Bergschäden, unbekannte Risiken des Braunkohletagebaus – Teil II: Recht haben bedeutet noch lange nicht, auch Recht zu bekommen

Walter Düllberg [ - Uhr]

bergschaden-plakat„Bei Bergschäden im Braunkohlerevier hilft die RWE Power gerne weiter.“ Dieser Satz steht genau so bei einem Link www.rwe.com/bergschaeden im World Wide Web. Weiter erklärt RWE:

„Wo die zu entwässernden Bodenschichten einheitlich aufgebaut sind, setzt sich als Folge der Grundwasserabsenkung die Geländeoberfläche, flächenhaft betrachtet, sehr langsam und gleichmäßig und unschädlich für bauliche Anlagen.

Das ist im rheinischen Braunkohlenrevier der Regelfall.“: http://www.rwe.com/web/cms/de/60060/rwe-power-ag/standorte/bergschaeden/

398Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im Braunkohleplan Garzweiler II der am 31. März 1995 genehmigt wurde: Eine Folge der Grundwasserabsenkung ist, dass sich die Erdoberfläche infolge physikalischer Zusammenhänge langsam und kontinuierlich absenkt.

Also alles bestens im Braunkohlerevier am Niederrhein?

Nachdenklich stimmt das: RWE als Verursacher begutachtet die (selbst verursachten) Schäden und entscheidet auch über deren Anerkennung. Sozusagen „alles aus einer Hand“…

Da taucht automatisch die Frage auf: Wie konnte bzw. kann der Gesetzgeber etwas Derartiges zulassen?

Dazu ein Exkurs in die Geschichte des Braunkohletagebaues:

Das Bergbaugesetz stammt aus dem Jahre 1865 (!). Damals noch das „Preußische Berggesetz“.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten und deren unendlicher „Energiehunger“ entrechteten den privaten Eigentümer 1934 komplett.

Teile der Reichsgesetzgebung in den Dreißiger- und Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als „Kriegsertüchtigungsgesetz“ gestaltet, sind auch heute noch Bestandteil des deutschen Bergrechtes.

Bergbauvorhaben und somit dem Bergbautreibenden, räumt dieses ohne gesellschaftliches Hinterfragen oder gar größere juristische Abwägungen Sonderprivilegien ein, die fatale Folgen für die „Rechte“ der Betroffenen und die Natur haben.

Kritiker behaupten deshalb: „Bergrecht bricht Grundrecht“.

1980 wurde dieses antiquierte und vollkommen realitätsferne Bergbaugesetz zum „Bundesbergbau-Gesetz“ (BBergG).

Bedarf zur Reformierung bestand angeblich nicht, denn Rheinbraun (heute: RWE Power) schaffte es, der Politik „zu verkaufen“, dass es im Tagebau-Revier (wie bereits zitiert) keine Bergschäden gibt, da die Bodensenkungen „gleichmäßig“ (!) verlaufen. Nach Einstellen der Sümpfungsmaßnahmen würde sich der Boden ebenfalls wieder „gleichmäßig“ anheben!

Wäre es doch nur so simpel.

Die Politik folgte diesen Ausführungen kritiklos. Mittlerweile wurde die Novellierung des deutschen Bergrechts wenigstens in Angriff genommen. Mit ungewissem Ausgang.

Hauptproblem: Der Braunkohletagebau wird auch heute noch mit dem Argument des „Gemeinwohls und der Notwendigkeit für die Energieversorgung“ im Bergrecht juristisch begründet.

Ohne diese Argumentation wären Enteignungen „im öffentlichen Interesse“, Umsiedlungen, Orts- und Umweltzerstörung rechtlich nicht zulässig.

Nicht mehr zu rettende Häuser werden von RWE aufgekauft und abgerissen. Damit verschwinden sie auch aus der Schadensbilanz, bzw. erscheinen darin gar nicht erst.

Giebel1Schwachstellen in Gebäuden sind Fenster und Türen. Es beginnt, fast immer, im Keller. Dort zeigen sich erste senkrechte oder waagerechte Risse, die sich im Laufe der Zeit bis zum Giebel hochziehen. Hierbei suchen sich die Kräfte die Wege des geringsten Widerstandes – eben über Fenster und Türen.

Begründungen zu Bergschadens-Ablehnungen klingen oft wie ein schlechte Treppenwitze und hinterlassen fassungslose Betroffene. 

Hier eine Auswahl von Gründen, mit denen RWE Power Bergschäden ablehnt:

  • Baumwurzeln des Nachbarn sind schuld.
  • Die Vibrationen der Bahn sind die Auslöser.
  • Die großräumige Bodenabsenkung ist gebäudeunschädlich.
  • Es wurde auf Klärschlamm gebaut.
  • Es liegt an der falschen oder veränderten Statik, was gerne auch auf später vorgenommene Umbauten geschoben wird. Das trifft auch auf Häuser zu, die bereits Jahrzehnte (nach dem Umbau) schadlos überstanden haben.
  • Gerne werden Setzrisse angeführt. Selbst wenn Gebäude bereits Jahrhunderte überstanden haben.
  • Eine ehemalige Mülldeponie ist die Ursache.
  • Die Baugrube wurde mit Schutt oder Bauholz verfüllt.
  • Bei unseren Probebohrungen (max. 6 m tief) waren keine humosen Bestandteile festzustellen – kann heißen: Hier liegen die wirklich beeinflussten lockeren, schadenauslösenden Bodenschichten tiefer.
  • Im Ort Lammersdorf steht ein Gutshof, wo zeitweise entweder Fenster und Türen nachgehobelt oder erneuert werden. Der Hausbesitzer musste eines Morgens mit der Axt ein Fester öffnen, um aus dem Haus zu gelangen. Zurzeit wird behauptet, dies sei die Folge von Kriegsschäden, obwohl Fotos aus der Kriegszeit das Gebäude vollkommen unbeschädigt zeigen.

Auffällig ist auch die meist primitive Art und Weise der. „Schadensbehebung“ an privaten Gebäuden: Hier ist Silikon in der „Riss-Kosmetik“ das Allheilmittel.

Alle angeflickten Teile müssen so über Jahre die noch kommenden Bewegungen aushalten. Sind die unschönen Risse zu groß, kommen gerne Kunststoffwinkel oder gar -Platten zur Überblendung zum Einsatz!!

Bei Gebäuden, für die RWE aus irgendeinem Grund „in der Pflicht steht“, kommt eine solche Vorgehensweise selbstverständlich nicht in Frage.

Hier werden Risse ordentlich verpresst oder Gebäudeteile mit einer Injektion in den Boden wieder „auf den Millimeter passend“ angehoben.

Niemandem ist vollumfänglich bewusst, was der Private an Kosten für die Allgemeinheit oder RWE trägt, indem er seine vermeintlichen eigenen Schäden aus seiner Tasche zahlt.

schaden-abwasserleitungDies wird den Eigentümern im Laufe der Jahre klar werden, wenn es bei der TV-Besichtigung des hauseigenen Kanalanschlusses heißt: „Es muss dringend saniert werden“.

Spätestens dann muss jeder Eigentümer genau hinschauen, ob es nicht Bodenbewegungen sind, die den Kanal beschädigt haben könnten.

In Jülich wurde ein Kanalschaden dadurch „behoben“, dass ein neuer verlegt wurde, weil der alte Kanal mittlerweile ein gegenläufiges Gefälle aufwies.

400Hierzu wird im Braunkohleplan auf Seite 400 ausgeführt:

Durch die Grundwasserabsenkungen können z.B. Schäden an

  • Gebäuden aller Art
  • Infrastruktureinrichtungen wie z.B. Ver- und Entsorgungsleitungen

auftreten.

Strassenschadenstrassen-schadenWeiterhin kommt auch der Steuerzahler für die Schäden an Straßen, Gehwegen, öffentlichen Plätzen und Begrenzungen auf. Hier kann man sehr wohl Frost-/Winterschäden von Bergschäden unterscheiden.

Wer seine Heimat über Jahre beobachtet, wird immer mehr Senkungen/Hebungen auf Straßen, Feldwegen, Äckern im Einflussgebiet der Sümpfungsmaßnahmen feststellen.

So wird auf Dauer der Verlauf von tektonischen Störungen sichtbar werden. Abkippende Baumreihen die sich zu einer Seite neigen, zeigen deutlich den Verlauf einer tektonischen Störung an. Bodensenkungen auf Äckern werden auch gerne als „Häufung von Erdratten“ gedeutet. Münchhausen hätte heute noch seine Freude an soviel Kreativität.

Des Steuerzahlers Portemonnaie ist schon seit 1950 für die Kohle offen:

„Die Bundesregierung kürzt drastisch beim Klimaschutz, aber umweltschädliche Energieträger werden immer noch massiv subventioniert. Das macht keinen Sinn,“ sagt Anike Peters, Energie-Expertin von Greenpeace.

„Die Regierung darf den Klimakiller Kohle nicht länger bevorzugen. Sie muss den Weg für Erneuerbare Energien freimachen. Sonst zahlen wir alle doppelt – für falsche Subventionen und für Klimaschäden.

Braunkohle, der bei weitem klimaschädlichste aller Energieträger, genoss von 1950 bis 2008 finanzielle Vorteile in Höhe von 101 Milliarden Euro. Und das obwohl Braunkohle offiziell ein „subventionsfreier Energieträger“ sein sollte. „Besonders die Zahlen für Braunkohle zeigen, wie in der Energie-Politik getrickst wird. Von Null auf 101 Milliarden Euro – das muss beendet werden“,  so Anike Peters.

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