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In memoriam Eddy Erlemann • Ein paar ganz persönliche Eindrücke

[1]Zum letzten Mal ist Eddy am Mittwoch umgezogen. Sein letzter Weg begann im Mönchengladbacher Münster, oben auf dem Abteiberg.

Seit Kindertagen kenne ich den Weg hinauf zu den Kirchen rund um den Markt.

An der Hand meiner Oma ging es zur Sonntagsmesse, „per pedes apostulorum“ hieß das damals. Entweder in der Hauptpfarrkirche oder im Münster.

Je nachdem wie schnell wir den Berg hinauf kamen und wie vielen Bekannten Oma begegnete. Es brauchte Zeit, sich eben mal guten Tag sagen.

Und kleine Verschnaufpausen lernen wir mit zunehmendem Alter zu schätzen.

Zu Sankt Martin führte auch mein Weg wieder einmal in meine Heimatstadt und auf den Abteiberg und ins Münster.

Auf dem Vorplatz unter dem Giebel mit den Zeichen, welche die Abtei auf dem heutigen Rathaus hinterließ, stand ein großes Zelt. Voller Stühle, alle besetzt.

Und zwischen dem Zelt und dem Haupteingang zum Münster wartete der Leichenwagen mit Eddy. Ein letztes Mal wartete er auf seinen Einzug in die Klosterkirche, deren Hausherr er viele Jahre seines Lebens war.

Hier im Haus Gottes standen die Menschen dicht gedrängt zwischen den Mauern, Säulen, Fuß an Fuß. So viele Menschen habe ich noch nie hier gesehen.

Schultern, Rücken, Jacken, Mäntel, Schals, Haarschöpfe bildeten schon in Reichweite den Horizont. Die Orgel erklang, im Chor des Seitenschiffs stimmte der Chor das Requiem an. „Luigi Cherubin (1760-1842), Requiem Nr. 1 c-moll“, las ich auf dem Liederzettel, den mir ein freundlicher Mensch beim Betreten des Münsters in die Hand gedrückt hatte.

Ein Stabkreuz erschien über den Köpfen, die sich alle dem Mittelgang zuwandten. Eddy war da, auch wenn die Sicht auf den Sarg mit der sterblichen Hülle, die allen so vertraut war, für die meisten außerhalb ihres Gesichtsfeldes lag.

„Herr, erbarme dich unser, Christ erbarme dich unser“, der Auferstehungsgottesdienst hatte begonnen. Über die Lautsprecher hörte ich Stimmen, zu denen ich kein Gesicht kannte.

Hier und da entdeckte ich um mich herum bekannte Gesichter. Manche hatte ich lange nicht mehr gesehen.

Die Zeit verfliegt. 80 Jahre ist er alt geworden, von dem wir alle heute Abschied nehmen wollen. Ich sehe ihn noch vor mir und „Mönchengladbachs Junger Gemeinde“, Ende der 1970er Jahre von unserem Kaplan in Herz Jesu Pesch nach Vorbild der Jongerenkerk in Venlo gegründet.

Jugendliche aus allen Pfarren auf und ringsum den Abteiberg bildeten hier eine Gemeinschaft. Jeden Sonntag trafen wir uns in einer anderen Kirche, um dort den Gottesdienst zu feiern.

Edmund Erlemann war damals Pastor der Hauptpfarre geworden. Und so sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Sein Kantor und Organist war auch der von der Jungen Gemeinde. Nebenan im Münster spielte Viktor Scholz die Orgel.

Woche für Woche bereiteten wir uns mit unserem Priester und seinen Helfern auf die Messe am Sonntag vor, lasen die Bibeltexte, hatten Chorproben, übten auf unseren Instrumenten, bildeten eine Band und begleiteten Chor wie Gemeinde …

Auch das war Eddy, wie er bald hieß. Die Würdenträger irgendwo vorne, wo wir auch einmal gestanden haben, erzählten, wie sie Eddy erlebt haben.

Bis zuletzt ging er seinen Weg, zwischen dem Aachener Dom und Brandts Kapellchen, neben dem er mit den Steyler Missionsschwestern wohnte, hinterließ Eddy quer durch das Land zwischen Vater Rhein und Mutter Maas seine Spuren.

Eddy griff auch die Spur des Volksvereins auf, der zu Füßen des Abteibergs zu meines Urgroßvaters Zeiten entstand, als hunderttausend Migranten über die Maas an den Gladbach kamen und hier ihr Glück fanden.

Auch Eddy verschlug es von Krefeld über die Niers ins Tal der Maas, wo er in Aachen zum Priester geweiht und schließlich Propst der ehemaligen Klosterkirche des Benediktinerklosters auf dem Abteiberg 100 Treppenstufen oberhalb des Gladbachs wurde.

Eddy kam also an den vermeintlich linken Niederrhein, wie auch Mönchengladbacherinnen und Mönchengladbacher das rechtsmaasische Oberzentrum auf dem Weg des Gladbachs in die Niers nennen.

Die Niers bildet die Wasserscheide zwischen Moeder Maas und Vater Rhein, wie ich in der ehemaligen Klosterschule lernte. Nur dienten meinen Lehrern damals Euphrat und Tigris als Beispiel.

Am vergangenen Mittwoch nun sah ich Körper, die sich beim Gesang wiegten wie Wellen. „Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“, „Der Himmel geht über allen Auf, auf alle über, über allen auf.“

Zwei Hände tauchten auf, wo beim Einzug sich das Kreuz erhob. Bilder, die so viel mehr sagen können als Worte. Worte.

Und dann fassten wir uns alle an den Händen und sprachen gemeinsam das Gebet, das Jesus uns gelehrt hat: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name …“

Die Priester und Schwestern, die das Brot verteilten, bahnten sich ihren mühsamen Weg durch die Gemeinde und bald darauf verließen wir alle das Gotteshaus. Hinter Eddy Sarg bildete sich eine lange Schlange.

Die Polizei sperrte die Straßen, in voller Breite begleiteten unzählige ihren Eddy auf seinem letzten Weg hinunter vom Abteiberg zu seiner letzten Wirkungsstätte.

Immer wieder erklangen die Lieder, manchmal auch nur das Summen ihrer Melodie.

Schließlich sollte es noch eine sprichwörtliche Unendlichkeit dauern, bis sich alle von Eddy und seiner Familie am offenen Grab hinter Brandts Kappelchen verabschiedet hatten.

Bemerkenswert die Geduld seiner Familie, vorneweg die seines Bruders, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, wohl allen im Gedächtnis bleiben wird: Eddis Bruder fragte viele persönlich nach ihrer Verbindung zu Eddi. Außerordentlich bewundernswert.

So etwas habe ich noch nie erlebt.

Mach’s gut Eddie!

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