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Roberto Zucco, ein beklemmendes Stück in großartiger Regie und mit hinreißenden Schauspielern

logo-theater-bzmgVerdammt schwere Kost war es, was uns da im Theater geboten wurde. Ein Stück über einen Täter ohne Tatmotive, ohne Antworten auf das, was  jeder, der dieses Werk des französischen Autors Bernard-Marie Koltès sieht.

Eine Entschlüsselung des Ganzen findet nicht statt.

Wie bekannt ist, sah er ein Fahndungsfoto des jugendlich schönen Mörders Succo  in der Metro in Paris. Ein schöngeistig (?) veranlagter Killer ohne jedes Schuldbewusstsein.

Er tötet den Vater, die Mutter dann auch noch, nachdem sie ihn verflucht und so ganz nebenbei die Kleider eines Halbstarken nicht herausrücken will.

Er mordet auf seiner Flucht weiter, bis er schließlich ein Kind umbringt und mit dessen Mutter ein zweckgebundenes Verhältnis eingeht, er will ihren Wagen und Geld, um wieder fliehen zu können. Sie wird Ihm hörig.

Wieder wird er erwischt, kann entfliehen, man fasst ihn dann wieder. Schließlich sucht er wieder zu entkommen, meint fliegen zu können und stürzt in den Tod. 

Er fühlte sich selbst als unverwundbar , weil er meint, den Tod schon überwunden zu haben.

Koltès sieht ihn als Poet, wildes Tier, Philosoph und Künstler.

Dazu konnte es wahrscheinlich nur kommen, weil er mit HIV infiziert war, wahrscheinlich auch Jean Genet (Querelle etc.) gelesen hatte.

Er sieht hier das Leben eines jungen Menschen in seiner ganzen erfahrbaren Breite.

Um diesem Werk sich nähern zu können, gilt es, eine Akzeptanz zu diesen Vorstellungen des Autors zu haben.

In der äußerst schlüssigen Inszenierung von Christoph Roos, dem tollen Bühnenbild , bei dem endlich einmal richtig die Drehbühne eingesetzt wurde, von Peter Scior, den stimmigen  Kostümen von Sonja Albartus und der nie aufdringlichen Bühnenmusik von Markus Maria Jansen, konnten unsere Schauspieler, gefordert bis zum Letzten, wieder einmal mehr ihre Qualitäten beweisen.

Alle boten sie ihr Bestes, und das ist sehr viel.

Allen voran der Darsteller der Titelpartie, Cornelius Gebert. Was er hier zu leisten imstande ist, geht dem Zuschauer unter die Haut. Die ganze, ihm nicht bewusste Brutalität, den Drang zum Kampf und zum Töten, spielt er aus. Die wenigen Momente einer Zärtlichkeit, der Sehnsucht nach menschlicher Nähe, kommen ganz selten an die Oberfläche.

Am stärksten vielleicht  in der Metro-Scene mit dem wunderbaren Joachim Henschke.

In den Konfrontationen mit dem Mädchen, Helen Wendt, die ihn liebt, obwohl er sie vergewaltigt hat, bereit ist, alles für ihn zutun, sehr schön dargestellt, bleibt er immer der Macho, der nur den Sex braucht.

 Auch in den Zusammenstößen des Mädchens mit ihrer Schwester, der fulminant agierenden Esther Keil, dem hervorragenden Bruder von Felix Banholzer, der leicht trunkenen Mutter von Eva Spott, die auch später überzeugend die elegante Dame war, dem alkoholsüchtigen Vater von Adrian Linke, ist Helen Wendt immer überzeugend.

Alle kleineren Rollen waren erstklassig besetzt, herrlich Ronny Tomiska als Transvestit im Minikleid und auf Stöckelschuhen.  Wunderbar Marianne Kittel als Mutter, die ihn nicht mehr will (oder doch?), und als Chefin des Bordells.

 Etwas hätte man doch kürzen sollen,  nach der Volksszene wirkten die Monologe nicht mehr so ganz.

Alles in Allem ein große Vorstellung eines schwierigen Stückes, das in dieser Inszenierung großen Beifall auslöste. Wo blieben denn hier die ewigen Kreischer und Pfeiffer?

Waren sie etwa auch gefangen? Eine Wohltat!

Ein beklemmend guter Abend.

Sehr zu empfehlen.

Herbert Rommerskirchen