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Symptome der Macht • Teil XXXIV: Einbindung von Verbänden zum Thema Inklusion nur bei „Wohlverhalten“? • Felix Heinrichs (SPD) entfernt sich vom eigenen Kommunalwahlprogramm

[07-03-2016] Solange Bürgerinitiativen, Vereine, Verbände und Nicht-Partei-Organisationen sich aus kommunalpolitischen Diskursen heraushalten oder sich nicht mit kritischen Äußerungen öffentlich zu Wort melden, sind sie gerne gesehene Gesprächspartner von Mitgliedern der Mehrheitsfraktionen.

Sobald jedoch Kritik laut wird oder Positionen bezogen werden, die nicht genehm sind, sprechen sie den Bürgern sofort wieder das Recht ab, sich aktiv einzubringen.

So geschehen beispielsweise, nachdem sich ein speziell eingesetzter Fach-Arbeitskreis u.a. bestehend aus IHK, Einzelhandelsverband, Mobilitäts- und Behindertenverbänden und  Citymanagement für den uneingeschränkten Busverkehr in der Hindenburgstraße ausgesprochen hatte.

In einer Presseerklärung der CDU hieß es u.a. „…Richtigerweise sieht das Kommunalrecht vor, dass die Grundlinien der Politik in unserer Stadt nur von den gewählten Mandatsträgern bestimmt werden, die durch die Bürger einen entsprechenden Auftrag auf Zeit erhalten haben. … Derartige Entscheidungen gehören nicht ins Hinterzimmer“.

Abgesehen davon, dass die Teilnehmer des Fach-Arbeitskreises zu einer gleichlautenden Einschätzung kamen und dort natürlich keine politischen Entscheidungen getroffen wurden, scheint die Haltung von Kommunalpolitikern unter dem Motto zu stehen: ‚Ihr habt uns für fünf Jahre gewählt, jetzt können wir tun und lassen was wir wollen!‘

Mit diesem Statement war die CDU Giesenkirchen in Zeiten der Bürgerinitiative „Giesenkirchen 2015“ mehr als unangenehm aufgefallen.

Dieses Motto ewig gestriger, machttrunkener Politiker scheint fröhliche Urständ zu feiern, so es denn überhaupt einmal aus den Politikerköpfen verschwunden gewesen sein sollte.

Zumindest distanzierte sich seinerzeit die SPD von solchen Äußerungen.

‚Nur nicht in (unsere) Politik einmischen‘ ist denn auch der Hinweis an Bürger, die deutlich und nachdrücklich ihre Meinung zu bestimmten Themen zum Ausdruck bringen und dann auch noch konstruktive Vorschläge unterbreiten.

Im deutlichen Gegensatz dazu die mittlerweile zur Floskel verkommene Äußerung „Wir müssen/wollen die Bürger mitnehmen“.

Jüngstes Beispiel dazu lieferte der SPD-Fraktionsvorsitzende und ehemalige Student der Geschichts- und Politikwissenschaften Felix Heinrichs im Rat, als er sich als einziger aus der GroKo zum Antrag der Grünen zum Thema Inklusion und Barrierefreiheit zu Wort meldete.

Seine Beurteilung, dass die Diskussion in den vorangegangenen Gremien „etwas aus den Fugen geraten“ sei, war dabei nur die halbe Wahrheit, waren doch er und die GroKo maßgeblich daran beteiligt, vielleicht sogar Verursacher.

Mit seinem „Glauben“, dass es Menschen gebe, die über Inklusion und Barrierefreiheit in Mönchengladbach „Politik machen wollen‘ meinte er vermutlich die örtlichen Vertreter des Sozialverbandes VdK.

Diese Vermutung wurde spätestens durch seinen Hinweis deutlich, es sei „ein ganz bestimmter Verband“ gewesen, der dieses Thema öffentlich gemacht habe..

An dieser Stelle ist sekundär, auf welche Details Heinrichs in seinen Einlassungen im Rat inhaltlich noch einmal einging.

Primär fällt auf, wie er „Politik machen“ einzuordnen scheint, nämlich als Privileg gewählter (Kommunal-)Politiker.

Vor allem dann, wenn sich Bürger und Interessenvertreter aktiv „einmischen“, was manche Politiker, trotz permanentem Wiederholens des hohen Liedes auf die Demokratie, als mindestens unangemessen einstufen.

Daran, was unter Politik zu verstehen ist, sollte man einen „Master of Arts“ (MA) der Politikwissenschaften nicht erinnern müssen.

Dazu ist bei Wikipedia u.a. nachzulesen:

„Sehr allgemein kann jegliche Einflussnahme, Gestaltung und Durchsetzung von Forderungen und Zielen in privaten oder öffentlichen Bereichen als Politik bezeichnet werden.

Zumeist bezieht sich der Begriff nicht auf das Private, sondern auf die Öffentlichkeit [1] und das Gemeinwesen im Ganzen.

Dann können das öffentliche Leben der Bürger, Handlungen und Bestrebungen zur Führung des Gemeinwesens nach innen und außen sowie Willensbildung und Entscheidungsfindung über Angelegenheiten des Gemeinwesens als Politik beschrieben werden.“ (Zitat Ende)

https://de.wikipedia.org/wiki/Politik [2]

Zur Politik gehört auch, den Wählern vor der Wahl in Programmen zu verdeutlichen, für welche Inhalte eine Partei steht.

So auch das SPD-Kommunalwahlprogramm 2014, an dem Heinrichs maßgeblich mitgearbeitet hat. [3]

Darin heißt es zum Thema Inklusion u.a.:

„Wer bei der Umsetzung der Inklusion nur die Kosten in den Vordergrund stellt, verkennt die insbesondere kommunalen Potentiale, die durch die weitgehende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen freigesetzt werden können. … Darüber hinaus ist die Kommune gefordert, einen kommunalen Inklusionsplan zu erstellen, welcher als Richtschnur klar die notwendigen Umsetzungsschritte und Ziele in den einzelnen lokalen Praxisfeldern beschreibt.

Ein solcher kommunaler Inklusionsplan schafft Handlungs-und Planungssicherheit. Dabei gilt der Grundsatz Betroffene zu Beteiligten zumachen.“ (Zitat Ende)

Dass Betroffene sich durch Interessenverbände vertreten lassen, ist ein ebenso politischer Vorgang wie der, dass diese Verbände sich in die Politik einmischen.

Nichts anderes als die zitierte Passage aus dem SPD-Kommunalwahlprogramm 2014, nämlich „Handlungs- und Planungssicherheit“ schaffen, intendierten die Grünen durch ihren Antrag mit entsprechend konkreten Beispielen und auch die FDP durch ihren Initiativantrag in der Ratssitzung am 01.03.2016.

Die GroKo und damit auch die SPD wollen dies ganz offensichtlich nicht, was sie durch die Ablehnung beider Anträge deutlich zum Ausdruck brachten.

Mehr noch: Heinrichs möchte am liebsten die ganze „Angelegenheit“ Inklusion und die Diskussionen darum „einfach einmal weglegen und beiseite packen“, wie er sich ausdrückte, was den Eindruck erhärtete, dass die SPD Inklusion nicht mehr vorrangig behandelt sehen möchte.

Damit entfernt sich die SPD nicht nur von ihrem „Kommunalwahlprogramm 2014“ sondern auch von anderen ähnlich lautenden Positionierungen zu den „Wahlprüfsteinen“ des VdK Mönchengladbach:

Frage: „Auf welche Weise sollen Ihrer Meinung nach die Mönchengladbacher Menschen mit Behinderungen und ihre Interessenvertretungen in die Entwicklung einer Strategie zur Umsetzung der UN-BRK einbezogen werden?“

Antwort der SPD: „Die Lösung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Inklusion kann nur in Kooperation mit den Betroffenen gelingen.

Dabei ist es uns wichtig, Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Um eine Einbindung sicher zu stellen, verstehen wir die Inklusionsbeauftragte als Verbindungsstelle zwischen den einzelnen Verbänden und der Politik/der Verwaltung.

Die Einbindung muss vor allem im Rahmen der Erarbeitung eines Aktionsplanes geschehen. Hier stellen wir uns einen beteiligungsorientierten Prozess vor.“ (Zitat Ende)

 

Was das Demokratieverständnis anbelangt:

War es nicht der SPD-Kanzler Willy Brandt, der in seiner Regierungserklärung am 28.10.1969 forderte mehr Demokratie zu wagen?

Vielleicht ist das für einen jungen Sozialdemokraten, nicht mehr en vogue, der sich, dank Zugehörigkeit zu einer GroKo mit der CDU, in der Rolle dessen sieht, der nun glaubt vor allem auf Steuerungsansprüche zu setzen als auf das Partizipationsversprechen, das sich die SPD vor der Wahl im Hinblick auf Inklusion als „beteiligungsorientierten Prozess“ vorstellte.