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Ausschreibungspflicht für kommunale Grundstücksverträge – Teil I: Überblick

paragraphen-thb1Verträge über kommunale Grundstücksverkäufe, die grundsätzlich mit der Absicht verbunden sind, städtebauliche Entwicklungs­ziele zu verwirklichen, und die schon immer nach allen Gesichtspunkten geprüft wurden, nicht jedoch nach Vergaberecht, sind neuerdings vermehrt Gegenstand von vergaberechtlichen Nachprüfungs­verfahren. Die bunte Vielfalt der neueren Beschlüsse der Vergabekammern und der Vergabesenate einiger Oberlandesgerichte wird in dieser BZMG-Serie dargestellt, gewürdigt, und mit einigen Empfehlungen abgeschlossen.

Trotz der beruhigenden Worte des BGH im Urteil vom 22. 2. 20081, der auf kommu­nale Grundstücksverkäufe mit freiwilligem Bieterverfahren kein Vergaberecht anwen­det, und der „Ahlhorn-Klausel“ des neuen § 99 I und III GWB im Regierungs­entwurf der Vergaberechtsnovelle2, der kommunale Grundstücksverkäufe grundsätzlich (wieder) vergaberechtsfrei stellen will, bleibt die Fachwelt verunsichert durch die zunächst überraschenden, zugleich aber auch konsequenten Beschlüsse des OLG Düsseldorf, die – auf der Grundlage des Europäischen Vergaberechts3 und des „Roanne-Urteils“ des EuGH vom 18. 1. 20074 – städtebauliche Entwicklungsverträge wie auch alle Grundstücksverkäufe, die eine Bauverpflichtung enthalten, als Bauauf­träge in Form einer Baukonzession gewertet und damit dem Vergaberecht unterstellt haben5.

Mehrere erstinstanzliche Gerichte haben sich – wie eine Fülle von Stimmen aus der Literatur – ausdrücklich gegen diese dezidierte „Ahlhorn“-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gewandt, beispielsweise die VK Darmstadt6, VK Karlsruhe7, und VK Potsdam8. Andere waren zurückhaltend, brauchten jedoch die Frage wegen Verwir­kung des Nachprüfungsantrags nicht zu entscheiden (beispielsweise OLG München9 und VK Köln10).

Dagegen haben sich bisher zwei Oberlandesgerichte ausdrücklich der Rechtspre­chung des OLG Düsseldorf angeschlossen, das OLG Bremen11, grundlegend das OLG Karlsruhe12, sowie auch die VK Karlsruhe13 und VK Darmstadt14.

Das OLG Bremen hat mit dem Beschluss vom 13. 3. 200815 die Vergabepflicht auch auf Pachtverträge erweitert. Dies überrascht nicht, da entscheidend nicht die Vertrags­art ist (vgl. § 1a VOB/A), sondern allein, ob der öffentliche Auftraggeber dem privaten Partner eine Bauverpflichtung auferlegt. Dies ist selbstverständlich auch bei Miet- und Pachtverträgen möglich.

Der Beschluss des OLG München vom 4. 4. 200816 betrifft dagegen einen ausge­spro­chenen Sonderfall. Die Stadt München verfolgte das städtebauliche Ziel einer Betriebsverlagerung und hatte ein Grundstück europaweit ausgeschrieben, um es jedoch nur an das umzusiedelnde Unternehmen zu vergeben. Da die Ausschreibung nur auf dieses Unternehmen zugeschnitten war, verstieß sie offensichtlich gegen alle Wettbewerbsgrundsätze; allerdings war die Rüge verspätet erhoben worden.

Das OLG München hat dabei in einem obiter dictum Zweifel geäußert, ob der Fall überhaupt als Beschaffungsmaßnahme zu werten sei, da die Stadt ihre städtebau­lichen Ziele nicht primär an dem neuen, sondern an dem alten Standort verfolgte, und diese Ziele nur gemeinsam mit der zu verlagernden Firma realisiert werden konnten.

Bei dieser Konstellation sind die Zweifel an der Anwendbarkeit des Vergaberechts nicht von der Hand zu weisen. Sie beschränken sich jedoch auf den entschiedenen Fall und sind kaum verallgemeinerungsfähig. Das Kriterium „keine Marktrelevanz“ hilft deshalb nur in diesen eng begrenzten Fällen fehlender Wettbewerbsrelevanz weiter.

Aber auch der Regierungsentwurf des neuen § 99 I, III und VI GWB, nach dem vergabepflichtige öffentliche Aufträge nur solche „über die Beschaffung von Leis­tungen“ und nur diejenigen Bauverträge sind, die „dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommen“17, verspricht schon deshalb keine Hilfe, da die Gerichte u.a. den Anwendungsvorrang des Europäischen Vergaberechts in der Auslegung beispielsweise des zitierten „Roanne-Urteils“ des EuGH18 beachten müssen.

Solange das Europäische Vergaberecht durch den EuGH so ausgelegt wird und solche eindeutigen Vorgaben für das deutsche Recht macht, wie das OLG Düssel­dorf dies beispielsweise in der „Ahlhorn-Entscheidung“19 detailliert dargelegt hat, und solange der EuGH daran festhält, dass „die Definition eines öffentlichen Bauauftrags in den Bereich des Gemeinschaftsrechts fällt“20, besteht auch kaum Hoffnung auf eine wesentliche Änderung der zitierten Rechtsprechung.

Es besteht allerdings Anlass zur Hoffnung, dass der noch bestehende bunte Reigen unterschiedlicher Vergabebeschlüsse der Länderinstanzgerichte durch eine auf Grund des Vorlagebeschlusses des OLG Düsseldorf vom 2. 10. 200821 anstehende Entscheidung des EuGH abgelöst werden kann, der auf Grund der darin gestellten neun präzisen Fragen den Begriff des „öffentlichen Auftrags“ möglicherweise end­gültig beantworten und damit den Gemeinden hoffentlich wieder eine verlässliche Grundlage für ihre Grundstücksgeschäfte mit Entwicklungszielen geben wird. Andernfalls steht zu befürchten, dass sich bei Fortsetzung der zitierten Recht­sprechung weitere städtebauliche Instrumente, wie beispielsweise die Vereinba­rungen mit den privaten Initiativen zur Stadtentwicklung nach §§ 171f. BauGB, die Sanierungs- und Entwicklungsträgervereinbarungen nach §§ 159, 167 BauGB, sowie die Erschließungsverträge als nicht länger „vergaberechtsfrei“ erweisen könnten. Erschließungsverträge hatte schon der EuGH in seinem Urteil vom 12. 7. 200122 als öffentliche Bauaufträge bewertet.

Betrachtet man den bunten „Flickenteppich“ der zitierten uneinheitlichen Rechtspre­chung, der bisher noch nicht durch eine Divergenzvorlage nach § 124 II GWB oder durch ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 III EG an den EuGH endgültig entschieden werden konnte23, genauer, ergeben sich die im Folgenden darzu­stellen­den einfachen Erkenntnisse.

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Hinweis: Die Quellenangaben finden Sie in Teil V [1]