Städtetag NRW: Hohe Sozialausgaben und wegbrechende Steuereinnahmen verschärfen Finanzlage der Städte

Hauptredaktion [ - Uhr]

logo-staedtetag-nrwÜberproportional hohe und weiter steigende Sozialausgaben, wegbrechende Steuereinnahmen sowie eine dramatische Verschuldung kennzeichnen die Finanzlage zahlreicher Städte in Nordrhein-Westfalen. Seit mehr als zehn Jahren liegt das Niveau der kommunalen Investitionen in NRW im bundesweiten Vergleich an vorletzter oder letzter Stelle.

Die NRW-Kommunen sind noch stärker als in anderen Ländern mit Sozialausgaben überlastet. Und die Überschuldung von Städten wird sich künftig nicht auf Einzelfälle beschränken.

Das geht aus dem Gemeindefinanzbericht 2009 des Städtetages Nordrhein-Westfalen mit dem Titel „Haushaltsnotlage als Normalfall?“ hervor, den der kommunale Spitzenverband heute erstmals in Düsseldorf veröffentlichte.

bild-bude„Die Kommunen in NRW sind seit Jahrzehnten finanziell unzureichend ausgestattet. Die Folgen der sich immer weiter auftürmenden Schulden zeigen sich nicht nur in den kommunalen Bilanzen. Sie werden auch sichtbar in zerfallender öffentlicher Infrastruktur und in immer größeren Schwierigkeiten, ein Mindestangebot öffentlicher Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. In vielen Städten wird seit Jahren der Mangel verwaltet“, sagte der Vorsitzende des Städte­tages NRW, Oberbürgermeister Norbert Bude aus Mönchengladbach.

Auch die gute Konjunktur der Jahre 2006 bis 2008 habe für viele Städte in NRW keine finanzielle Erholung gebracht.

Ein Indiz für die „strukturelle Unterfinanzierung“ der NRW-Kommunen sei der ungebrochene Anstieg ihrer Kassenkredite auf inzwischen rund 16 Milliarden Euro. Besonders betroffen seien davon die kreisfreien Städte. Höhere Kassenkredite pro Einwohner als in NRW gebe es nur im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Nach der jüngsten Steuerschätzung spitzen sich die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise für die Kommunen weiter zu.

„Wir müssen in NRW 2009 gegenüber dem Vorjahr noch stärkere Einbrüche bei der Gewerbesteuer befürchten als das Minus von 18 Prozent, das im Bundesdurchschnitt prognostiziert wird“, sagte Bude.

Hier werde sich voraussichtlich die hohe Zahl der Großstädte in NRW auswirken, die als Standorte exportorientierter Unternehmen besonders betroffen seien.

Auch wenn im vierten Quartal deutlich geringere Minusraten zu erwarten seien, hätten in den ersten drei Quartalen mehrere Großstädte in NRW Einbußen bei der Gewerbesteuer zwischen 25 und 55 Prozent erlitten.

Bude dazu: „Der gewaltige Rückgang unserer Einnahmen macht in jedem Fall deutlich: Viele Städte können weitere Steuerverluste durch Steuersenkungen auf keinen Fall verkraften.“

Und weiter: „Die NRW-Städte appellieren angesichts ihrer dramatischen Finanzprobleme an Bund und Land, trotz der gegenwärtigen Krise Auswege zu suchen, um eine Finanzierung der Städte sicherzustellen, mit der sie ihre Aufgaben erfüllen können.“ Lösungen für die riesigen strukturellen Probleme einzelner Kommunen könnten dabei nur in Kooperation von Land und betroffenen Kommunen entwickelt werden. Es wäre eine große Hilfe, wenn ein Konsolidierungspakt zwischen dem Land und diesen Städten gelingen würde.

Zentrale Fakten aus dem Gemeindefinanzbericht des Städtetages NRW

Im einzelnen stellten der Städtetagsvorsitzende Norbert Bude, Geschäftsführer Dr. Stephan Articus sowie die Finanzdezernentin und Stellvertreterin des Geschäftsführers, Monika Kuban, folgende Fakten aus dem Gemeindefinanzbericht des Städtetages NRW vor:

  • Die Unterfinanzierung der NRW-Kommunen besteht bereits seit Jahrzehnten. Die Finanzierungssalden – Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – fallen je Einwohner in den NRW-Kommunen seit 30 Jahren schlechter aus als in den westdeutschen Flächenländern insgesamt. Im Durchschnitt betrug die Differenz beim Finanzierungssaldo pro Einwohner mehr als 50 Euro.
  • Bundesweit ist für die finanzielle Schieflage der Kommunen besonders die stetig steigende Belastung durch Sozialausgaben verantwortlich, wie etwa die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose oder die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Kommunen in NRW sind noch stärker als in anderen Ländern von dieser Überlastung betroffen, die vor allem durch Bundesgesetze bestimmt wird. Pro Kopf wurden 2008 in den NRW-Kommunen 626 Euro für soziale Leistungen aufgewendet, bei den westdeutschen Kommunen insgesamt waren es 513 Euro.
  • Für Investitionen wurden dagegen 2008 in den NRW-Kommunen pro Kopf nur 163 Euro ausgegeben, in den westdeutschen Kommunen 269 Euro.
  • Schon seit Anfang der 90er Jahre wirtschaften zahlreiche Kommunen mit einem Haushaltssicherungskonzept, derzeit sind es 59 von 427 Kommunen (14 Prozent). Unter den Mitgliedern des Städtetages NRW liegt der Anteil bei 36 Prozent. Besonders dramatische Haushaltsprobleme sind also vor allem bei den Großstädten anzutreffen. Fast 60 Prozent der 40 Mitgliedsstädte des Städtetages NRW prognostizieren, im kommenden Haushaltsjahr 2010 Haushaltssicherungskommune zu sein.
  • Die Überschuldung von Städten wird sich künftig nicht auf Einzelfälle beschränken. Eine reale Gefahr der Überschuldung wird für die kommenden Jahre von nahezu jeder zweiten Mitgliedsstadt gesehen. In einer Stadt wird negatives Eigenkapital ausgewiesen und ist damit Überschuldung eingetreten. Eine weitere Stadt verfügte nach eigenen Angaben im Sommer über kein Eigenkapital mehr.

Finanzausgleich muss angemessen dotiert werden

Die Dotierung des nordrhein-westfälischen Finanzausgleichs nannte der Städtetagsvorsitzende Bude unzureichend. Als bundesweit einziges Flächenland beschränke sich NRW im Steuerverbund auf das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Minimum, indem es die Kommunen lediglich an den Gemeinschaftssteuern, nicht aber an den Landessteuern beteiligt. „Das Land sollte die von unterschiedlichen Regierungen erfolgten Kürzungen des kommunalen Finanzausgleichs zurücknehmen und die Gesamtsumme angemessen dotieren. Die Diskussion über die Reform des Finanzausgleichs sollte im Ergebnis zu einer Verbesserung der Finanzlage der Städte in NRW führen“, sagte Bude.

Im Finanzausgleich sei der so genannte Hauptansatz mit der Gewichtung nach Einwohnerzahl erforderlich, um Sonderlasten der Städte durch ihre Funktion als Arbeits- und Versorgungszentren auch für das Umland zu berücksichtigen. Und wegen der explodierenden Soziallasten in den städtischen Haushalten müsse der Soziallastenansatz künftig ein stärkeres Gewicht erhalten.

Entlastung bei den Sozialausgaben – Lob für das Konjunkturpaket

Der Geschäftsführer des Städtetages NRW, Dr. Stephan Articus, erklärte: „Die immensen Sozialausgaben sind eine Hauptursache für die schlechte Finanzlage der NRW-Städte. Die entsprechenden Bundesgesetze dürfen die Kommunen nicht immer mehr belasten. Wir brauchen im Gegenteil dringend eine Entlastung, vor allem bei den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose, aber auch durch eine Reform der Eingliederungshilfe für Behinderte.“

Im Koalitionsvertrag der neuen Regierungspartner im Bund werde angekündigt, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden nach Entlastungsmöglichkeiten für die Kommunen zu suchen.

Die Folgen der Krise dürften nicht den Ausbau der Kinderbetreuung gefährden, mahnte Articus. „Bund und Länder müssen erkennen, dass der Ausbau der Kinderbetreuung unterfinanziert ist. Die Kommunen engagieren sich nach besten Kräften für mehr Betreuungsplätze. Aber ohne zusätzliche Finanzhilfen werden wir die ehrgeizigen Ausbauziele nicht erreichen können.“

In großen Städten werde eine Versorgung von 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren nicht ausreichen, und ein Rechtsanspruch ab dem Jahr 2013 erfordere noch größere Anstrengungen.

„Ein gutes Beispiel für eine Kooperation der drei öffentlichen Ebenen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger ist das Konjunkturpaket II mit seinem kommunalen Investitionsprogramm. Das Konjunkturpaket gibt Impulse für Wachstum und Arbeitsplätze, und es trägt zu einer besseren Lebensqualität für die Menschen bei“, so Articus weiter.

Das Land Nordrhein-Westfalen habe sich hier besonders kommunalfreundlich verhalten, indem es die Mittel unbürokratisch vergeben und wesentlich höhere Summen weitergeleitet habe als vom Bund vorgegeben.

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