Umwerfende Aufführung der Operette „Die lustigen Nibelungen“ im TiN

Red. Theater [ - Uhr]

Wieder einmal etwas, unverständlicherweise Unbekanntes, war im TiN zu hören und zu sehen: Oscar Straus Operette „Die Lustigen Nibelungen“ waren wirklich vom ersten bis zum fast letzten Moment eine Ohren- und Augenweide und eine Strapazierung des Zwerchfells. Lachstürme und ständiger Zwischenapplaus der Dank des Publikums.

Schon nach der schmissig gespielten Ouvertüre gings los.

Beim Anblick der wunderbar singenden und spielenden Eva Maria Günschmann wurde dank einer sehr guten Arbeit der Maske die Ähnlichkeit mit dem Portrait der Cosima Wagner deutlich. Ein großartiger Einfall. Dies ging für den aufmerksamen Betrachter weiter auf der Bilderwand.

Zum Portrait des Supertenors Jonas Kaufmann (Plattencover zu seinem Album „Sehnsucht“) schielte Herr Westerwelle hinüber. Kaufmann ist ja nicht nur der vielleicht beste Tenor, der musikalischste dieser Zunft, sondern auch noch ein sehr gut aussehender Mann.

Verständlich, dieses Rüberschielen!

Daneben das Bild Bismarcks, dem doch wohl die Maske des Helden Volker nachempfunden war, der großartig wie immer von Luis Lay verkörpert wurde.

Ein Regieeinfall jagte den anderen. Eine irre Leistung, zumal ja die musikalische Seite der Aufführung nicht durch die quirlige Bühnendarstellung beeinträchtigt wurde.

Bühnenbild und Kostüme einfach zum Quieken! Und das Alles, Regie, Kostüme und Bühnenbild aus einer Hand. War es deshalb so stimmig und schön? Einfälle des Regisseurs Hinrich Horstkotte rissen uns immer wieder hin.

Wenn z.B. Kriemhild nach der einzigen Stelle, die verwundbar ist, sucht, kommt sie nicht etwa zur Lindenblatt-Pos. zwischen den Schulterblättern, sondern dahin, wo der Rücken aufhört, einen anständigen Namen zu führen. Dorthin wird dann auch gestochen, Siegfried stirbt natürlich nicht, wir sind ja in einer Operette, sondern beklagt sich, daß er tagelang nicht sitzen konnte.

Solche Pointen folgen Schlag auf Schlag.

Alles, was den alten Germanen und auch den neuen heilig war und ist, wird hier aufs Feinste veräppelt. Manch schöner Sprachwitz geht durchs Lachen natürlich leider unter.

Zu den Leistungen der Darsteller kann man hier nur sagen: „Grandios“! Jeder, aber auch jeder brillierte in seiner Rolle.

Michael Kupfer, wie immer famos singend und seinem Affen schauspielerisch Zucker gebend, den Schwächling Gunther äusserst glaubhaft darstellend,

Eva Maria Günschmann als Cosima – Parodie mit großartigen Tönen, Hayk Dèinyan mit balsamischen Tönen den Papa Gunthers, Luis Lay den Helden Volker in jeder Sekunde intensivst als Nicht-Helden, mit allen Attitüden des Klasse –Spieltenors ausstattend, lebhaftester Mimik , Balletteinlagen, zum Schluß sogar ein Gran Jeté Sprung , der sich sehen lassen konnte.

Warum muß man hier aus dem Publikum Unmutsäußerungen hören, daß sein Vertrag nicht verlängert würde, weil man in der kommenden Spielzeit keine Aufgaben für ihn habe?
Eine etwas seltsame Darstellung: „ Me and my Girl“, in dem er doch die Hauptpartie singt, geht doch in der nächsten Spielzeit nach Krefeld, die Nibelungen ebenfalls.

Das sind doch zwei Hauptrollen, denn hier in den Nibelungen steht doch jeder fast ständig auf der Bühne. Hier meine ich, daß die Intendanz einmal nachdenken solle. Eine Auskunft über den Spielplan der nächsten Spielzeit wurde verweigert.

Hier wäre doch einmal festzustellen, ob für Herrn Lay außer diesen großen Arbeiten nicht etwas noch zu tun wäre. Nach diesem ärgerlichen, aber nötigen Interludium wieder zur Aufführung.

Frau Kuhn war in den kleinen Rollen des Giselher, des Recken und des Vogels zu sehen und zu hören. Hier konnte sie ihr Musical-Können natürlich nicht zeigen. Ein neues Wunder der Verjüngung einer Sopranistin.

Debra Hays als superblonde Kriemhild entzückte wieder durch Aussehen, Spiel und ihre immer frische, mit leuchtenden Spitzentönen prunkende Stimme, herrlich die Duette mit ihrem Siegfriedpartner Christian Zenker, der sich mit schöner Stimme, sehr großer Spielfreude mühelos in diese gewiß nicht so ganz einfache Inszenierung einbrachte. Das Aufjauchzen des Publikums honorierte diese Leistung der Beiden.

Matthias Wippich brachte den Hagen als eine körperlich höchst anstrengende Sache sehr schön über die Rampe.

Janet Bartolova habe ich selten so locker und bravourös spielen gesehen und auch wieder singen gehört. Ihr glaubte man die Walküre durchaus.

Nicht zu vergessen Martin Richter in der Rolle der fetten, etwas „overjarigen“ Reisigen.

Ein echtes komisches Talent .

Alles in allem: Eine Ensemble – Leistung wie sie selten einmal zu erleben ist. Bravo!

Aber was wäre eine so tolle Operette ohne die Leistung des vorzüglich singenden und agierenden Chores (Maria Benyumova) und des, stürmisch gefeierten Orchesters, unter der Leitung des jungen, souverän dirigierenden Kapellmeisters Andreas Fellner?

Der Beifall erreichte für alle Mitwirkenden Sturmstärken. Eine kleine Panne der Tontechnik im dritten Akt sei vergessen.

Wieder einmal ist festzustellen, daß Bekanntes nicht besser ist als Werke, wie die Nibelungen, die durch politische Umstände in ihrer Verbreitung stark beeinträchtigt wurden.
Ein großes Dankeschön für diese Wiederentdeckung an unseren Operndirektor Andreas Wendholz und unser Theater.

Jeder sollte sich diese Nibelungen einmal anschaun und anhören. 2½ Stunden ungetrübtes Vergnügen. Es lohnt sich.

Herbert Rommerskirchen

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