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Kein Kita-Platz? • Stadt muss für Mehrkosten und/oder Verdienstausfall der Eltern aufkommen • Kommunale Finanzen sind kein Argument für Nichterfüllung des Rechtsanspruches

[12.06.2017] „Nach § 24 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs VIII besteht ein unbedingter Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung, der zu einer Gewährleistungspflicht führt, die unabhängig von der finanziellen Situation der Kommunen zu erfüllen ist.“

Diesen vom Verwaltungsgericht Stuttgart formulierten Rechtsanspruch bestätigte das sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in der letzten Woche in einem „vorläufigen Rechtsschutzverfahren“ gegen die Stadt Leipzig, nachdem die Eltern eines Kindes darauf geklagt hatten, einen Betreuungsplatz in einer Kita zu erhalten.

Das OVG bestätigte damit auch das Recht auf frühkindliche Förderung, auch wenn die finanzielle Situation es einer Kommune nicht möglich machen würde, entsprechende Kapazitäten vorzuhalten und „zurzeit kein freier Krippenplatz“ vorhanden ist.

Kein Kita-Platz … was nun?

Wenn den berufstätigen Eltern kein Kita-Platz zur Verfügung steht, haben Sie generell zwei Möglichkeiten:

  1. Sie bringen ihr Kind in einer privaten Betreuungsstelle unter und müssen diese Kosten aus eigener Tasche zahlen.
  2. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit und müssen Einkommensverluste in Kauf nehmen.

In beiden Situationen können sie die Kommune in Regress nehmen.

Und das kann für den städtischen Haushalt teuer werden.

Stadt muss Eltern Mehrkosten für private Betreuung erstatten

So wie in einem Fall in Stuttgart.

Dort wurde die Stadt verurteilt, Eltern die Mehrkosten für einen privaten Kita-Platz zu erstatten.

Diese Eltern hatten zwei Monate nach der Geburt ihres Kindes 2012 den Anspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr angemeldet.

Die Stadt Stuttgart konnte einen solchen nicht zur Verfügung stellen, so dass die Eltern ihr Kind in der Zeit von Januar 2013 bis November 2014 in einer privaten Kinderkrippe unterbrachten.

Anspruchsinhaber ist das jeweilige Kind, vertreten wird es durch die Eltern.

So zogen die Eltern vor das Verwaltungsgericht Stuttgart und erhielten Recht.

Die beklagte Stadt Stuttgart wurde zur Zahlung von insgesamt 5.620 Euro zuzüglich Zinsen verurteilt und verpflichtete sie darüber hinaus, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres auch die weiteren Kosten für seine Unterbringung in seiner privaten Kinderkrippe in Stuttgart zu erstatten, soweit diese die Kosten überschreiten, die bei einer Unterbringung in einer städtischen Tageseinrichtung entstehen würden.

Diesem Urteil schloss sich das vor der Stadt angerufene Oberverwaltungsgericht Baden-Württemberg an.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte außerdem festgestellt, dass auch „Fachkräftemangel“ kein Grund dafür darstelle, den Rechtsanspruch des Kindes einzuschränken und einen Erstattungsanspruch abzulehnen.

Diese Einwendungen sind zwar politisch verständlich, im Hinblick auf den gesetzlich geregelten unbedingten Anspruch auf einen Betreuungsplatz rechtlich aber nicht relevant.

Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 28.11.2014 – 7 K 3274/14 – [1]

Stadt muss Eltern im Wege der Amtshaftung Verdienstausfall erstatten

Drei weitere Fälle landeten im Oktober 2016 gar vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der festzustellen hatte ob es sich beim der unzureichenden Zurverfügungstellen von Kita-Plätze um eine Amtspflichtverletzung handele und ob die beklagen Kommunen gegenüber den Eltern schadensersatzpflichtig seien.

Diese Amtspflichtverletzung bejahte der BGH und damit mittelbar auch die Forderungen der drei Kläger (ca. 4.500 EURO, ca. 2.200 EURO und über 7.330 EURO).

Eine Amtspflichtverletzung liegt bereits dann vor, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt.

Die betreffende Amtspflicht ist nicht durch die vorhandene Kapazität begrenzt.

Grundlage hierfür bildet 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 GG.

Der zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Urteile an das Oberlandesgericht Dresden als Berufungsinstanz zurückverwiesen.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts bezwecke diese Amtspflicht auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern.

In den Schutzbereich der Amtspflicht fallen dabei auch Verdienstausfallschäden, die Eltern dadurch erleiden, dass ihre Kinder entgegen § 24 Abs., 2 SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhalten würden.

Zwar stehe der Anspruch auf einen Betreuungsplatz allein dem Kind selbst zu und nicht auch seinen Eltern.

Die Einbeziehung der Eltern und ihres Erwerbsinteresses in den Schutzbereich des Amtspflicht ergebe sich aber aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck und der systematischen Stellung von § 24 Abs. 2 SGB VIII.

BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15 – OLG Dresden LG Leipzig [2]

Manche Eltern noch nicht schulpflichtiger Kinde finden sich damit ab, dass in Mönchengladbach ca. 1.250 Betreuungsplätze und ca. 250 Fachkräfte fehlen.

Sie finden sich damit ab, dass ihre Kleinen in „bis zum Anschlag“ überbelegten Einrichtungen nur noch „untergebracht“, aber nicht mehr sach- und fachgerecht betreut werden können.

Und sie lassen sich von der Verwaltung so lange vertrösten, bis die Kinder schulpflichtig werden … und das dann nicht selten ohne geeignete Vorbereitung auf den Einstieg von den Schulalltag.

Seit Jahren spielt die Verwaltung auf Zeit.

Und das in der Hoffnung, dass die ihre Kinder vertretenden Eltern nicht vor Gericht ziehen und das Recht ihrer Kinder einklagen würden.

Denn welche Eltern unterziehen sich der Mühe „nachträglich“ das Recht ihres Kindes durchzusetzen, nachdem es in die Schule gekommen ist?

Steckt dahinter etwa seitens der städtischen Verantwortlichen in Verwaltung und Rat etwa Kalkül?

So wie beim jahrelang zögerlichen Verhalten bei der befristeten Einstellung von Erzieherinnen, die nun für einige dieser engagierten – vornehmlich – Frauen aufgehoben wurde?

Die beiden beschriebenen und belegten Rechtssituationen machen deutlich, dass sich Klagen auch dann lohnen können, wenn der Klagegrund, nämlich das Vorenthalten des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz und die damit verbundenen Kosten für die Familien zwar zeitlich „erledigt“ hat, rechtlich und monetär aber nicht.

Wichtig ist dabei natürlich, dass die Vorgänge um die Angelegenheit „Kita-Platz“ durchgängig dokumentiert werden (Schreiben usw.), denn nur dann bestehen Chancen, in einem Rechtsstreit erfolgreich sein können.