BGH-Entscheidung: Kommunale Unternehmen müssen antworten • Öffentliches Informationsinteresse wiegt mehr als „Geheimhaltung“

Bernhard Wilms [ - Uhr]

[13.05.2017] Insgesamt ist die Stadt Mönchengladbach mittelbar oder unmittelbar mehrheitlich an etwa 20 privatrechtlichen Unternehmen beteiligt, die zur Auslagerungen / „Outsourcing“ kommunaler Aufgaben gegründet wurden.

Gerne sprechen die Verwaltungsspitze und „führende“ Politiker sachfern vom „Konzern Stadt Mönchengladbach“.

Die „Hochzeit“ der Auslagerung von Verwaltungsteilen mit Aufgaben zur Daseinsvorsorge in privatrechtliche Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung fand immer auf Initiative und unter der Federführung der CDU und meist mit Beteiligung der SPD oder „SPD-Abtrünniger“ (in die USD) statt.

Immer verbunden mit

  • der nie bewiesenen Argumentation, privatrechtliche Gesellschaften könnten dieselben kommunalen Leistungen kostengünstiger erbringen als die entsprechenden Verwaltungsorganisationen,
  • der Schaffung hochdotierter Geschäftsführerposten für „altgediente“ Parteipolitiker und/oder Verwaltungsmitarbeiter,
  • Entscheidungsverlagerungen in nicht öffentlich tagende Aufsichtsgremien und der damit bewusst unterbundenen Transparenz für Rat, Bürger und Öffentlichkeit und
  • der Weigerung von Geschäftsführungen und Aufsichtsgremien, über die „Pflichtangaben“ hinaus weitere Informationen, insbesondere an alle Pressevertreter zu geben.

Gerade Letzterem hat der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr im März 2017 ein vorläufiges Ende gesetzt, wonach privatrechtliche Unternehmen Journalisten Auskünfte erteilen müssen, wenn die Unternehmen mehrheitlich im Eigentum der öffentli­chen Hand sind.

Mit der Entscheidung sind diese kommunalen Unterneh­men als „Behörden“ im Sinne des Landespresserechts einzuordnen.

Bis zu dieser höchstrichterlichen Entscheidung hatte ein Journa­list jahrelang vor Gerichten darum gekämpft.

Er wollte von einem kommunalen  Versorgungsunterneh­men wissen, ob es in den Jahren 2010 und 2013 Wahlkampfblogs der SPD mit­finanziert hat.

Der Journalist hatte für seine Recher­chen Auskünfte von dem Kommunal­unternehmen, einer Aktiengesellschaft, eingefordert und sich dabei auf das Lan­despressegesetz NRW berufen.

Die Mehrheit der Aktienanteile dieses Unter­nehmens wird von Kommunen gehal­ten.

Das Unternehmen habe jedoch die Auskunft verweigert und sich dabei un­ter anderem darauf berufen, dass es kei­ne Behörde, sondern eine Aktiengesell­schaft sei.

Das Landgericht Gelsenkirchen wies die Klage des Journalisten 2013 ab.

Gegen diese Entscheidung legte der Journalist Berufung ein und bekam im Dezember 2015 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm Recht.

Das OLG Hamm verurteilte das kommunale Unternehmen 2015 zur Aus­kunftserteilung.

Das Gericht stellte fest, dass das kommuna­le Unternehmen eine Behörde im pres­serechtlichen Sinn sei, weil es von kom­munalen Aktionären beherrscht und von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseins­vorsorge eingesetzt werde.

Der Verdacht des Klägers, die Beklagte habe über Zahlungen an Unternehmen die Wahlkämpfe der SPD verdeckt finan­ziert, sei nicht von vornherein haltlos.

Die Aktiengesellschaft könne die Auskunft nicht unter Verweis auf schützenswerte Geschäftsgeheimnisse verweigern.

Diese Auffassung wurde nun vom BGH bestätigt.

Die Richter stellten klar: Sobald sich mehr als die Hälfte der Anteile eines privatrechtlich organisierten Unternehmens im Eigentum der öffentlichen Hand befinde, bestehe eine Auskunftspflicht gegenüber der Presse.

 Auszug aus dem Landespressegesetz NRW (Stand: 06.05.2017)

In ihrer Entscheidung wiesen die Richter zugleich daraufhin, dass dem Informationsinteresse des Klägers ein größeres Gewicht zukomme als dem Interesse der Beklagten und der betroffenen Dienstleistungsunternehmen an der Geheimhaltung der Vertragskonditionen.

Im Hinblick auf die sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel und die politischen Aktivitäten eines kommunal beherrschten Unternehmens bestehe ein gewichtiges öffentliches Informationsinteresse.

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Diese BGH-Entscheidung dürfte auch Auswirkungen auf die Auskunftsersuchen über das Portal „Frag den Staat“ haben.

Vielfach wurden bislang Auskünfte mit dem Hinweis auf „schützenswerte Geschäftsgeheimnisse“ verweigert.

Über dieses Portal kann jeder Bürger, also auch Journalisten und Politiker, Anfragen an z.B. Kommunalverwaltungen stellen.

Informationsfreiheit: Internet-Plattform „Frag den Staat“ legt Jahresbericht 2016 vor • Noch nehmen zu wenige Bürger ihre Informationsrechte wahr

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Für Mönchengladbach hat die höchstrichterliche Entscheidung darüber hinaus auch Auswirkungen auf die Informationspolitik der „mags“.

Diese AöR nicht nur kein privatrechtliches Unternehmen, sondern sogar eine Behörde im engeren und weiteren Sinne ist, auch weil ihr hoheitliche Aufgaben übertragen wurden.

Auch sie dürfte Auskünfte mit dem Hinweis auf „schützenswerte Geschäfts­geheimnisse“ zukünftig nicht verweigern.

3 Kommentare zu “
BGH-Entscheidung: Kommunale Unternehmen müssen antworten • Öffentliches Informationsinteresse wiegt mehr als „Geheimhaltung“”
  1. Bin gespannt wie lange es dauert bis es dagegen eine bürgersichere Firewall gibt, damit die nur zum Zahlen ermächtigten Bürger wieder komplett ausgesperrt sind.

    Da werden sich doch bestimmt Mittel und Wege finden lassen!

  2. Das mag die mags bestimmt gar nicht. Die anderen genauso wenig.

    Nu ist auch noch die schöne Geheimhaltung flöten. 🙂

    Die finden bestimmt neue Gründe uns für blöd zu verkaufen.

    Echt spannend.

  3. Sehr geehrter Herr Wilms,

    für diese wichtige Information sind wir besonders dankbar, da wir das gar nicht so richtig wussten.

    Wir werden diese Informationen weitergeben und künftig von diesem Auskunftsrecht verstärkt Gebrauch machen.

    MfG

    Marianne und weitere Interessenten

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