Der Rosenkavalier in Mönchengladbach: Die Zeit floss zäh und laut

Herbert Rommerskirchen [ - Uhr]

„Die Zeit, sie ist ein sonderbar Ding“ so beginnt der Monolog der Marschallin, der Fürstin  Werdenberg, in der Komödie für Musik  von Richard Strauss,  nach dem Text von Hugo von Hoffmannsthal.

Sonderbar, um bei der Marschallin zu bleiben, es war weder von der musikalischen  Seite noch von Bühnenbild und Kostüm, noch weniger von der Regie, eine musikalische Komödie.

 

Fange ich mit der Musik, d.h. Dirigent und Orchester an.

Da ich wähnte, im Rosenkavalier zu sein, war mir die dauernd zu laute, manchmal  gellende Lautstärke, die es den Sängern schwer machte, hörbar,  geschweige sprachverständlich zu sein,  unverständlich.

Es klang hier nach den lautesten Stellen der Elektra oder auch der Alpensinfonie.

Wie soll so ein Sänger, eine Sängerin den Text von Hoffmannsthal über die Rampe bringen?

Gewiss ist es eine große Orchesterbesetzung die Strauss hier wählt,  inklusive  2  Harfen, die aber in dieser Aufführung nur einmal leicht zu erahnen  waren.

Große Orchesterbesetzung bedeutet aber nicht Dauerlautstärke, oder?

Die Tempi waren mir zu oft fremd.

Die Abstimmung zwischen Bühne und Graben stimmte öfters nicht.

Übergänge im Orchester auch nicht, das Orchester im Schlussterzett-Duett manchmal etwas auseinander.

Erschöpfung? So klang es.

 

Zwischen den Krefelder- und doch schon gar nicht zu den Aufführungen in Mönchengladbach waren doch keine großen Zwischenzeiten, die zu Fehlern hätten führen können.

Fehlten hier neue Proben für einige diffizile Stellen?

Der ganze Abend klang spannungs- und lustlos.

Das kam natürlich durch das ständige Lärmen des Orchesters. Es machte das Zuhören zur Mühsal !

Die wenigen leisen Stellen, wie im Monolog der Marschallin im 1. Akt, waren durch die Marschallin, aber auch vom Orchester, ein Ruhepunkt und Labsal.

 

Hat Herr GMD Mihkel  Kütson kein Verhältnis zum Rosenkavalier, oder überhaupt zu Strauss?

So klang es.

 

Der Rosenkavalier ist doch eine sehr nachdenkliche Geschichte, in der eine alternde, aber noch junge Frau erkennt, dass sie ihren jüngeren Liebhaber nicht halten kann.

Sie genießt die Liebschaft, hat ihre traurigen Momente, weiß aber auch, dass der Nächste kommen wird.

Dann die Geschichte mit der Werbung  durch die „Silberne Rose“ , eigentlich für den „Ochs“ ,da erkennen zwei  junge Menschen Gefühle für einander.

 

Der „Baron Ochs“ möbelt die Geschichte auf, das soll dann die Komödie sein, die hier nicht sichtbar wurde.

Glücklicher Ausgang für das junge Paar in einer der schönsten Szenen, die Strauss vertonte.

Der Verzicht der Marschallin zugunsten der jungen Leute.

Ein überirdisches Duett „Ist ein Traum, kann nicht  wirklich sein, dass wir zwei beieinander sein“, welches hier in seiner Wirkung durch eine wenig empfindsame Regie enorm gestört wurde.

 

Damit zu Bühnenbild und Regie.

 

Ein Bühnenbild das im ersten Akt, dem Schlafzimmer der Marschallin außer einem großen Lotterbett wenig zeigte.

Im zweiten Akt, dem Palais des neureichen Faninal, wurde wohl das Entree mit zwei Türen rechts und links, die, wenn sie mit „D“ und „M“ beschriftet gewesen wären, zu Toiletten hätten führen können, gezeigt..  Als die Mitteltür dieses Entrees aufging, sah man auf eine herunterrutschende Schräge, die mit Blumen belegt war, soll das ein passender, vorbereitender Auftritt für den  „Rosenkavalier“  sein?

Stühle für die beiden jungen Leute, ein Sofa, auf das der“ Ochs“ sich später niederlassen kann.

Das  Wirtshaus im dritten Akt eine Kaschemme, in der ein Adliger, so blöd er auch sein könnte, wohl niemals ein Mädchen zum Zwecke der Entjungferung eingeladen hätte.

Die Kostüme entsprachen diesen Vorlagen.

Noch nie habe ich so etwas gesehen.

Regie, Personenregie,  außer in den Szenen Marschallin – Quinquin, die aber recht fad waren, konnte ich nicht feststellen.

Viel  Umherlaufen auf der Bühne, besonders gefordert wurde hier Frau Günschmann.

Generell zu viele konventionelle Gesten.

Das Beziehungsgeflecht der Darsteller wird wenig herausgestellt.

Die Charaktere der Nebenfiguren? Auch diese sind wichtig!

 

Rühmliche Ausnahme:  Die Besetzung des Polizeikommissars durch Hayk Dèinyan,  der mit beachtlichem Bass und virilem Aussehen im 3. Akt glaubhaft macht, dass die Marschallin sich an ein Techtelmechtel mit ihm erinnert  und ein neues vielleicht kommen sieht.

Abscheulich der Auftritt des italienischen Sängers, war es ein Nachtstuhl, auf dem er hereingefahren wurde?

 

Die herrliche Schlussszene der Oper wurde hier durch Gehampel,  albernes Kindergeknutsche,  absolut von der Musik entfernt und veralbert.

Unverständnis für die Musik hier nur in einem kleinen Beispiel:

Der kleine Mohr kommt zum Schluss nochmals auf die Bühne, um ein Taschentuch der Marschallin aufzuheben, das diese verloren hatte, von Strauss perfekt in Musik gesetzt. Hier wurde er zum Vorhangzieher.

So sollte ein Rosenkavalier nicht gemacht werden!

 

Man kann vielleicht die Zeit, in der er spielt, verändern, aber geht das Experiment dann auf?

Die Übertitelung war nötig, um das gesungene Wort (den Text) zu verstehen.

Es wurde deutsch gesungen !

 

Zu den Darstellern:

 

Hier nenne ich zuerst einmal die ungewohnt still angelegte Marschallin, Lydia Easley. Eine in der Darstellung wie im Gesang etwas resignierende Marschallin, die sich nicht durch die Orchesterwogen beirren ließ, sondern mit viel Ausdruck ihre Monologe im Piano, ihr, auch stimmliches Aufbegehren, gegen die Vergänglichkeit gestaltete.

Dann sang sie die herrliche, von allen Sängerinnen der Marschallin gefürchtete  im Piano gesungene „silberne Rose“. Wunderbar!

Da das Orchester sich hier ihr anschloss, kam es zu einem Moment der absoluten Stille im Publikum.

Es ging unter die Haut.

Ihr piano Singen, vor allem bei den vielen Parlandostellen, war nicht mangelnde Stimmkraft, die sie ja später zeigte, sondern Gestaltung, auf die Herr Kütson leider nicht einging . Eine sehr schöne Leistung.

 

Der Quinquin von Eva Maria Günschmann  hatte unter unsensibler  Begleitung  genau so zu leiden wie fast alle Sänger. Zu ständigem Forte verdammt, konnte auch sie, mit genau der richtigen Stimme für diese so schöne Partie, nicht alles zeigen, was sie an Farben, an dynamischen Finessen, an Nuancen, bringen könnte.

Ständige Bewegung, Umherlaufen, ist keine Regie.

 

Die Sophie wurde von Sophie Witte gegeben.

Sie stellte (gemäß Regie ?) dieses junge Mädchen als dumme Gans dar, Füße nach innen gehalten,  mit ungeschickten Bewegungen, entsetzlich kostümiert.

Ihre leuchtenden Höhen konnte sie wirkungsvoll zur Geltung bringen, ihr „Ist wie ein Gruß vom Himmel“  war sehr gut, man hörte endlich einmal  „Himmel“, oft wird hier von der Sängerin der Sophie hier  „Hammel“  gesungen. Das ist einfacher.

Herr Kütson dämpfte zwar einmal das Orchester bei den tiefen Lagen der Sängerin, trotzdem war sie kaum zu hören. Schade, denn sie ist doch ein hübsches junges Ding mit einer schönen Stimme. An der Mittellage und der tiefen Lage sollte sie arbeiten.

 

Debra Hays  als Leitmetzerin bot wieder einmal eine perfekte Darstellung.  Auf ihrem Gesicht war alles abzulesen, was eigentlich die  Hauptdarsteller machen sollten.

 

Der Faninal, Hans Christoph Begemann, ein sehr guter Liedersänger, kämpfte, manchmal  mit Erfolg, gegen die unziemlichen Orchesterfluten an.

Nicht seine Schuld, er hat doch eine sehr schöne Stimme, eine gute Gestaltung, sofern sie hier zu erkennen war, zu bieten.

 

Der „ Ochs“, Matthias Wippich, tat sein Bestes, wurde aber von der Regie  humorlos, nur polternd, geführt. Keine der Möglichkeiten, ihn als verlotterten, aber von edler Abkunft stammenden, Mann zu zeigen, wurden genutzt.

Stimmlich wurde er seiner  Partie durchaus gerecht. Er brauchte hier ja keine Linie, keine Legato-Phrasen zu singen.

Hier hätte doch der Diener Leopold, der dauernd Schnaps einschenken musste, einmal selbst einen Schluck aus der Flasche nehmen sollen, da wäre vielleicht einmal gelacht worden.

 

Die Nebenrollen  wurden auf durchaus  hohem Niveau gebracht.

Für  Lydia Easley. Eva Maria Günschmann, Sophie Witte gab es sehr reichen, verdienten Beifall.

 

In der ersten Pause verließen einige Zuschauer das Theater, in der zweiten Pause waren es etliche mehr.

 

Fazit:

Ein Rosenkavalier, den doch viele Zuschauer lieben, die an diesem Abend jedoch verständnislos, ermüdet und zornig das Theater verlassen haben.

 

Besuchte Vorstellung: 19.2.2016

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