Contergan-Opfer-Renten werden verdoppelt

Hauptredaktion [ - Uhr]

Die Renten der rund 2800 deutschen Contergan-Opfer werden vom 1. Juli an verdoppelt. Der Bundestag beschloss das Gesetz der Koalition am Donnerstag in Berlin einstimmig ohne Aussprache. Die Renten steigen von maximal 545 auf bis zu 1090 Euro im Monat. Der mit 121 Euro niedrigste Betrag steigt auf 242 Euro.

Der Bundesverband Contergangeschädigter begrüßte die weitere Zahlung des Pharmaherstellers 50 Jahre nach dem Medizinskandal als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Trotzdem seien die gesamten Forderungen für mehr Lebensqualität noch nicht erfüllt, sagte die Verbandsvorsitzende Margit Hudelmaier.

Grünenthal-Sprecherin Annette Fusenig sagte, die „moralische Verantwortung“ habe das Unternehmen zu der Zahlung bewogen.
Grünenthal wolle die Lebenssituation der Betroffenen dauerhaft verbessern. Daneben werde sich das Unternehmen auch für eine spezielle medizinische Versorgung der Betroffenen einsetzen. „Ich freue mich sehr, dass das jahrzehntelange, für beide Seiten belastende Schweigen ein Ende hat“, erklärte Grünenthal-Chef Sebastian Wirtz in einer Pressemitteilung. Sein Großvater hatte das Familienunternehmen während des Medizinskandals geleitet.

Der kleinere Bund Contergangeschädigter und Grünenthalopfer sprach dagegen von einer Verhöhnung der Opfer. „Wir haben das Gefühl, dass sich Grünenthal aus den Negativ-Schlagzeilen freikaufen will.“ Die Inhaber-Familie sei an dem Medikament Contergan reich geworden, die Betroffenen lebten dagegen im Elend. 500 Millionen Euro wären seiner Meinung nach ein angemesseneres Zeichen gewesen.

Das Wirkstoff Thalidomid des Medikaments hatte bei rund 5000 Kindern in Deutschland beträchtliche Fehlbildungen an den Gliedmaßen verursacht. Ein Strafprozess war 1970 wegen geringer Schuld eingestellt worden. Laut Opfer-Verband leben heute noch rund 2800 Betroffene.

Die Zahlung von Grünenthal bedeute eine weitere finanzielle Besserstellung der Contergan-Opfer, erklärten die Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU. Mit Hilfe des Geldes sollen die Betroffenen einmal im Jahr ein zusätzliches persönliches Budget erhalten, mit dem die durch Spätfolgen verursachten Beeinträchtigungen finanziell gemildert würden.

Grünenthal hatte nach der Katastrophe rund 50 Millionen Euro in die Conterganstiftung eingezahlt, ebenso der Bund. Der Vermögensteil für die Rentenzahlungen ist seit 1997 aufgebraucht. Die Renten werden seitdem aus Mitteln des Bundeshaushalts bereitgestellt.

Die Vorsitzende des Bundesverbands der Contergangeschädigten Hudelmaier sagte: „Unser Ziel haben wir noch nicht erreicht.“ Die Betroffenen forderten weiterhin eine Einmalzahlung von je 100 000 Euro, eine Verdreifachung der Entschädigungsrente und eine Regelung der Rente. Viele müssten wegen ihrer Behinderung früher in Rente gehen und hätten dadurch finanzielle Einbußen.

Der von der ARD im November 2007 ausgestrahlte Film „Eine einzige Tablette“ um den Contergan-Skandal hatte eine Diskussion über die Lebenssituation der Betroffenen ausgelöst. Einen Monat später hatte es ein erstes Treffen zwischen Firmenchef Sebastian Wirtz und den Betroffenen gegeben. (dpa)

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