- BürgerZeitung für Mönchengladbach und Umland 1.0 - http://www.bz-mg.de -


Aspekte des Wählens – Teil VII: „Letzte“ Gedanken zur Kommunalwahl • Über Wahlbeteiligung, Fraktions- und Kooperationszwang, Politiker-Gewissen und der Angst von „Etablierten“ vor „Newcomern“

[21.05.2014] Wenn am 25.05.2014 um 18:00 Uhr die Wahllokale geschlossen haben, ist die Zeit des Spekulierens vorbei. Dann wird fest­stehen, wie sich Bezirksvertretungen und Rat zusammensetzen und welche der 10 Kandidaten für das OB-Amt am 15.06.2014 in die Stich­wahl dürfen oder müssen – je nach Sichtweise.

Dann wird auch klar sein, wie viele Mönchengladbacher Wahlberechtigte ihr Wahlrecht wahrgenommen und wie viele darauf verzichtet haben.

Nicht zu ermitteln wird sein, warum der Einzelne sich nicht beteiligt hat und ob die Rechnung derer aufgegangen ist, die meinten, dass sich die Wahlbeteiligung der gleichzeitig stattfindenden Europawahl durch die Kommunalwahl erhöhen werde.

[1]Mit nur 45,5% Wahlbeteiligung im August 2009 stagnierte die Wahlbeteiligung seit 1999 faktisch. Nicht anders bei den Europawahlen im gleichen Zeitraum. Nach 1999 (37,3%) verzeichnete man 2009 nur noch 35,2%.

Und das, obwohl es Aufrufe zuhauf gibt, zur Wahl zu gehen.

Allein – der Europawahlkampf dürfte kaum dazu angetan sein, das Wahlinteresse zu steigern. Er findet schlichtweg kaum statt … denn Europa scheint so weit weg.

Dabei gibt es Themen, die mit Blick auf die ureigensten Belange der Wähler durchaus geeignet sind, auf ein reges Interesse zu stoßen und Grund für berechtigte Ablehnung bieten.

Die möglichen Folgen der Geheimverhandlungen und deren de facto Unumkehrbarkeit (!) zu TTIP (mit den USA) [2]und CETA (mit Kanada) [3]betreffen vor allem (De-) Regulierungen im Verbraucher-, Umwelt-, Arbeitnehmer- sowie Datenschutz und Finanzdienstleistungssektor.

Hinzu kommt TISA, Trades in Services Agreement (Vertrag zum Handel mit Dienstleistungen) [4], das parallel zu TTIP und CETA (wie nicht anders zu erwarten) ebenfalls streng geheim und selbstverständlich ohne Beteiligung nationaler Parlamente, verhandelt wird.

Dafür soll TISA eine noch höhere Priorität als die anderen Abkommen haben.

Das Gefährdungspotenzial für unsere Demokratie kam erst durch Leaks und massive Bürgerproteste nach und nach ans Tageslicht, so dass sogar beide Spitzenkandidaten (Martin Schulz und Jean Claude Juncker) der größten politischen Lager auf EU-Ebene in der gestrigen „ARD-Wahlarena“ zu erkennen gaben, dass auf europäischem Boden nur die jeweiligen Gerichtsbarkeiten zuständig wären.

Damit erteilten sie – für den „Wahlmoment“ – den von den USA geforderten außergerichtlichen „Gerichtsbarkeiten“, die nichts anderes als privat-organisierte ad-hoc-Schlichtungsstellen hinter verschlossenen Türen sind, eine Absage.

Eng damit verbunden ist u.a. auch die Einfuhr genmanipulierter Produkte.

Hier hatte sich die Bundesregierung in EU-Gremien in den letzten Jahren der Stimme enthalten.

Sowohl die alte in 2009 (Genmais-Sorte Mon810, 2013 SmartStax – beide Male unter Ilse Aigner, CSU), als auch die neue in 2014 (Bt-Mais Pioneer TC 1507 diesmal unter Hans-Peter Friedrich, CSU).

Grund dafür war die Pro-Gentechnik-Haltung von Angela Merkel (CDU), die kein „Nein“ duldete und damit eine Ablehnung der Importzulassung von genmanipuliertem Mais in die EU verhindert.

Gestern nun teilt die Deutsche Presseagentur (dpa) mit, die Bundesregierung hätte sich „grundsätzlich auf ein nationales Anbauverbot verständigt“ und sich für eine nationale „Ausstiegsklausel“ eingesetzt.

Dieses inkonsequente Verhalten ist nur schwer nachvollziehbar. Anbau in Deutschland „nein“, Anbau in der EU und Import entsprechender Produkte „egal“.

Auch die beiden Mönchengladbacher Bundestagsabgeordneten Dr. Günter Krings (CDU) und Gülistan Yüksel (SPD) hatten der Stimmenthaltung der Bundesrepublick auf EU-Ebene zugestimmt.

Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Yüksel, sie sei gegen das Einführen gemanipulierter Produkte.

Aber:

Schriftlich erklärte Gülistan Yüksel u.a.: „Es gehört zur parlamentarischen Zusammenarbeit innerhalb einer Koalition, dass Anträge, Gesetzentwürfe sowie weitere politische Positionen gemeinsam entwickelt und nach außen dokumentiert werden. Daran ist auch die SPD-Bundestagsfraktion gebunden.“

Um dennoch ein so genanntes „deutliches Zeichen“ zu setzen, habe sie mit weiteren 70 SPD-Bundestagsabgeordnete zur Abstimmung im Bundestag eine „persönliche Erklärung“ nach § 31 GO (des Bundestages) abgegeben.

[5]Dieses „deutliche Zeichen“ hätte auch mit Zustimmung zum Grünen-Antrag, zumindest aber mit Enthaltung gesetzt werden können, wie 18 andere Abgeordnete aus der „GroKo“ (15 davon aus der SPD).

Soviel dazu, dass Abgeordnete (und Kommunalpolitiker) nur ihrem Gewissen verantwortlich sind.

Auch wenn es in Erklärungen der Parteien immer wieder heißt, es gebe keinen Fraktions- und keinen Koalitionszwang, zeigt dieses Beispiel (und auch Beispiele aus dem Stadtrat), was die Wahrheit ist: Zunächst Rücksichtnahme auf Partei-, Fraktions- und Kooperationsinteressen und dann kommt …. irgendwann der Bürger.

Dabei wird ständig das hohe Lied auf die Befürwortung der repräsentativen Demokratie gesungen, die sich doch ach so sehr bewährt habe.

Da muss man sich nicht wundern, wenn das Vertrauen in die gewählten Politiker geschwunden ist, weiter schwindet und dadurch der Wahlmüdigkeit Vorschub geleistet wird.

Wie oft hört man in diesem Zusammenhang: „Warum soll ich wählen gehen, die machen doch sowieso was sie wollen!“ Und manche „die“ fördern so motivierte Wahlverweigerung, indem sie teilweise unverhohlen ihre inakzeptabe Grundseinstellung äußern: „Ihr habt uns gewählt und … dann können wir machen, was wir wollen“.

Daran ändert auch ein Kommunalwahlkampf wenig und findet vielleicht gerade deshalb „mit gebremstem Schaum“ allenfalls an den Ständen am Rande von Wochenmärkten, auf diversen Podiumsveranstaltungen mit mäßiger „Publikumsausbeute“ und in parteiinternen Zirkeln statt.

Schließlich gilt es, zumindest die „eigenen“ Leute bei der Stange zu halten.

Großveranstaltungen mit Beteiligung von Landes- und Bundes-„Prominenz“, die etwa zum Ziel haben z.B. die OB-Kandidaten zu „promoten“, gab es – wie noch 2009 – nicht mehr.

Waren es 2009 noch Themen, wie „Giesenkirchen 2015“, die L19 und ein genereller „Politikwechsel“ von einer „schwarz-gelben“ Dominanz mit einem „roten“ Oberbürgermeister, der lange Jahre beklagte, keine „eigene“ Mehrheit zu haben und daher nicht das habe „bewegen“ können, was er sich vorstellte, fehlt es 2014 in Mönchengladbach an Themen, die polarisieren.

Themen bei denen sich mindestens die Spitzenkandidaten der vermutlich aussichtsreichsten Parteien aneinander „reiben“ könnten.

Während der eine glaubt, es zu „machen“, setzt der andere auf „neues“ Denken und Handeln, ohne, dass der Wähler erkennen kann, was der eine oder der andere damit konkret meint.

Floskeln und Sprechblasen, wie sie die Wähler nicht nur auf aktuellen Wahlplakaten sondern auch außerhalb von „Wahlzeiten“ immer wieder vernehmen müssen.

Während der eine hofft, „weiter so machen“ zu können, wie in den letzten fünf Jahren, erweckt der andere den Eindruck, dass er in Wirklichkeit gar nicht will. Böse Zungen behaupten sogar, dass man deshalb nicht polarisieren will, weil man im Stadtrat eine große Kooperation anstrebt.

Andere frotzeln gar, dass der Partei mit den aktuell meisten Direktmandaten nichts besseres passieren könnte, als dass der „Macher“ für die nächsten sechs Jahr die Verwaltung führt. Das mache das Durchsetzen von „partikularen Machtinteressen“ noch leichter.

Und das erkennt auch der Mönchengladbacher Wähler und wird sich entscheiden, ob er wählt oder nicht. Oder er denkt daran, eine der „Kleinen“ oder die, die bislang noch nicht im Rat vertreten sind, zu wählen.

Das wiederum wollen die „Großen“ unter allen Umständen verhindern und versuchen das Schreckgespenst „ellenlanger Diskussionen“ in den Gremien an die Wand zu malen.

Sie erklären, dass dies nur durch eine hohe Wahlbeteiligung zu verhindern sei – was rechnerisch durchaus stimmen könnte.

Bei der Kommunalwahl 2009 reichten bei einer Wahlbeteiligung von knapp 46% ca. 1.000 Stimmen, dass eine Partei mit einem Sitz im Mönchengladbacher Rat vertreten sein konnte.

Aktuell sind 9 Parteien/Gruppen im Mönchengladbacher Rat vertreten, drei davon mit nur einer Person. Dass letztere oder die 3-Personen-Fraktionen zu „ellenlangen“ Diskussionen geführt hätten, war in den letzten 5 Jahren nicht festzustellen.

Es waren eher die Selbstdarsteller und Zwischenrufer aus den Reihen der so genannten „Etablierten“, die durch Besserwisserei und „Scheingefechte“ Anlass für mehrstündige Rats- und Ausschusssitzungen boten.

So, wie in der heutigen Ratssitzung, als es darum ging, in welchem Maße 7.000 EURO (bislang unbekannter) Spenden an die Verbraucherberatung auf den fraktionsübergreifend unstrittigen städtischen Zuschuss anzurechnen sei.

Befürchtungen, dass rechtsradikale Gruppierungen eine größere Chance haben, in den Rat einziehen zu können, je weniger Wähler an die Urnen gehen, sind nicht von der Hand zu weisen. Damit muss man angesichts des aktuellen Wahlsystems zurecht kommen.

Andererseits haben durch dieses Wahlsystem aber auch (jüngere) „Newcomer“, die nicht einem extremen Spektrum zuzuordnen sind, die Chance das kommunale Geschehen zu beleben und bunter zu gestalten.

Haben die „Etablierten“ davor Angst? Angst davor, demnächst nicht in ihrem intransparenten „Trott“ weiter ihre Macht- und Interessenspielchen treiben zu können?

Dass eine dominante Presse dabei eine gewichtige Rolle spielt, haben die „Etablierten“ nicht erst seit heute erkannt und nehmen auch dort (un)mittelbaren Einfluss.

Gerne werden auch durchaus noch vorhandene Unzulänglichkeiten von „Newcomern“ hochgespielt, versucht Malheure und neue, kreative Ideen ins Lächerliche  zu ziehen.

Wie groß muss die Angst der „Etablierten“ vor „Newcomern“ doch sein…

Übrigens: Kleine „Etablierte“ werden sich bei der Forderung nach einer höheren Wahlbeteiligung wohl zurückhalten. Denn auch Sie könnte es „treffen“…

 

1 Kommentar (Öffnen | Schließen)

1 Kommentar Empfänger "
Aspekte des Wählens – Teil VII: „Letzte“ Gedanken zur Kommunalwahl • Über Wahlbeteiligung, Fraktions- und Kooperationszwang, Politiker-Gewissen und der Angst von „Etablierten“ vor „Newcomern“"

#1 Kommentar von Brummbär am 24. Mai 2014 00000005 19:51 140096108607Sat, 24 May 2014 19:51:26 +0000

Wie glaubhaft sind die Beteuerungen der Politiker zu TTIP, CETA und TiSA?

Wie im Artikel die Äußerungen von Martin Schulz und Jean Claude Juncker zitiert werden, Achtung!:

„Damit erteilten sie – für den „Wahlmoment“ – den von den USA geforderten außergerichtlichen „Gerichtsbarkeiten“, die nichts anderes als privat-organisierte ad-hoc-Schlichtungsstellen hinter verschlossenen Türen sind, eine Absage.“

Aha, für den „Wahlmoment“ erteilen die beiden eine Absage. Was ist aber NACH dem Wahlmoment!!!

Sorry, das ist Wortklauberei und Ver … lade pur!

Welcher Partei kann man vertrauen? Grüne und Linke sind die einzigen (mir bekannten), die diesen Wahnsinn klar ablehnen.

CDU/CSU, FDP (logo, für die gibt’s nichts Besseres als diesen Schwachsinn!) sind sowieso dafür.

SPD angeblich nur, wenn den Bürgern keine Nachteile erwachsen/drohen. Stimmt das? Wie wollen die Nachteile verhindern? Was sehen die als Nachteile an? Am Ende nicken die auch wieder alles ab.

Am Ende zählt der Fraktionszwang und das war’s für die Bürger.

Was da in Brüssel und Straßburg über die Bürger Europas hinweg entschieden wird, ist einfach nur übel. Das Parlament, das wir Europäer wählen dürfen ist ein zahnloser, teurer Tiger.

Brüssel ist lobbyistenverseucht. Immer mit allerbesten Verbindungen zu den einflussreichen Kommissaren. 30.000 Lobbyisten sollen es sein. Vielleicht mehr. Unwahrscheinlich, dass es weniger sind.

Die wirkliche Macht liegt in Händen der 27 Kommissare plus eines mächtigen EU-Kommissionspräsidenten, die nicht von den Bürgern Europas gewählt werden (!), die die Interessen von Staaten und Lobbyisten massiv fördern und in deren Interessen handeln. Wobei die Lobbyisten noch vor den Staaten stehen.

Beispiele sind Oettinger der Atomfreund, Barnier der Freund von Privatisierung, vor allem des Wassers, Borg der Gentechnik-Fan. So könnte man die Aufzählung fortsetzen.

Klar, dass die glauben, dass sie eine super-tolle Arbeit (z.B. Gesetz für Staubsauger mit geringerer Wattzahl, der allergrößte Schwachsinn ever!, Toilettenspülungen etc.) hingelegt haben. Logo auch vor allem was die Finanz- und Eurokrise anbelangt.

[6]

Was ist eigentlich mit der Finanz- und Eurokrise, die schön unter der Decke gehalten und möglichst nicht erwähnt wird? Vorbei ist die noch sehr lange nicht, wenn die überhaupt jemals wirklich bewältigt wird ohne Super-GAU! Von wegen Erfolg und von wegen „bewältigt“!

Mal sehen, was gerade dazu nach den EU-Wahlen wieder zutage kommen wird. Momentan scheint ja alles prima und sicher im Giftschrank weggeschlossen zu sein. Ganz nach dem Motto: Schweigen ist Gold. Was sogar im wahrsten Sinn des Wortes stimmen dürfte.

Ganz in Ruhe und ohne große Medienberichterstattung geht das Zocken und ungerechte Umverteilen von unten nach oben weiter. Banken und Konzerne (und die Politiker in deren Aufsichtsräten) reiben sich die Hände, die Boni sprudeln wieder üppiger denn je, als gäbe es kein Morgen.

Wen wundert es angesichts dieser „Verhältnisse“, dass die Bürger Europas ein solches Europa ablehnen? Wen wundert das Desinteresse an EU-Wahlen?

Dazu der Euro, der Europa teilt statt eint. Von wegen Frieden in Europa. Den Euro, den die überwiegende Mehrheit der Deutschen (und anderen Europäer?) nicht wollten. Die Politik(er) allen voran Kanzler Kohl wussten und wissen das sehr genau.

Dazu gibt es ein Interview mit dem „Vater des Euro“ Dr. Helmut Kohl, das nur wenige Wochen nach der Währungsumstellung geführt wurde.

Aussage Kohl, Zitat:

„Im Interview räumte Kohl rundheraus ein, bei der Abschaffung der D-Mark gegen den Willen der Deutschen gehandelt zu haben.

Der Grund: „Eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro hätten wir verloren. Das ist ganz klar. Ich hätte sie verloren.“

Wenig später behauptet Kohl auch, dass mehr als eine Zweidrittelmehrheit der Deutschen gegen die Einführung des Euro gestimmt hätte: „Eine Volksabstimmung hätte ich natürlich verloren, und zwar im Verhältnis 7 zu 3.“

Vor allem im Osten, wo erst wenige Jahre zuvor die D-Mark eingeführt wurde, sei die Bevölkerung mehrheitlich gegen den Euro gewesen: „Wir hätten die geballte Macht der PDS dagegen gehabt; im Osten ist das ja ganz unpopulär.“

[7]

Die Menschen Europas, die nicht vom Honigtopf Brüssel profitieren (also die allermeisten!) glauben nicht mehr daran, durch Wahlen an all den massiven Missständen, ausufernden Kosten eines unverschämt kostspieligen EU-Beamtenapparates und eines ebenso teuren Parlamentes etwas ändern zu können. Ist es ihnen zu verdenken, dass sie alle zutiefst misstrauisch sind?

Gegenteilige Beweise sind die Eurokraten schließlich bis heute schuldig geblieben.