Humperdincks Oper Hänsel und Gretel in einer spritzigen Aufführung mit tollen jungen Sängern im Stadttheater zu Rheydt [mit Video-Trailer]

Herbert Rommerskirchen [ - Uhr]

Hänsel und Gretel, das Märchen der Gebr. Grimm ist, wenn man es liest, eine überaus grausame, für Kinder kaum geeignete Literatur.

Früher wurden solche Märchen als Erziehungsmethode für schwer zu erziehende Kinder verwendet.

 

Da kam die Schwester Engelbert  Humperdincks, Adelheid Wette, auf die Idee dieses Märchen so umzuschreiben, das der Text , die Handlung,  für Kinder geeignet ist.

Dieses gelang ihr nur bedingt, alle Grausamkeiten lassen sich nicht übersehen.

 

So kam der Regisseur Giancarlo del Monaco, der Sohn des großen italienischen  Tenors Mario del Monaco, auf die Idee, die Oper als Pädophilen-Drama zu gestalten.

Es ist eine sehr provozierende Sache, die dann in Erfurt gezeigt wurde.

Es gab einen Skandal und ausverkaufte Häuser.

Er schöpfte die Mehrdeutigkeit des Librettos so aus, das es Menschen aus dem Publikum übel wurde.

Hier die Frage, sollte ein Märchen, auch wenn del Monaco nichts gegen den Text gemacht hatte, so auf die Bühne gebracht werden?

Ich hatte die Gelegenheit bei einer Regiearbeit des Künstlers (Troubadour) in der Arena von Orange als Chorist mitmachen und mich mit ihm unterhalten zu können.

Es war hochinteressant, auf meinen Hinweis, dass Humperdincks Musik das aber nicht aussage, reagierte er mit dem netten Wort „typisch Bachsänger“ .

 

Damit zur Aufführung vom 7.12.2016 im Theater zu Rheydt.

 

Es war eine schwungvolle Aufführung, die  keinerlei  Leerlauf hatte.

Der Regisseur Hinrich Horstkotte hatte sich nach der Operette „Die lustigen Nibelungen“  die hervorragend gelang und „Hoffmanns Erzählungen“ die weit weniger gelang, hier wieder einmal etwa Besonderes einfallen lassen.

Zunächst einmal das Bühnenbild, das, wenn man es nicht aus der Sicht des Textes, der Musik, betrachtet, hervorragend ist.

Der Ofen der Hexe, seltsamerweise schon im Vorspiel auf der Bühne, verändert sich zum Haus der Besenbinderfamilie.

Die Besen verwandeln sich in den Wald, ein netter Einfall, der aber nicht überzeugen kann.

Der Wald, der doch im Stück eine wichtige Funktion hat, verkümmert zur absoluten, stimmungslosen Kulisse.

Das tolle Spiel und das Singen verpuffen hierdurch.

Das Hexenhaus im 2. Akt sah wie ein Märchenschloss aus, sehr hübsch und stimmungsvoll, wie es aus der Unterbühne auftauchte.

Aber auch hier hatten die überdimensionierten Besen eine zu große Funktion.

Eine perfekte Beleuchtung, ebenfalls von Horstkotte, glich jedoch vieles aus.

 

Zur Regie:

Eine perfekte Personenführung!

Was er den beiden Hauptdarstellerinnen, aber auch der Mutter, dem Besenbinder  selbst, der überzogenen Hexe, die hier nur albern, nicht bedrohlich wirkt, abverlangt, ist grandios ausgeführt und erhielt die große Bewunderung des Publikums.

Einfach toll.

Was nun die Figuren der Golems betrifft, kann ich hier nur vermuten.

Handelte es sich hier um die Backfiguren von verflossenen Liebhabern, die die Hexe bei Bedarf mobilisieren kann, oder um Wanderer, die in ihren Ofen gelangten?

Zum Kulissenschieben jedenfalls zu verwenden.

Immer wieder tauchen sie auf. So auch im Wald.

Hier sollten auf der Bühne nur Figuren, die die Nebelschwaden bilden, zu sehen sein, die die Kinder, anders als hier, ängstigen.

 

Zum Musikalischen:

Auf der Bühne hervorragend singende und genauso spielende, weitestgehend junge oder sehr junge Menschen.

Julia Danz als Gretel verbreitete wunderbaren Stimmglanz bis in die höchsten Regionen, konnte schauspielerisch, auch im ständig verlangten Körpereinsatz, absolut überzeugen.

Eine große Leistung der jungen Künstlerin.

Agnes Thorsteins, den Hänsel, kann ich in die Lobeshymne einreihen.

Mit groß dimensioniertem Mezzo, sich perfekt in stimmlicher und darstellerischer Hinsicht dem Singen und Spielen ihrer Schwester Gretel angleichend, bot sie eine genau so tolle Leistung.

Die Duettszenen im 1.Akt sprudelten nur so, die Personenregie  von Horstkotte habe ich bewundert, aber auch die Ausführung durch Hänsel und Gretel.

Der Abendsegen geriet durch die beiden jungen Menschen, dieses Wort brauche ich hier bewusst, zum absoluten Höhepunkt des Abends.

Wunderschön vermählten sich die beiden jungen Stimmen.

Zauberhaft.

Wie schön wäre es gewesen, hier wirklich Engel als Märchenfiguren auf der Bühne zu sehen.

 

Damit bin ich bei Sandmännchen und Taumännchen angelangt.

Was dem Regisseur hier einfiel, sollte verboten werden.

Sandmännchen als Arzt ? , der den Kindern eine Schlafdroge verabreicht,   Taumännchen als eine bizarre Fiktion, einem Alien, verabreicht den Kindern Kaffee und Kuchen?

Versteht Horstkotte hier in diesen Figuren die Knusperhexe?

Gesanglich konnte Frau Kuhn den beiden Kurz- Partien nicht gerecht werden.

Diese sollten sie, wie es früher auch in Mönchengladbach üblich war, vom 1. Fach gesungen werden.

 

Das Elternpaar, die Besenbinder, wurden von Maren Schäfer und Shinyoung Yen hervorragend gebracht.

Maren Schäfer kannte ich bisher nicht. Sie sang und spielte die Mutter.

Als Haussängerin wird sie im Jahresheft nicht aufgeführt, als Gast nicht bezeichnet.

Schauspielerisch auf hohem Niveau verkörperte sie die Mutter glaubhaft, macht ihren Zorn, ihre Resignation und ihren Kummer deutlich.

Ich hörte eine junge, noch lyrische, zum jugendlich-dramatischen Fach tendierende Stimme, die sie fabelhaft, mit klingenden Spitzentönen perfekt einsetzte.

Den Namen sollte man sich merken.

 

Der Sänger des Vaters, Shinyoung Yen, vor der Vorstellung als indisponiert entschuldigt, hätte besser nicht gesungen.

Man hörte deutlich, welche Mühe  ihm die Tonproduktion machte und wie es schmerzte. Ich hatte mich sehr auf diese wunderbare Stimme gefreut.

Gespielt hat er vorzüglich.

 

Wie kann die Leitung des Theaters so etwas machen? Hat man keinen understudy?

Standen Herr Bruck und Herr Schwärsky nicht zur Verfügung?

 

Ach ja, die Knusperhexe, von der Regie zu einer komischen Nummer gemacht, die Bösartigkeit, die Häßlichkeit ihrer Gesinnung kamen hier nicht zum Vorschein.

Zur Vorstadtwitzfigur degradiert, konnte selbst Debra Hays das nicht retten, ich habe sie noch nie so schlecht gesehen und gehört.

Eine schlechte, klirrende Tonverstärkung machte peinlich deutlich, dass eine Koloratursängerin eine solche Partie nicht singen sollte.

In der Lederkleidung hätte sie eine gute Domina abgegeben.

Besetzungsbüro ?

 

Der Kinderchor, die Theaterspatzen, war weder gut anzusehen noch anzuhören.

Den Chor, den es doch in dieser Oper nicht gibt, hier, einstudiert von Maria Benyumova,benannt, habe ich natürlich nicht gehört.

Mit den Kindern arbeitet doch Frau Seefing.

 

Zum Schluss nun Dirigent und Orchester.

Offengesagt, so schlecht habe ich das Orchester selten gehört.

Donnernde Fortissimi, gellende hohe Holzläser; hat Humperdinck nur diese Lautstärken geschrieben?

Dabei fing es so schön mit den Blechbläsern an. Aber immer lauter wurde es.

Konnte der neue Dirigent, Diego Martin Etxebarria, das Orchester nicht zügeln oder war es von ihm so gewollt?

In seiner Vita ist nachzulesen, dass er an großen Häusern gearbeitet hat.

Da kann man ein Orchester größer im Klang dimensionieren. Hier war es fast schmerzhaft.

Eine Sitznachbarin beschwerte sich darüber, dass von der Bühne kein Wort zu verstehen wäre.

Dies lag gewiss nicht an den Sängern, sondern am zu lauten Orchester.

Der Beifall im ausverkauften Haus war sehr stark und herzlich.

Die wie immer kreischende und schreiende Claque hätte man sich sparen können.

 

Zum Schluss aber noch ein Wort.

Das Vorstehende bin ich als Kritiker zu schreiben verpflichtet.

Als Zuhörer, der abschalten kann, habe ich trotzdem  den Abend genossen, habe lustvoll  vielem Guten zugehört und zugesehen.

 

Einen Besuch kann und muss ich unbedingt empfehlen; hier ein Eindruck davon:

 


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