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„Vorstellen kann ich mir viel. Unter anderem Fahrrad­verkehre wie in maoistischer Zeit oder Handkarren zu Hungerlöhnen“ [Interview]

szene-by_jerzy_pixeliode [1]Das war die Antwort von Dr. Anno Jansen-Winkeln auf die Frage des Moderators an ihn, ob er sich eine 30-km-Strecke am Schürenweg vorstellen könne.

So gesehen in der 6-minütigen Fernsehsendung „Klartext“ in der Maiausgabe von vigoTV auf dem Kabelsender CityVision. (Letztmalig Ausstrahlung ist am 21.05.2010 um 17:00 Uhr).

„Gegenpart“ von Jansen-Winkeln in diesem Gespräch war Frank Sentis, einer der Sprecher der „IG Schürenweg“, die sich für die Interessen von über 1.000 Haushalten des Straßenzuges Bergstraße bis Nicodemstraße einsetzt.

In einem BZMG-Interview sprach Frank Sentis über seine Eindrücke von seinem ersten Fernsehauftritt im Speziellen und vom Umgang mit Politikern in Sachen Verkehrsentwicklung in Mönchengladbach im Allgemeinen.

BZMG: Herr Sentis, das war Ihr erster Auftritt vor der Kamera. Wie kam es dazu?

Frank Sentis: Herr Jüngermann von der RP rief mich an und fragte, ob unsere Interessengemeinschaft an einem Gespräch im Fernsehen zur Verkehrsbelastung auf unserem Straßenzug Interesse hätte.

BZMG: Haben Sie lange überlegen müssen?

Sentis: Im ersten Moment nicht, aber je länger ich darüber nachgedacht habe, umso größer wurden meine Bedenken. Pro Frage hat man 30 Sekunden Zeit. Was will man in 30 Sekunden rüberbringen? Erst recht kann man ein Gegenüber nicht überzeugen. Über dieses Thema könnte man Stunden diskutieren.

BZMG: War von Beginn an klar, dass Herr Dr. Jansen-Winkeln Ihr „Gegenpart“ sein würde?

Sentis: Nein, keineswegs. Herr Jüngermann hat sogar gefragt, wen wir uns vorstellen könnten, wer gegen die Maßnahme sei. Da kamen nicht so viele Personen in Frage.

Aus der Verwaltung konnte man sich niemanden vorstellen, der bereit gewesen wäre vor die Kamera zu treten. Von den politischen Parteien blieb als Gegner an sich nur die FDP. Alle anderen Parteien tragen unsere Forderungen mit oder sind zumindest der Meinung, dass etwas getan werden muss.

Die starre Haltung der FDP zeigte sich auch in den Aussagen von Herrn Jansen-Winkeln während des Gespräches. Warum die FDP gegen jegliche noch so kleine Maßnahmen für unseren Straßenzug ist, ist uns noch nicht so richtig klar.

BZMG: Wie kam es dann zu Ihrer Entscheidung, an diesem TV-Gespräch mitzumachen?

Sentis: Wir haben in der Interessengemeinschaft lange darüber diskutiert und das Für und Wider abgewägt und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, es zu tun. Heute würde unsere Entscheidung sicherlich anders ausfallen.

BZMG: Sind Ihre Erwartungen an den Ablauf des Gesprächs – ob positiv oder negativ – eingetreten?

Sentis: Es war für mich sehr aufregend. Etwas nicht alltägliches, dass man gerne mal erleben möchte, wenn es nur nicht so wichtig für unsere Interessengemeinschaft gewesen wäre .

Hier geht es nämlich nicht um irgendetwas in der Stadt, sondern um uns Menschen, die an diesem Straßenzug leben. Und wir wollen auch weiterhin hier leben. Dadurch wird das Ganze natürlich sehr emotional. Ohne diese Emotionen wäre es sicherlich ein schöneres Erlebnis geworden.

BZMG: Wie empfanden Sie die Moderation?

Sentis: Die Anmoderation war in Ordnung, der Situation entsprechend. Die Fragen wurden so gestellt, wie wir sie erwartet hatten.

Was ich nicht so schön fand, war die Abmoderation. Dabei sprach Herr Jüngermann von Partikularinteressen Einzelner. Das fand ich unangemessen, vertreten wir doch mittlerweile die Interessen von über 1.000 Haushalten.  Über 5.000 Menschen sind durch die überhöhten Immissionen unseres Straßenzuges belastet. Das sind keineswegs nur Partikularinteressen.

Herr Jüngermann hat aber dann noch einen letzten  Satz gesagt, den ich wiederum interessant fand.

Er sagte nämlich, dass sich in Zukunft auf dem Schürenweg Durchgangsverkehre nicht gänzlich ausschließen lassen würden.

BZMG: Und was ist für Sie daran so interessant?

Sentis: Das ist fast der gleiche Wortlaut, wie er im Verkehrsentwicklungsplan (VEP) steht und mit dem dort eine Verkehrsstraße definiert wird. Dort heisst es: Eine Verkehrsstraße ist eine Straße, die Sammelverkehre in die Wohngebiete bringen soll, auf der sich aber Durchgangsverkehr nicht in Gänze ausschließen lassen.

Und genau das ist die Funktion unseres Straßenzuges. Verkehre in die Wohngebiete Windberg, Waldhausen und Eicken bringen. Nicht aber Schwerlastroute für Mautumgeher zwischen A61 und A52. So ist auch unsere Forderung für den neuen VEP. Wir sind eine Verkehrsstraße und keine Hauptverkehrsstraße.

BZMG: Wie haben Sie die Reaktionen von Herrn Dr. Jansen-Winkeln auf Ihre Argumente empfunden?

Sentis: Sein Beispiel, er selbst würde an der Rheydter Straße wohnen, die mehr belastet sei, als der Schürenweg, war falsch.

Die Rheydter Straße ist auch in großen Teilen stark belastet. Nicht aber in dem Bereich in dem Herr Jansen-Winkeln wohnt, dem Bereich der Einbahnstraße.

Dort liegt zum Beispiel die Lärmbelastung deutlich unter den gesetzlichen Höchstwerten. Das kann jeder im Internet in der Lärmkartierung NRW nachlesen. Ist auch nicht verwunderlich, da die Verkehrsbelastung in der Einbahnstraße  bei nur etwa einem Drittel vom Schürenweg liegt.

Auf seinem Streckenabschnitt der Rheydter Straße gibt es einen schönen, 1,5 Meter breiten Fahrradweg und in unmittelbarer Nähe seines Hauses einen Zebrastreifen. Viele Mönchengladbacher würden sich wünschen solche Voraussetzungen vor ihrer Türe zu haben.

Auch die Aussage von Herrn Jansen-Winkeln, dass sich jeder auf unserem Straßenzug seit 50 Jahren über die Verkehrsbelastung bewusste sein müsste, ist nicht korrekt.

Vor 50 Jahren gab es diesen Straßenzug noch gar nicht. Die Marienburgerstraße wurde erst vor 40 Jahren gebaut. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Verbindung zwischen Metzenweg und Schürenweg. Also auch keinen Verkehr. Erst ab diesem Zeitpunkt stieg die Verkehrbelastung langsam an. Noch bis Ende der 90er Jahre war die Verkehrsbelastung auf unserem Straßenzug nur halb so hoch wie heute.

BZMG: Herr Dr. Jansen-Winkeln hat auf die Frage, ob er sich eine 30-km-Zone auf Ihren Straßen vorstellen könne, geantwortet. Ich zitiere: „Vorstellen kann ich mir viel. Unter anderem Fahrradverkehre wie in maoistischer Zeit oder Handkarren zu Hungerlöhnen“ …

Sentis: Das muss man im Zusammenhang mit meiner voran gegangenen Aussage sehen. Da hatte ich gefordert, das es einem Autofahrer zuzumuten ist, langsamer zu fahren, wenn Bürger durch zu hohe Immissionsbelastungen einer Gesundheitsschädigung ausgesetzt sind.

Dann so eine Antwort von Herrn Jansen-Winkeln – da fehlen mir schlicht die Worte, das zu kommentieren.  Da soll sich jeder selber seine Meinung bilden.  

BZMG: Sie haben nun die Erfahrung gemacht. Würden Sie ein solches Gespräch noch einmal führen?

Sentis: Ich sagte es schon. Ich persönlich würde ein solches Gespräch nicht mehr führen.

Aus einer solchen Gesprächsrunde, die zeitlich so knapp bemessen ist, kann nichts herauskommen. In diesem 30-Sekunden-Hin-und-Her bringt man für den Zuschauer oder Zuhörer nichts rüber. Es ist der falsche Weg.

BZMG: Würden Sie anderen Interessengruppen oder Bürgerinitiativen empfehlen, so etwas zu machen?

Sentis: Bezogen auf eine Sendung wie  „Klartext“ würde ich es niemandem empfehlen. Ich würde jedem davon abraten.

BZMG: Also, außer Spesen nichts gewesen.

Sentis: So würde ich das nicht sagen. Wir haben unsere Erfahrungen gesammelt und werden daraus unsere Schlüsse ziehen. Vielleicht können wir mit diesen Erfahrungen auch anderen helfen.

So ähnlich, wie beim so genannten „Runden Tisch“. Auch da waren wir nachher klüger und würden so etwas in dieser Form nicht mehr durchziehen. Aber das ginge jetzt zu weit. Da können wir uns gerne noch einmal zu unterhalten.

BZMG: Danke für das Angebot. Darauf kommen wir noch zurück. Und danke natürlich auch für Ihre Eindrücke und Einschätzungen aus Ihrem Fernsehauftritt.

Das Interview führte
Bernhard Wilms

Bilder zum Interview:

1954-marienburger-strasse [2]Marienburger Straße 1954

2010-rheydter-strasse [3]Rheydter Straße 2010

3 Kommentare (Öffnen | Schließen)

3 Kommentare Empfänger "„Vorstellen kann ich mir viel. Unter anderem Fahrrad­verkehre wie in maoistischer Zeit oder Handkarren zu Hungerlöhnen“ [Interview]"

#1 Kommentar von flintstone am 19. Mai 2010 00000005 10:05 127426355810Wed, 19 May 2010 10:05:58 +0000

Kabel habe ich nicht, aber wenn ich das so lese, habe ich den Eindruck, dass hier eine Bürgerinitiative „vorgeführt“ werden sollte.

Interessant finde ich die Schlussfolgerungen von Herrn Sentis, so etwas nicht noch mal mitzumachen und seine Empfehlung an andere BI’s, sich auch auf so etwas nicht einzulassen.

Mich überrascht wieso die RP zu einem Fernsehauftritt in Cityvision einlädt .. dann aber doch wieder nicht, wenn ich mir die Farbanzeigen in der RP für Cityvision ansehe.

Das kann sich doch ein kleines Unternehmen, wie Cityvision auf Dauer kaum leisten, was mich zum Schluss bringt, dass Cityvision in Wahrheit der RP gehört und damit zum „schwarzen Kanal“ wird. Toll!

Und dann waren da noch die „Bürgerferne“ und totalen Fehleinschätzungen von Herrn Dr. Jansen-Winkeln.

Dass „seine“ Rheydter-Straße nun mit dem Schürenweg gar nicht vergleichbar ist, hätte er leicht erkennen können; er hätte sich nur mal ne Stunde an den Schürenweg stellen müssen. Dann hätte er das sicherlich nicht von sich gegeben.

Und dass vor es 50 Jahren die Marienburger Straße noch gar nicht gab, ist „der Hammer“. Ich glaube, Herr Dr. Jansen-Winkeln braucht mal Nachhilfestunden in kommunaler Geografie und Historie.

Zu seinen „Vorstellungen aus maoistischer Zeit“ fällt mir nur ein: unprofessionelle Worthülse von jemandem der an einem wirklichen Bürgerdialog nicht interessiert ist.

#2 Kommentar von Mine am 19. Mai 2010 00000005 20:53 127430241408Wed, 19 May 2010 20:53:34 +0000

Eine gute Fernsehreportage, in denen Anwohner und Politiker ausführlich zu Wort kommen, bringt mehr als diese ganzen modischen Polit-Talks.

#3 Kommentar von Gandalf am 19. Mai 2010 00000005 22:41 127430889410Wed, 19 May 2010 22:41:34 +0000

@ flintstone

Ihren Ausführungen kann ich nur zustimmen.

Herr Dr. Jansen-Winkeln hat offensichtlich eine ganz andere Wahrnehmung als wir Normalbürger. Es ist ihm offensichtlich immer wieder ein Bedürfnis, diese zu verkünden.

Dass er da oft nicht den richtigen Ton findet, beweist sein Kommentar, der den Artikel als Überschrift „ziert“.

Ich bin überzeugt, dass er am Schürenweg keine halbe Stunde braucht, um zu erkennen, was da los ist.

Wenn er es denn wahrnehmen will.

Nett ist eine Antwort, die er im vergangenen Jahr gab, als hier auf der BZ Fragen an die OB-Kandidaten gestellt werden konnten.

06.08.2009: Antwort von Dr. Anno Jansen-Winkeln:

„Hallo Herr S.,
Ich habe mich sehr bewußt dafür entschieden, mit meiner Familie mitten in der Innenstadt von Mönchengladbach zu wohnen. Auch wenn ich Verständnis dafür habe, wenn sie sich durch das Martinshorn gestört fühlen, so geht mir persönlich das nicht so. In Mönchengladbach empfinde ich die Geräusche der Stadt als vergleichsweise moderat und belebend.“

[4]

Seinen Kommentar fand ich schon damals, na, also mindestens befremdend. Eben auf Grund der Kenntnis seines Domizils.

Anscheinend geht er mit diesbezüglichen Äußerungen gerne „hausieren“, um uns diskret zu vermitteln, was wir für Weicheier und Meckerfritzen sind.

Er dagegen: als Hardcore-Großstadtpflanze mitten drin im tosenden Leben!

Ob er es am Schürenweg auch so „belebend“ empfinden würde?