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Theoriegeminderte Ausbildung – SPD Mönchengladbach macht sich ein erstes Bild

logo-spd-neu-thbAuf Antrag der Jusos steht das Thema zweijährigen, theoriegeminderten Ausbildung auf der Agenda der Mönchengladbacher SPD für das Jahr 2012.

Dr. Frank Lorenz, bei der IHK Mittlerer Niederrhein für den Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung zuständig, stand den Genossen für ein erstes Expertengespräch zur Verfügung. Lorenz berichtete aus der Sicht von Unternehmen und IHK.

Demnach bietet die theoriegeminderte Ausbildung vielen Jugendlichen eine Einstiegsmöglichkeit in die Berufswelt. Gerade junge, häufig schulmüde Menschen mit einem schlechten Abschluss könnten sich so weiterqualifizieren.

„Viele Betriebe und Ausbilder geben uns die Rückmeldung, dass sich die Jugendlichen in den zwei Jahren in ihrer Persönlichkeit stark weiterentwickeln. Ungefähr ein Drittel bekommt daher anschließend die Möglichkeit, die Ausbildung fortzuführen und somit einen ‚vollwertigen‘ Abschluss zu machen.“

Von den gut 12.000 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen entfallen ca. 17 Prozent auf zweijährige Ausbildungsplätze. Damit liegt Mönchengladbach allerdings über dem Bundesdurchschnitt von gut 10 Prozent.

Angela Tillmann, Unterbezirksvorsitzende, beschreibt das Spannungsverhältnis des Themas: „Letztlich ist es eine Frage der Abwägung zwischen ökonomischen Interessen, dem Wunsch, möglichst jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zukommen zu lassen und dem Anspruch an eine qualifizierte und zukunftsichernde Ausbildung.“

„Die Diskussion hat gerade erst begonnen“, fasst der Vorsitzende der Mönchengladbacher Jungsozialisten, Robert Peters, das Ergebnis der Informationsveranstaltung von Mittwoch zusammen: „Neben dem Blickwinkel der IHK sind wir jetzt natürlich auf die Einschätzung der Gewerkschaften gespannt. Anschließend werden wir eine Positionierung der SPD Mönchengladbach formulieren und als Antrag auf dem Unterbezirksparteitag im Juni einbringen.“

[PM]

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#1 Kommentar von Kerstin Königs am 23. Januar 2012 00000001 21:20 132735365709Mon, 23 Jan 2012 21:20:57 +0000

Die zweijährige Ausbildung gibt es bereits seit 1939.

Sie wurde immer wieder „modernisiert“, um sie an die gerade aktuellen Anforderungen anzupassen. Wirklich durchsetzen konnte sie sich nie.

In den 1950er und 1960er Jahren gab es z.B. Anlernlinge, die lediglich 2 Jahre im Betrieb ausgebildet wurden. Nach Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes wurden solche Ausbildungsverhältnisse 1969 abgeschafft.

Herr Peters wird zitiert: „Die Diskussion hat gerade erst begonnen“.

Vielleicht bei der SPD in Mönchengladbach.

Ansonsten ist dieses Thema seit Jahrzehnten im Gespräch. Nur die Bezeichnung dafür (wie seit ca. 10 Jahren „theoriegeminderte Ausbildung“) änderte sich immer wieder.

Dass Mönchengladbach mit dieser Ausbildungsform über dem Bundesdurchschnitt von 10% liegt, dürfte an der besonderen Situation (sehr hohe Arbeitslosigkeit, viele Leistungsempfänger nach SBG) in Mönchengladbach liegen.

Ob die so ausgebildeten wirklich bessere Chancen auf einen Job bekommen, von dem sie auch ohne weitere staatliche Unterstützung/Hilfen leben können?

Die Gewerkschaften? Die sind alles andere als begeistert. Aber nicht nur die äußern sich kritisch. Dazu einige interessante Textstellen, die in Berichten/Studien unter den jeweiligen Links nachzulesen sind.

DGB 2010: Entwicklung der Anzahl der zweijährigen Berufe

„Zurzeit gibt es 40 zweijährige Ausbildungsberufe darunter zwei 1 ½ -jährige Berufe. Nur bei 23 Berufen besteht die Möglichkeit der Anrechnung bei Fortsetzung der Ausbildung. Von 2004 bis 2009 gab es zehn zusätzliche Berufe von zweijähriger Dauer von denen man sich Ausbildungs- und Beschäftigungschancen erhoffte. Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft in Auftrag gegebene Untersuchung kam 2003 zum Ergebnis, dass jährlich bis zu 22.000 zusätzliche Lehrstellen geschaffen werden könnten. In den zehn zusätzlich seit 2004 geschaffenen zweijährigen Berufen begannen 2009 lediglich 6.088 Auszubildende ihre Einfachausbildung. Laut Berufsbildungsbericht wird im Rahmen der außerbetrieblichen Ausbildung oft in diesen
zweijährigen Berufen qualifiziert. In den neuen Ländern wurden 2009 53,6 Prozent dieser Ausbildungsverträge überwiegend öffentlich finanziert.

Zweijährige Abschlüsse haben wegen des niedrigeren Ausbildungsniveaus und der geringen Ausbildungsbreite deutlich ungünstigere Verwertungschancen auf den Arbeitsmärkten. In der Regel gestaltet sich auch die Einkommenssituation nach der Ausbildung eher schwierig.

Grundlegende Probleme der Benachteiligtenförderung (besonderer Zugang, kleine Gruppen, bessere Pädagogik und Didaktik, mehr Lehrer etc.) wurden bis heute durch die zweijährige Einfachausbildung nicht gelöst. Zum Beispiel findet die Beschulung überwiegend in den Klassen der 3 bis 3 ½ -jährigen Berufe statt. Von Theorieminderung oder gar Förderung ist dort nichts zu spüren…“

[1]

Bericht des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Heft 2, 05, S. 281 21.11.2004,

Titel: Die Chancen zweijähriger Ausbildungsberufe

Auszug: „Wenn die Forderung nach zweijährigen, theoriegeminderten Berufen heute erneut erhoben wird, dann stellt sich zunächst die Frage, wer die Jugendlichen ausbilden soll. Das Handwerk hat zweijährigen Berufen nie ein sonderliches Gewicht beigemessen; zumindest lag ihre quantitative Bedeutung immer deutlich unter der im industriellen Bereich. Das ist verständlich, da erbrachte Ausbildungsleistungen sich nicht nur für das Handwerk insgesamt, sondern in erster Linie einzelbetrieblich rentieren müssen. Wandern ausgebildete Fachkräfte – wie bei Kleinbetrieben nicht eben selten – nach der Lehre ersatzlos in andere Bereiche und Betriebe mit günstigeren Arbeitsbedingungen ab, dann lassen sich Erträge häufig nur während der Ausbildung erwirtschaften. Kurze Ausbildungszeiten schmälern – auch wenn sie gesamtwirtschaftlich kostengünstiger sein sollten, was zu bezweifeln ist – vor allem bei Kleinbetrieben den einzelbetrieblichen Nutzen erheblich. Der Wegfall des dritten und vierten Lehrjahres beschneidet gerade den einträglichsten Teil der Ausbildung.“

[2]

IG Metall 2004 zu diesem Thema:

Anschluss statt Ausschluss – Zweijährige Berufe helfen benachteiligten Jugendlichen nicht.

Auszug: „Niemand bestreitet, dass die Problem- und Konfliktpotentiale in der Jugend (und übrigens nicht nur der) im Laufe der Jahre gewachsen sind. Die Frage nach den Ursachen ist gar nicht so schwer zu beantworten:

30 Jahre „strukturelle Massenarbeitslosigkeit“ können nicht spurlos an den sozial schwächeren Familien vorbei gehen. Dass dies zur sozialen Erosion führt und Jugendliche durcheinanderbringt, bedarf keiner großen Erörterung.

Schulleistungsdefizite können in Anbetracht von Stagnation und Verwahrlosung unseres Bildungssystems, wie sie diverse Studien und OECD-Vergleiche vor Augen führen, kaum überraschen.

Das Ausbleiben einer konsequenten Integrationspolitik für die Migrantenfamilien lässt die Probleme in Schule und Ausbildung bei den ausländischen Jugendlichen notwendiger Weise eskalieren.“

[3]