Drei Viertel aller Bundesbürger vertrauen der eigenen Familie – Politiker und Parteien am Ende der Skala

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung der BAT-Stiftung für Zukunfts­fragen, in deren Verlauf repräsentativ über 2.000 Personen ab 14 Jahren in persönlichen Interviews befragt wurden.

„Vorsicht ist besser als Nachsicht.“ – „Misstrauen ist die Mutter der Sicherheit.“ – „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ – solche und andere Sprichwörter kennen die meisten Deutschen.

Wer vertraut, so wird vermittelt, sei selbst schuld, wenn er am Ende enttäuscht wird. Die Bundesbürger sind diesbezüglich hin- und hergerissen.

Während das Vertrauen in das persönliche Lebensumfeld sehr hoch ist, ist die Zuversicht in Politik, Wirtschaft und Institutionen gering.

Professor Dr. Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung führt dies auf die Konzentration auf Beständigkeit in schnelllebigen und unsicheren Zeiten zurück: „Die Bevölkerung sucht und findet derzeit nur noch verlässlichen Halt im privaten Umfeld.

Unternehmen, Parteien und Einrichtungen hingegen wird unterstellt, in erster Linie am eigenen Vorteil interessiert zu sein und die Erwartungen des Bürgers oftmals zu enttäuschen.

Politiker wie Manager sollten daher stärker berücksichtigen, dass Vertrauen ein soziales Kapital darstellt, welches unbezahlbar für Akzeptanz und Erfolg ist.

Es sollte offener, verlässlicher und ehrlicher agiert werden – denn nur mehr Transparenz schafft Vertrauen“.

Innerhalb der Bevölkerung zeigten sich zahlreiche interessante Unterschiede:

Geschlecht

Frauen vertrauen etwas stärker der Familie und der Justiz sowie doppelt so häufig der Kirche.

Männer dagegen äußern mehr Zutrauen in die Partnerin, die Wissenschaft und die Kollegen, aber auch zweimal so oft in die Gewerkschaften.

Region

Die Landbevölkerung vertraut signifikant stärker dem Partner als es die Großstadtbewohner tun und auch in die Familie und den Nachbarn setzten sie mehr Vertrauen.

Die Großstädter dagegen nennen öfter Freunde und Non-Profit-Organisationen sowie die Wissenschaft und Justiz als vertrauenswürdig.

Im Osten ist das Vertrauen in Nachbarn, Kollegen und die Wissenschaft größer.

Zudem ist das Vertrauen in die Aussagen im Internet fast dreimal so hoch wie im Westen der Republik.

Dort vertraut man hingegen deutlich mehr den Kirchen und den Non-Profit-Organisationen.

Alter

Unter 35-Jährige setzen ein überdurchschnittlich großes Vertrauen in das Internet, Freunde und die Familie.

In der mittleren Altersgruppe zwischen 35-54 Jahren genießen der Partner und die Gewerkschaften einen Vertrauensbonus.

Bei den über 55-Jährigen sind es dagegen die Nachbarn, die Kirche sowie das Gerichtswesen.

Bildung

Die größten Unterschiede zeigen sich beim Bildungsgrad der Befragten. So steigt mit der Bildung auch das generelle Vertrauen der Befragten.

Beispielsweise ist das Vertrauen von formal Höhergebildeten in Bezug auf die Wissenschaft, die Kollegen oder Politiker rund dreimal höher als bei formal Niedriggebildeten.

Bei diesen ist lediglich das Vertrauen in die Kirche, die Nachbarn und die Banken stärker.

Ausblick: Wer vertraut, findet Vertrauen

Deutschland steht am Scheideweg. Verschärft sich zukünftig die Spaltung der Gesellschaft?

Setzen sich Egoismus und Individualismus des Einzelnen fort und wird sich weiterhin vornehmlich auf Quartalszahlen und Gewinnmaximierung sowie Denken in Legislaturperioden konzentriert?

Oder gibt es eine Alternative zu all dem und lässt sich das, was im direkten Lebensumfeld so gut funktioniert, auf größere Zusammenhänge übertragen?

Zweifellos könnte Vertrauen – gerade in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrise, Banken- und Staatenrettungen – der soziale Kitt sein, der ein Land zusammenhält.

Die Bevölkerung hat dies erkannt und verstärkt derzeit ihr Engagement im direkten Umfeld.

Vor dem Hintergrund der Versingelung und der Kinderlosigkeit unserer Gesellschaft erfahren hierbei neben dem Partner und der Familie zunehmend auch Freunde, Kollegen und Nachbarn eine besondere Bedeutung.

Um die Vertrauensbildung auf andere gesellschaftliche Bereiche zu erweitern, gibt es keine pauschale Patentlösung.

Vielmehr geht es um ein grundsätzliches Umdenken: Statt den Bürger lediglich als Konsumenten und Kunden, Wähler und Leistungsempfänger zu sehen, sollten Vertreter aus Politik und Wirtschaft ihn vielmehr als Partner wahrnehmen, ohne den das eigene Betätigungsfeld weder dauerhaft funktioniert noch legitimiert ist.

Aber auch der Bürger muss umdenken, denn eine pauschal negative Sichtweise auf Parteien, Unternehmen und Institutionen ist weder richtig noch hilfreich.

Lösungsansätze und Änderungsvorschläge sind zweifellos zahlreich vorhanden: von einer stärkeren Partizipation des Bürgers bei Entscheidungsprozessen und einer Aufwertung des Ehrenamts über nachhaltigere und langfristigere Strategien in Politik und Wirtschaft bis hin zu mehr Eigeninitiative und Engagement seitens der Bevölkerung.

Bedenklich wird es jedoch, wenn Politiker zwar ehrenamtliches Engagement loben und dazu aufrufen, dann jedoch bürgerliches Engagement kritisieren oder merklich zurückhalten, wenn sie erkennen, dass sich es sich dabei um politisches Engagement handelt, das sich außerhalb der eigenen Parteien oder der eigenen Einflussnahme entwickelt.

Ein Kommentar zu “Drei Viertel aller Bundesbürger vertrauen der eigenen Familie – Politiker und Parteien am Ende der Skala”
  1. Der letzte Satz trifft es genau:

    „Bedenklich wird es jedoch, wenn Politiker zwar ehrenamtliches Engagement loben und dazu aufrufen, dann jedoch bürgerliches Engagement kritisieren oder merklich zurückhalten, wenn sie erkennen, dass es sich dabei um politisches Engagement handelt, das sich außerhalb der eigenen Parteien oder der eigenen Einflussnahme entwickelt.“

    Genau so ist es.

    Stört mir meine Kreise nicht – nur keine Transparenz und vor allem nicht anerkennen, dass Bürger Fach- und Sachkunde haben oder sich angeeignet haben. Gar Recht haben.

    Solange sie keine „Gefahr“ darstellen dürfen Bürger auch mal ein Protestplakat hochhalten.

    Angenehmer und lieber gesehen, wird dagegen soziales Engagement, wenn Bürger ehrenamtlich tätig sind und/oder Spenden sammelnd für Dinge sorgen, die Sache von Staat, Politik und Verwaltung wären.

    Dann überschlagen sich Politiker vor Lob und stehen auch gerne für Fotos zur Verfügung. Als schmückendes Beiwerk versteht sich.

    Das dient der Sache und vor allem dem Politiker-Image.

    PR für (D) umme.

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