Giesenkirchen 2015: Was passiert mit den Unterschriften?

Hauptredaktion [ - Uhr]

Der Griff nach den DatenUnsere Redaktion hat zu diesem Thema mit folgendem Ergebnis recherchiert: Grundsätzlich kennt die Gemeindeordnung Bürgerbegehren nur gegen Verwaltungsverfahren und nicht gegen Personen. Beteiligte daran im rechtlichen Sinne sind die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens und die Verwaltung und nicht irgendwelche Politiker – selbst, wenn sie Bezirksvorsteher sind.

Daher enthält die Gemeindeordnung auch keine Vorschriften dazu, dass „politische Gegner“ Akteneinsicht in die Unterschriftenlisten erhalten können.

Das Gesetz schreibt vor, dass die Angaben auf den Unterschriftenlisten „von der Gemeinde“ geprüft werden. Hiermit ist zunächst die Gemeinde als Ganzes gemeint.

In Mönchengladbach wurde zur konkreten Aufgabenverteilung eine lokale Satzung erlassen.

Diese „Satzung der Stadt Mönchengladbach über die Durchführung von Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden vom 3. November 2005″ überträgt gem. § 13 die Prüfung der Unterschriften ausschließlich der Verwaltung. Das ist auch aus praktischen Gründen sinnvoll, weil nur die Verwaltung (z.B. das Wahlamt) überprüfen kann, ob die Unterschriften des Bürgerbegehrens von wahlberechtigten Bürgern stammen.

Für die politischen Gremien, einschließlich Bezirksvorsteher, ist von der Systematik des Gesetzes her nicht die einzelne Unterschrift von Interesse, sondern das Ergebnis der Überprüfung durch die Verwaltung.

Daher besteht weder ein sachliche Notwendigkeit, noch ein rechtlich begründeter Anspruch darauf, alle Unterschriften eines Bürgerbegehrens einzusehen. Auch die Rechtsvorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes werden dieser vollständigen Einsicht in die Unterschriftenlisten regelmäßig entgegenstehen.

Soweit zum laufenden Bürgerbegehren.

Und wie sieht das mit den Unterschriften, welche die Bürgerinitiative vorab am 13.08.2008 dem Oberbürgermeister übergeben hatte?

Da greift der Rechtsgedanke genau so, wie bei einem Bürgerbegehren. Der Schutz der persönlichen Daten der Unterzeichner ist grundsätzlich als besonders hoch einzustufen. Demnach dürfen sie auch nicht weitergegeben werden.

Vor diesem Hintergrund war es nur konsequent und damit absolut richtig, dass die Verwaltung Herrn Boss die Listen nicht zum Kopieren zur Verfügung gestellt hat.

Ob die Verwaltung ihm aber die Einsicht gewähren darf, sollte sie ebenfalls einer kritischen Prüfung unterziehen!

Denn persönliche Daten bleiben persönliche Daten und dabei macht es keinen Unterschied, ob sie im „förmlichen“ Verfahren eines Bürgerbegehrens oder im Vorfeld gegeben wurde.

Bleibt die Frage: Wozu will der Giesenkirchener Bezirksvorsteher Boss eine Kopie der Listen haben?

10 Kommentare zu “Giesenkirchen 2015: Was passiert mit den Unterschriften?”
  1. Die Redaktion hatte Frau Bechinger gebeten, angesichts der vielen neu hinzugekommenen Kommentare, sich dem sensiblen Thema noch einmal anzunehmen. Hier Ihre Antwort, wofür wir Ihr herzlich danken:

    Sehr geehrter Herr Wilms,

    aufgrund Ihrer Mail habe ich die Kommentare in der BZ gelesen – vielen Dank für Ihren Hinweis.

    Sie werden sicherlich verstehen, dass ich nicht auf jeden Kommentar eingehen kann. Dennoch ist es mir ein Anliegen, einige Aspekte nochmals klarzustellen:

    Die Norm des § 55 Abs. 2 GO regelt Ansprüche von Bezirksvorstehern.

    Der Oberbürgermeister hat hier kein Ermessen, das er ausüben kann, sondern ist verpflichtet, Akteneinsicht zu gewähren.

    Insbesondere der letzte Beitrag im Forum weist in diesem Zusammenhang ja zutreffend darauf hin, dass es hier um eine Einsichtnahme in Unterschriftenlisten geht, die im Vorfeld des lfd. Bürgerbegehrens eingereicht wurden.

    Zum Begriff der Datenverarbeitung darf ich auf die Legaldefinition des §3 des Landesdatenschutzgesetzes verweisen – mit Verarbeitung ist auch die Einsichtnahme in Unterlagen gemeint.

    Mit freundlichen Grüßen
    Annegret Bechinger

  2. also leute, das ist ja alles gut und schön, aber hier wird meist von unterschriftenlisten aus dem bürgerbegehren gesprochen.

    wenn ich bisher alles richtig verstanden habe, geht es ja gar nicht um die unterschriften, die noch gesammelt werden (die diskussion kommt vielleicht später).

    es geht darum, ob boss die unterschriften, die vor dem start des bürgerbegehrens, nämlich im august dem ob übergeben wurden, einsehen darf, was ich nach wie vor bezweifle.

    und der sicherlich interessante hinweis von georg arnold trifft es auch nicht (sorry), denn bayern ist nicht nrw, und bei denen gehen bekanntlich die uhren anders. da liegt ja auch, wenn ich mich erinnere, die %-hürde für ein bürgerbegehren niedriger als hier.

    aber wie gesagt: das giesenkirchener „problem“ ist (neben boss 🙂 ) die unterschriftenliste aus dem august.

  3. @Kritiker
    @guenter41199

    Die Redaktion wird momentan den Landesdatenschutzbeauftragten nicht anschreiben, um der „zuständigen“ Verwaltung die Möglichkeit zu geben, unter Berücksichtigung Ihrer Sichtweisen die Angelegenheit erneut zu prüfen.

    Eine diesbezügliche Mail an Frau Bechinger ist unterwegs.

  4. Es muss doch da auch eine andere Reglung diese Sache betreffend geben.

    Als Beispiel habe ich in der Satzung zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden der Stadt Fürstenfeldbruck (aufgrund des Art. 23 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern 1998/1999) unter § 6 Datenschutz folgendes gefunden:

    (1) Die Stadtverwaltung wertet die Unterschriftenlisten nur insoweit aus, als dies zur Feststellung der erforderlichen Unterschriftenzahl nach Art. 18a Abs. 6 GO notwendig ist.

    (2) Eine darüber hinausgehende Datennutzung ist unzulässig. Die persönlichen Angaben dürfen insbesondere nicht an unberechtigte Dritte weitergegeben werden. Sie sind vor Einsichtnahme unbefugter Dritter zu schützen.

    Zu lesen unter: http://www.fuerstenfeldbruck.de/ffb/web.nsf/gfx/7BAE7627AE3BB877C12572480028C802/$file/240%20B%C3%BCrgerbegehren-%20B%C3%BCrgerentscheidssatzung.pdf

  5. http://www.im.nrw.de/bue/doks/26go_neu.pdf

    Gem. § 26, Abs. 9, Gemeindeordnung, können in kreisfreien Städten Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in einem Stadtbezirk durchgeführt werden, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, für welche die Bezirksvertretung zuständig ist.

    Dann hätte der Bezirksvorsteher auch das Recht die Listen einzusehen.

    Im Fall ‚Giesenkirchen 2015‘ handelt es sich um eine Angelegenheit des Rates. Das aktuelle Bürgerbegehren richtet sich somit gegen den Rat der Stadt MG. Damit ist die BV außen vor.

    Hr. Boss darf damit m. E. keine Einsicht gewährt werden.

    Die Idee, den Datenschutzbeauftragten NRW einzubinden, finde ich gut.

    Wird die bz-mg ihn anschreiben? – Die BI sollte es unbedingt tun!

  6. Frau Bechinger schreibt:

    § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. A) des Landesdatenschutzgesetzes NRW regelt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten (nur) zulässig ist, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt.

    Mich interessiert hier besonders die Definition von „Verarbeitung“.

    Das hört sich so an, als ob Boss die Daten wie eine Werbeagentur verarbeiten, also weiternutzen darf.

    Wie mag Frau Bechinger das wohl werten?

    Ihre Ansicht dazu würde mich schon sehr interessieren.

    Da sollte die BZ doch bitteschön mal nachfragen, auch was ein Landesbeauftragter für Datenschutz zu dem Thema sagt.

  7. ist ja komisch: da gibt es ein datenschutzgesetz, datenschutzbeauftragte und alles mögliche in diese richtung und da kann ein simples anderes gesetzt diese elementaren bürgerrechte außer kraft setzen.

    das müsste man doch mal gegenprüfen.

    besonders wäre interessant in welcher reihenfolge welche gesetze durch welche anderen gesetze oder verordnung außer kraft gesetzt werden können. das scheint ja ein wirrwar zu sein, durch das selbst juristen nicht weiter kommen.

    klar ist, dass der ob und seine juristin sich nur auf die geltende rechtslage beziehen kann. aber ob die „brügerfreundlich“ ist, steht auf einem anderen blatt.

    im fall 2015 scheint mit die interpretation auf jeden fall nicht schlüssig, denn der gehört nicht zum „aufgabenbereich“ von boss, weil die planerische zuständigkeit nicht beim bezirksvorsitzenden sondern beim rat liegt, auch wenn boss auch in diesem fall wieder einmal „so tut als ob“.

    schliesslich hat ja auch der rat verbindliche beschlüsse gefasst, egal, ob man die akzeptiert oder nicht.

    und schliesslich richtet sich das bürgerbegehren ja auch nicht beschlüsse der bezirksvertretung, sondern gegen den beschluss des gemeinderates, als zuständige instanz.

    da die angelegenheit also nicht zum aufgabenbereich des bezirksvorstehers boss gehört, darf er auch die listen nicht einsehen.

    so einfach ist das!

  8. Auf Initiative unserer Redaktion hat OB Norbert Bude die rechtliche Situation zur Einsichtnahme von Bezirksvorsteher Boss in die Listen vom 13.08.2008 prüfen lassen. Hier die Antwort:

    Sehr geehrter Herr Wilms,

    haben Sie vielen Dank für Ihre Mail an Herrn Oberbürgermeister Norbert Bude, der mich gebeten hat, Ihnen im nachfolgenden Sinne zu antworten:

    Sie regen an, die Herrn Bezirksvorsteher Boss eingeräumte Möglichkeit der Einsichtnahme in die Unterschriftenlisten rechtlich zu prüfen.

    Ich habe diese Prüfung vorgenommen und – unter Einbeziehung der von Ihnen angegeben Links mich auch mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten abgestimmt.

    § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. A) des Landesdatenschutzgesetzes NRW regelt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten (nur) zulässig ist, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt.

    Um eine solche „andere Rechtsvorschrift“ handelt es sich bei § 55 Abs. 2 der Gemeindeordnung NRW, wonach Bezirksvorsteher vom Bürgermeister jederzeit Auskunft und Akteneinsicht über Angelegenheiten verlangen können, die zum Aufgabenbereich ihrer Bezirksvertretung gehören.

    Da Herr Boss in seiner Funktion als Bezirksvorsteher die Einsichtnahme begehrt hat, ist diese Vorschrift einschlägig. Er hat somit einen Anspruch auf die Einsichtnahme; in der hiesigen Praxis werden im Rahmen einer Akteneinsicht Kopien allerdings nicht ausgehändigt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Annegret Bechinger
    Stadtrechtsdirektorin

  9. ne menge fragen, aber alle logisch und nötig, besonders, wenn man das bisherige boss’sche verhalten berücksichtigt:

    erst will er gar nichts mit giesenkirchen 2015 zu tun gehabt haben,

    dann weicht er konkreten fragen aus und will den planersteller nicht nennen,

    dann steht genau der auf den plänen,

    dann sieht boss sich als nicht befangen,

    dann meldet er sich „vorsorglich“ doch als befangen,

    dann spannt er seinen parteifreund peeters ein, damit der listen der bürgerinitiative verschwinden lässt und

    dann versucht er auch noch die namen der kritischen giesenkirchener in erfahrung zu bringen, um so genau diese einzuschüchtern und

    dann müssen noch einmal die cdu-parteifreunde peeters (installateur) und esser (gartencenter lenders) ran, um das auslegen der neuen listen zu verhindern.

    also wissen sie, herr boss, wenn das nicht gegen himmel stinkt, dann weiss ich es nicht mehr. aber vielleicht löst sich das ganze ja auf, wenn sie die quittung für ihre vielen „danns“ kriegen, nämlich „dann, wenn cdu-chef post sie zurückpfeifft oder spätestens „dann, wenn sie bei der kommunalwahl in giesenkirchen insgesamt schiffbruch erleiden.

    aber vielleicht sind sie doch so selbstkritisch und ziehen sich ganz aus der giesenkirchener politik zurück. richtig glauben wird das kaum einer aber hoffen kann man ja.

    so bleibt auch zu hoffen, dass die giesenkirchener und viele andere gladbacher „jetzt erst recht unterschreiben, denn – obwohl die fragen von guenter41199 schon ängstlich machen könnten, da sollte man schon auf das gesunde rechtsempfinden des ob zählen.

    ich jedenfalls bin da guten mutes und hab ne liste runtergeladen und sammle jetzt – obwohl nicht giesenkirchener – auch fleissig unterschriften.

    also ran an die listen!

  10. Liebe Redaktion der BZMG,

    Ihre Recherche ist ausgezeichnet. Auch die Schlussfolgerung bezüglich der Einsicht Dritter (in diesem Fall Hr. Boss) in Bezug auf den Datenschutz ist nachvollziehbar. Mit der Prüfung der Unterschriftenlisten ist ausschließlich die Stadtverwaltung beauftragt.

    Die Vorablisten wurden dem OB von MG, Hr. Bude, übergeben, nicht Hr. Boss als Bezirksvorsteher.

    Hätte die BI gewollt, dass der Bezirksvorsteher die Listen und damit Kenntnis der Unterzeichner erhält, wären ihm die Listen übergeben worden.

    Der OB ist in diesem Fall aus Datenschutzgründen m.E. gehalten, dem Bezirksvorsteher keine Einsichtnahme zu gewähren. Soll der Bezirksvorsteher doch auf Einsichtnahme klagen.

    Dann Ihre Frage: „Wozu will der Giesenkirchener Bezirksvorsteher Boss eine Kopie der Listen haben?“

    Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt:

    Ist ein Unterzeichner Mitglied der CDU (oder auch der FDP)?

    Ist ein Unterzeichner Mitglied im Werbekreis Giesenkirchen?

    Ist ein Unterzeichner Geschäftsmann in Giesenkirchen?

    Bewohnt ein Unterzeichner eine Kreisbauwohnung?

    Bezieht der Unterzeichner irgendwelche Leistungen von der CDU (z. B. für Werbung)?

    Bezieht der Unterzeichner irgendwelche Leistungen von der Stadt, Arge … ?

    Ist der Unterzeichner oder sind dessen Kinder Mitglied in einem Giesenkirchener (Sport-)Verein?

    Ich will niemandem etwas unterstellen! Jedoch sind die Möglichkeiten Druck auszuüben fast unbegrenzt.

    Im Berufsleben würde man da von Mobbing sprechen (Wikipedia: von englisch to mob = „anpöbeln, angreifen, bedrängen, über jemanden herfallen“). Wie gesagt, ich will Hr. Boss nichts unterstellen!

    Wie beten wir Christen: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Ein Grundsatz, an den ein Christ-Demokrat sich eigentlich halten sollte!

    Wie geht es nun weiter, wenn die Stadtverwaltung die Listen geprüft hat und zu der Schlussfolgerung kommt, das Bürgerbegehren ist berechtigt und alle Formalitäten sind eingehalten sowie die erforderlichen Unterschriften sind vorhanden?

    In öffentlicher Sitzung stimmt der Rat darüber ab, ob er das Bürgerbegehren für zulässig hält oder nicht. Zuvor dürfen die Organisatoren ihren Standpunkt erläutern. Die Zulässigkeitsentscheidung über ein Bürgerbegehren in einem Stadtbezirk trifft der Rat, nicht die Bezirksvertretung. Erkennt der Rat die Zulässigkeit nicht an, können die Vertretungsberechtigten dagegen vorgehen.

    Einzelheiten können hier nachgelesen werden: http://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/md/pdf/buergerentscheid/nordrhein-westfalen/leitfaden-bb-nrw.pdf

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