Schweiz (lt. Dr. Rainer Bock, Universität Duisburg-Essen).

In allen Ländern, welche in der PISA-Studie 2000 gute Ergebnisse erzielt haben, wird zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt (nach den Klassen 8 – 10) darüber entschieden, ob den Jugendlichen eine studien- oder berufsorientierte Schullaufbahn angeboten wird.

Vielleicht sollten die Lehrerinnen und Lehrer darüber nachdenken, ob sie vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Fakten eine für Kinder so wichtige Entscheidung zu diesem Zeitpunkt noch treffen wollen und verantworten können.

Angesichts dieses Dilemmas in Deutschland sollten die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschulen in Rheinland-Pfalz nur in enger Kooperation mit den Erziehungsberechtigten eine für die Kinder so wichtige Weichenstellung einleiten.

Noch haben die Eltern in Rheinland-Pfalz ein gewichtigeres Mitspracherecht als z.B in NRW. Sie sollten dieses Elternrecht voll ausschöpfen.

Den Eltern in NRW sei empfohlen, sich geschlossen gegen diese Art zu frühzeitigen „Klassifizierung“ zu wehren, in Einzelgesprächen mit den „entscheidenden“ Grunschul-LehrerInnen die für ihre Kinder richtige Wahl zu treffen. Auch Landeselterrat und Landesschülervertretung sind gefordert, die dieser Problematik engagiert anzunehmen.