- BürgerZeitung für Mönchengladbach und Umland 1.0 - http://www.bz-mg.de -


„Seit 2 Uhr 15 sagen wir Horst und Guido zueinander“

[1][05.04.2010] Das sollte witzig klingen, war aber in der Nachbetrachtung nahe an einer Kriegserklärung. Oder war es doch Guido’s Versuch des politischen Umgarnens?

Wie dem auch sei. Je näher man sich kommt umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zum DU kommt. Das ist im privaten Leben oft so und sicherlich nicht verwerflich, wenn … ja, wenn man sich auch über die Konsequenzen über die jeweils aktuellen Situation hinaus im Klaren ist.

Da gibt es zunächst einmal die Frage, wer darf wem das DU anbieten?

Der Ältere dem Jüngeren? Der Chef seinem Mitarbeiter? Die Schwiegereltern Schwiegersohn oder Schwiegertochter? Und wie ist das bei fast Gleichaltrigen?

Alles Quatsch, werden einige sagen, wir sind schließlich im Rheinland, da sehen wir das doch wohl nicht so eng.

Andere werden meinen, dass Distanz ganz gut tut. Zumindest solange, bis man weiß, wie der andere wirklich „tickt“.

Weitere haben was gegen „kollektives Duzen“ beispielsweise in Karnevalsvereinen, Schützenzügen oder ähnlichen Gruppierungen.

Wieder andere meinen, dass gerade durch das obligatorische „kollektive Duzen“ eher die Hemmungen fallen, dem Spaßhaben hilft und sehen darin eine Art von gegenseitiger Identifikation.

Und da wird’s kritisch!

Besonders, wenn man als „volksnaher“ Kommunalpolitiker einerseits dazugehören möchte und sich andererseits plötzlich einer Armada von Duzern gegenüber sieht, die charakterlich, qua Beruf oder politischer Einstellung per se zu den politischen Gegnern zu zählen sind.

Verlangt oder praktiziert man Distanz, wird man schnell als arrogant oder hochnäsig eingestuft und ist nicht mehr so „gefragt“.

Kritisch wird es besonders dann, wenn ein Politiker aus seiner Funktion heraus in einer öffentlichen oder quasi-öffentlichen Veranstaltung seinen vermeintlichen „Duz-Freund“ per SIE das Wort erteilt und dieser dann sowenig Fingerspitzengefühl aufbringt und ihn aus dem „kollektiven Duzen“ heraus mit „Lieber Peter“ anredet.

Die Einschätzung, ob es sich hierbei wirklich (nur) um mangelndes Fingerspitzengefühl oder um Berechnung handelt, bleibt dem unbeteiligten Beobachter allein überlassen. Meist bleibt dann bei ihm ein „?“ übrig.

Neutrale Beobachter stutzen, politische Freunde sind irritiert, politische Gegner vermuten … was auch immer.

Spricht man den „lieben Peter“ darauf an, ist er zunächst selbst irritiert, glaubt er doch, dass das Ganze gar nicht so wichtig sei, das sei nun mal im Rheinland so … und erst recht in karnevalistischem Umfeld.

Und außerdem könne er sehr wohl privat und Politik ganz gut auseinander halten. Dabei vergisst er, dass er als Politiker nie „privat“ ist.

Vielleicht ist er ja gar nicht als „Privatperson“ in den Verein aufgenommen worden, sondern als „Politiker“. Vielleicht sogar mit dem Kalkül „den können wir irgendwann mal (ge)brauchen“.

Unter „(Ge)brauchen“ ist auch die momentan als chic geltende Methode, in Gesprächen eine abwesende Person mit Vor- und Zuname zu nennen, obwohl keine weitergehende persönliche Beziehung zu ihr besteht.

„Ich habe das mit Peter Edler besprochen …“ erweckt eben diese persönliche Verbundenheit (die gar nicht existiert und von der „Peter Edler“ gar nichts weiß).

Ehrlicher wäre doch wohl: „Ich habe mit Herrn Edler gesprochen …“ … und wenn es davon mehrere geben sollte: „ … Herrn Peter Edler …“

Kleinkariert, wird jetzt mancher denken.

Aber viele (nein die meisten) politische Entscheidungen hängen mit Geld zusammen, mit der Möglichkeit ein Grundstück zu erwerben, eine Bebauung zu beeinflussen, einen öffentlichen Auftrag zu erhalten, usw. usw.

Die Erwartungshaltungen des „Duz-Partners“ entstehen automatisch, vielleicht aber auch geplant und sind vom Politiker nicht beeinflussbar – oder sie entgleiten ihm: „man kennt sich – man duzt sich – man hilft sich“.

Der Politikerblick wird schnell getrübt, vor allem dann, wenn man „dazugehören“ möchte.

Schnell kommt er (der Politiker) in den Ruf „gefällig“ zu sein, obwohl das in ganz bestimmten Angelegenheiten wirklich nicht zutrifft und dann ist aufgrund der steigenden Sensibilität der Bürger in der Öffentlichkeit schnell die Rede von Kungelei, Mauschelei bis hin zu Korruption.

Für den Begriff Korruption gibt es noch keine strafrechtlich-dogmatische Definition. Deshalb ist es auch so schwierig, Abgrenzungen zu finden.

Im politischen Sinne ist Korruption die Verletzung eines allgemeinen Interesses zu Gunsten eines speziellen Vorteils (Definition des Politikwissenschaftlers Harold Dwight Lasswell – Quelle: Wikipedia) – ein weites Feld!

Es ist nicht (nur) das konkrete Handeln eines Politikers, was ihn in Verruf bringen kann, sondern der Eindruck, den er erweckt, oder der von anderen zu seinem Nachteil erweckt wird und dem er nicht aktiv entgegentritt bzw. entgegentreten kann.

Was tun? Das DU zurücknehmen? Deutlich auf Distanz gehen?

Hier Ratschläge zu geben, ist schwierig bis unmöglich. Da muss jeder Politiker für sich entscheiden; auch, wie er sich zukünftig verhalten will.

Wie oft gilt auch hier: „Nachdenken ist zu spät – Vor- und Zuendedenken ist angesagt“!

Möglicherweise helfen ja diese in Managementseminaren erarbeiteten „Regeln“:

Und auch:

1 Kommentar (Öffnen | Schließen)

1 Kommentar Empfänger "
„Seit 2 Uhr 15 sagen wir Horst und Guido zueinander“"

#1 Kommentar von Jose am 6. April 2010 00000004 21:18 127058872609Tue, 06 Apr 2010 21:18:46 +0000

Wie wahr!

Das hat schon so manchen ordentlich in Verlegenheit und Schwierigkeiten gebracht. In Deutschland wird das „Du“ leider (meistens jedenfalls) immer noch als „Freifahrschein“ angesehen, der distanzmindernd wirkt.

Es gibt tatsächlich viele Leute, die versuchen daraus Kapital zu schlagen oder für ihre Zwecke zu nutzen. In aller Freundschaft, versteht sich.