Heine’s „Deutschland. Ein Wintermärchen“ im TIN – eine tolle Aufführung

Red. Theater [ - Uhr]

Um Heines Wintermärchen nachvollziehen zu können, sollte man sich zunächst einige Daten aus seinem bewegten Leben merken.

Als Harry Heine am 19.12.1797 geboren, wuchs er einige Zeit auf der Bolkerstraße in Düsseldorf auf. Immer wieder erinnert er sich später an diese glückliche Zeit und sehnt sich zurück.

Auch damals wurden schon Menschen, die sich als Deutsche fühlten und lebten, wegen ihrer jüdischen Abstammung gehaßt und angefeindet.
Dieses geschah auch bei Heinrich Heine, der 1825 in Heiligenstadt zum Protestanten konvertierte.

Von diesem Zeitpunkt an nannte er sich nicht mehr Harry, sondern Heinrich. Ein Aussenseiter blieb er trotzdem sein Leben lang. Geprägt wurde seine Jugend entscheidend durch den Einzug Napoleons 1811 in Düsseldorf.

Hier wurde eine lebenslange Begeisterung für Frankreich geweckt, zumal er durch die Übergabe des Herzogtums Berg durch den Bayerischen Staat an Frankreich, als Düsseldorfer einen Anspruch auf die französische Staatsbürgerschaft hatte.

Hierdurch ist auch sein Leben in Paris zu erklären, wo er gerne wohnte, aber stets Sehnsucht nach seinem geliebten Deutschland hatte. Beredt zeugt sein Gedicht „In der Fremde“ hiervon.

In Frankfurt hatte er Kontakte zum Freimaurerorden, der eine Menge geistiger und politischer Ideen an den jungen Mann weitergab. Er absolvierte zahlreiche Studien in vielen Städten.

1827 entstand dann das Buch der Lieder, das ja gesprochen oder gelesen schon unglaublich viele Kostbarkeiten enthält. Aber auch viele große Komponisten darunter Brahms, Schubert, Tschaikowsky, Wagner und natürlich Robert Schumann haben Gedichte vertont.

Hier ist vor allem Robert Schumann zu erwähnen, der im Liederkreis op. 24 und besonders in seinem Zyklus Dichterliebe zu Heines herrlichem Text die romantischste, aber die Ironie, die in allen Texten Heines erscheint nachvollziehend, Musik komponierte.

Nur die Politik kann erklären, warum bereits 1833/1835 in Deutschland alle Werke des großen Dichters verboten wurden. Die Nationalsozialisten waren keinesfalls die Ersten.

1843 startet Heine nach zwölfjährigem Exil seine erste Reise in sein geliebtes Deutschland. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris beginnt er mit der Arbeit am Wintermärchen. Das Werk besteht aus 27 Gesängen (Caput).

Heine verknüpft in seinem Werk die Reisebeschreibung mit politischen und philosophischen Betrachtungen. Liebeserklärungen an den Rhein, Land und Leute wechseln mit Spott und Abneigung, Verachtung und Hass gegen Behörden und Militär.

Hier ist es jetzt an der Zeit, in die hervorragende Aufführung des Wintermärchens im T I N zu gehen. Dort passierte etwas, was ich nur selten erlebt habe. Auf der fast nackten Bühne ein darstellender Sprecher, Michael Grosse.

Von der ersten Sekunde an verstand er es durch die Farben des Vortrags, durch ganz wenige Bewegungen, die sich absolut in den Fluß der Sprache einbanden, das gespannt lauschende Publikum in seinen Bann zu ziehen. Ohne Verstärkung, die im großen Saal bestimmt störend gewirkt hätte, war jedes Wort in all seinen Ausdeutungen zu verstehen.

Wie er zum Beispiel süffig bei der Ankunft in Aachen über das preussische Militär, in Köln über die mittelalterlich wirkende Gesellschaft, die rückwärtsschauend den Fortschritt verhindert, den Rhein als alten, grämlichen Mann darstellt, in ganz anderen Tönen über die Schlacht im Teutoburger Wald lästert. Jedes Caput erhält andere Sprachfarben, andere Bewegungen.

Hier könnte man jetzt noch weitererzählen, aber besser ist es, selbst die Aufführungen zu besuchen.

Hier zeigte es sich wieder einmal, daß es, wenn ein großer Künstler die Bühne füllt, kaum der Unterstützung von Kulissen bedarf.

Das Publikum, in absoluter Stille lauschend, spendete langen, herzlichen Beifall, den Abend gottlob nicht mit Bravogeschrei zerstörend.
Ein wunderbarer Abend, nicht nur Heine-Fans, sondern jedem Menschen zu empfehlen, der vielleicht sich einmal in Stille sammeln und entspannen möchte.

Für unsere Schulen sollte ein Besuch dieser Vorstellung ein Muß sein.

Herbert Rommerskirchen

Ein Kommentar zu “Heine’s „Deutschland. Ein Wintermärchen“ im TIN – eine tolle Aufführung”
  1. Als vermutliches Geburtsdatum Heinrich Heines benennen andere Quellen den 13. Dezember 1797. Beispielsweise Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine

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