Et incarnatus est: Anja Kaftan im 2. Städtischen Chorkonzert

Red. Theater [ - Uhr]

Wer gedacht hatte, am 16.02.2011 in der Rheydter Hauptkirche ein Chorkonzert zu besuchen, lag nicht ganz richtig. Die zeitliche Beteiligung des Chores am rund zweistündigen Programm betrug ca. 30 Minuten. Nun gut, man gab hier zwei neuverpflichteten Künstlern die Gelegenheit, sich vorzustellen. Dies gelang nur bedingt.

Andreas Fellner zeigte sich bei der Wiedergabe der Maurerischen Trauermusik von Mozart als präsenter, geschmeidiger Interpret. Präziser Schlag, gute Tempowahl, gute Dynamik.

Übrigens ein sehr schönes, viel zu kurzes Werk, das Mozart nach der Sage von Hiram, einem Freimaurermeister für die Freimaurerloge, für diese komponierte und später nach dem Tod zweier Freimaurer neu bearbeitete. Freimaurersymbolik findet sich hier überall.

Er bewies im Übrigen sehr viel Gelassenheit, als er nicht den Taktstock erhob, bevor das Publikum ruhig wurde. Dazu gehören Nerven.

Dann erklang Schuberts 6. Sinfonie, C-Dur. Ein Stück von fast unbekümmerter Musizierfreudigkeit, wunderbare Gegenüberstellungen der Bläsergruppen, Brillanz, Gemütlichkeit des alten Wiens. Alles kann man hier hören. Rossinis und auch Haydns Einfluß ist hier nicht zu überhören.

Die Wiedergabe der Schubert-Sinfonie gefiel mir außerordentlich. Schöne Zeitmaße, gutes Zusammenspiel der Instrumentengruppen, wie auch schon bei Mozart brillante Bläser.

Die hohen Streicher gefielen nicht so gut, es klang von meinem Platz aus manches hart und schrill. Dies ist dem hoch begabten Dirigenten nicht anzulasten.

Ja, und dann die c-moll Messe von Wolfgang Amadeus Mozart.

Ich traute meinen Ohren nicht, welche Lautstärken hier serviert wurden. Steht hier überall in der Partitur ein Forte?

Das Kyrie steht in c-moll, einer düsteren Stimmung, davon war nichts zu hören. Als Gegensatz hierzu sollte das Es-Dur beim Christe stehen, dessen Sopran-Solo von Anja Kaftan strahlend schön gesungen wurde.

Im Gloria gefiel mir der jubelnde Klang des Chores gut. Aber warum wurde, wie es hier deutlich wurde, von Chor und Orchester so gehackt, in allen Chorstellen dann auch zu hören?

Ist das ein neues Mozart-Verständnis?

Das Laudamus te wurde von Debra Hays interpretiert. Die ganze Partie lag für sie viel zu tief.

In der Tessitura bestimmt eine ganze Terz. Infolgedessen hörte ich Intonationsprobleme, die ich bei dieser so hochmusikalischen Künstlerin sonst nicht kenne. Hätte man hier nicht besser einen Mezzosopran eingesetzt?

Im Domine störte es mich, daß der zweite Sopran lichter klang als der erste. Musikalisch war es sehr schön. Hier sei mir die Frage gestattet: Wer kam auf die Schnapsidee, die Solisten in die qualvolle Enge hinter dem Orchester zu postieren ?

Im Qui tollis überraschten mich die schönen Decrescendi des Chores, die ein wenig von der Verzagtheit dieses Satzes brachten. Leider war dann aber das Zurückgehen schon zu Ende.
Die Pianissimi bei den Worten miserere suscipe, miserere nobis kamen nicht.

Das Quoniam – Terzett kam leichtfüßig und schön. Leider hörte man vom Tenor hier sehr viel weniger als bei seinem Einsingen in der kurzen Pause (Sakristei).

Im Credo geschah nun nach dem Choreinsatz das Wunder des Abends. Anja Kaftan sang das Herzstück der Partitur, das „Et incarnatus est“.

Wie perfekt wurde sie technisch dem Stück gerecht, wie verlieh sie dem Geheimnis der Geburt Christi Ausdruck und Nachdruck. Eine Meisterleistung, zumal sie auf hoher Ebene durch Flöte, Oboe und Fagott ein Mitmalen der Stimmung erfuhr.

Im Benedictus trat zu den bereits genannten Solisten der Bassbariton Hayk Dèinyan, der balsamische Töne sang.

Facit des Ganzen:

Eine herausragende Sopranistin, ein Chor, der sicher und präzise, aber stets zu laut und nicht immer klangschön sang. Das Orchester hatte hier nicht die Klasse, die es doch sehr oft demonstriert!

Wer kam auf die Idee, die Responsorien vom Tenor singen zu lassen? Es handelte sich doch um eine Konzertaufführung, nicht um eine katholische Messe.

Mit der Auffassung von Frau Benyumova kann ich mich nicht identifizieren. Es klang für mich vieles zu oberflächlich. Ihr Schlag ist sehr präzise, aber immer gleich. Die Stimmungen dieses großartigen Werkes konnte sie auf mich nicht übertragen.

Das Publikum fand den Abend, nachdem es wohl vor dem Anfang des Konzertes um ca. 19.55 noch zwei Geiger bemerkt hatte, die ihren Plätzen im längst sitzenden Restorchester zustrebten, in der Pause dem Einsingen des Tenors gelauscht hatten, Frau Benyumova und die Solisten nicht auftauchten und das Publikum klatschte, wohl gut, und applaudierte zum Schluß heftig.

Eine Frage sei noch gestattet: Haben wir in Mönchengladbach schlechte Chöre? Warum mußte hier ein Chor aus Oberpleis verpflichtet werden, und wer bezahlt das?

Aber: Et incarnatus est und Frau Kaftan, dafür hat es sich gelohnt. Bravissimo.

Herbert Rommerskirchen

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