VEP: Schreiner oder Zimmer­leute sind gefragt [mit O-Ton Krichel-Mäurer und Sasserath]

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

bzmg-brett02-ampel„Wir müssen dicke Bretter bohren“. Das ist der wohl der Satz, der innerhalb der Mönchengladbacher Ampel-Kooperation momentan am häufigsten benutzt wird und den man hört, wenn man mit deren Protagonisten spricht.

Wer oder was nun das dickste Brett ist, steht noch nicht richtig fest. Eines zeichnet sich jedoch ab: dazu gehört Verkehrentwicklungsplan (VEP), oder besser gesagt, der „Entwurf des VEP-Zielkonzeptes“.

Unzufriedene Bürger, verunsicherte Verkehrsplaner, unschlüssiger Ampel-Politiker. So stellt sich Beobachtern die aktuelle Situation dar … aber auch den Oppositionspolitikern der CDU.

In der Sitzung der Bezirksvertretung Nord am 03.02.2010 fassten sie beim Tagesordnungspunkt „Bericht über den Runden Tisch Schürenweg“ clever die Gelegenheit beim Schopfe und stellten den Antrag, testweise auf dem Straßenzug Nicodem- bis Bergstraße eine 30 km/h-Beschränkung einzurichten.

So hebelt man mit einem spontanen Antrag eine Mehrheit aus, die sich erkennbar im Thema nicht einig ist. Denn in der Kooperationsvereinbarung hatten SPD, FDP und Grüne in Zeile 864 vereinbart, „in allen Gremien einheitlich abzustimmen“.

Offensichtlich waren die Kooperationspartner nicht in der Lage, sich zu einer einheitlichen Meinung durchzuringen. Und haben sich daher enthalten (müssen). Pikanterie am Rande: Mit der CDU stimmte DIE LINKE. Das geht also auch in Mönchengladbach. So hatte eine Minderheit plötzlich die Mehrheit.

Dass ein gerüttelt Maß an CDU-Opportunismus dabei war, war unschwer zu erkennen. Zeigte sich die CDU doch bislang absoluter Gegner eben dieser 30 km/h-Beschränkung und vertrat dabei die Auffassung der Straßenverkehrsbehörde.

Das Ganze scheint aber auch ein Indiz zu sein für die offensichtlich uneinige Ampel-Kooperation in Fragen des VEP.

Natürlich kann auch eine Rolle spielen, dass die Stelle des Bau- und Planungsdezernenten länger unbesetzt war und der Fachbereich Verkehrsplanung chronisch unterbesetzt ist.

Hochwahrscheinlicher Grund für die Unentschiedenheit der Ampel ist aber auch wohl eher dieser Satz der Kooperationsvereinbarung (Zeile 576): „Die Gestaltungsmehrheit ist sich einig, den Verkehrsentwicklungsplan (VEP) mit hoher Priorität zu beraten und im ersten Halbjahr 2010 zu verabschieden.“

Warum diese Hast? Denn jetzt hätte die Ampel gerade mal noch drei Monate Zeit, wollte sie dieses Zeitziel einhalten. Eine kurzfristige Verabschiedung dürfte kaum noch gelingen.

Dies vor allem deshalb, weil den bisherigen Arbeiten der Verkehrsplaner keine wirklichen politischen Zielsetzungen zugrunde liegen.

Vielmehr wurde bislang auf die Optimierung des Status Quo gesetzt; Vorgaben hinsichtlich einer Anpassung des Modal-Splits an ökologische Erfordernisse, demografische und wirtschaftliche Entwicklungen wurden nicht gemacht.

Dies kann man der Ampel nicht ankreiden, begannen die Arbeiten doch in der Zeit der CDU/FDP-Mehrheit.

Die Kooperationsvereinbarung lässt auch erkennen, dass man sich nicht darauf verständigen konnte, wie sich beispielsweise Radverkehr, ÖPNV und motorisierter Individualverkehr (MIV) in Mönchengladbach zukünftig entwickeln soll und ganz offensichtlich die FDP sich hier als Hemmschuh erwies.

Ein Defizit, das der Ampel schnell „auf die Füße fallen“ könnte.

Diesen Eindruck konnten auch die BZMG-Gesprächspartner gewinnen, die Herman-Josef Krichel-Mäurer (SPD) und Karl Sasserath (Grüne) am Rande der ersten Interviews mit den alten/neuen Bezirksvorstehern führten.

Zum Zeitplan des VEP sagte Krichel-Mäurer am 04.02.2010 u.a.:

„Wir sind auf einer Gratwanderung, weil das Thema VEP die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt schon seit ungefähr 25 Jahren quält. … Ich sehe die Ungeduld der Bürger, dass sie endlich ein Ergebnis sehen wollen. Das andere ist, dass … in den letzten Jahren auch für die Fachleute Denkverbote bestanden haben, so dass wir uns keinen Gefallen tun, das Ganze übers Knie zu brechen.

Wir werden im Herbst in den nächsten Beratungszug gehen. Ob das dann schon die Reife hat, dass wir etwas Endgültiges verabschieden können, kann ich im Moment nicht beantworten.“

Auf Nachfrage erklärte Krichel-Mäurer, dass das Thema VEP in eine breite Bürgerbeteiligung gehöre. Die mangelnde Akzeptanz der derzeitigen Verkehrsplanung habe etwas damit zu tun, dass man in der jüngsten Vergangenheit Bürger, die sich beteiligen wollten, als Störenfriede – früher als „Aufstand der Gartenzwerge“ – betrachte habe.

Zur Frage, ob Politik nicht fahrlässig handeln würde, wenn sie versuchen würde, den VEP noch in diesem Jahr „durchzuboxen“, antwortete Krichel-Mäurer: „Es wird ohnehin schwierig werden. Dennoch müssen wir die Gratwanderung hinbekommen … Wir werden möglicherweise zu Zwischenschritten kommen müssen …“

Den VEP-bezogenen Teil des Interviews mit Krichel-Mäurer hören Sie hier [ca. 15 Min]:

[audio:10-02-03-interview-krichel-maurerer-ausschnitt-vep.mp3]

Im Interview am 10.02.2010 attestierte Karl Sasserath (Grüne) den Stadtplanern Jürgen Beckmann und Jörg Clages, dass mit ihnen erstmals in Mönchengladbach der Versuch unternommen worden sei, wirkliche Verkehrsplanung zu betreiben. Das habe es vorher über Jahrzehnte nicht gegeben.

Die Frage nach konkreten (Werte-)Vorgaben für die Verwaltung durch die Politik, damit erforderliche Variantenvergleiche angestellt werden können, antwortete Sasserath:

„… Im Moment ist es meiner Ansicht nach so, dass es innerhalb der Ampel verschiedene Vorstellungen gibt. Die einen sagen, ‚Solange der Verkehrsentwicklungsplan nicht verabschiedet worden ist, packen wir nichts an‘. Oder aber: ‚Es läuft uns alles weg, wenn wir den VEP nicht verabschieden„, oder ‚Wenn wir der einen Initiative entgegenkommen, dann leisten wir dazu Vorschub, dass an allen Ecken und Kanten der Stadt andere Initiativen entstehen‚. Das ist zum Beispiel die Position der FDP.

Daneben gibt es die Position von SPD und Grünen, die einen andern Ansatz vertreten.

Das hat man bei der Abstimmung zum Schürenweg gesehen. Der Antrag, der von der CDU gestellt wurde …, war ein Antrag, der identisch war mit dem, was SPD und Grüne entwickelt hatten. Die FDP hat aufgrund ihrer Haltung gesagt, ‚diesen Antrag können wir nicht unterstützen‘.“

Sasserath weiter: „Wenn man eine Verkehrswende in Mönchengladbach erreichen will … geht das nur mittelfristig über einen längeren Zeitraum … indem man sagt, im Rahmen der Ratsperiode will man eine Veränderung im Modal-Split … erreichen.“ Dies erfordere jedoch Mehrheiten in der Ampel und das sei innerhalb Ampel ein „dickes Brett“,

Es dürfe nicht dazu führen, dass die, die 20 Jahre lang den Stillstand in der Verkehrspolitik organisiert hätten, nun vielleicht als Motoren in der Änderung der Mönchengladbacher Verkehrspolitik auftreten könnten.

Auf die Nachfrage, ob der VEP noch in diesem Jahr verabschiedet werden müsse, wies Sasserath auf die Koalitionsvereinbarung hin und erklärte, es gäbe einen ambitionierten Fahrplan, wo man zurzeit dabei sei, einen Fahrplan für den politischen Beratungsprozess de VEP zu entwickeln.

Hier der Teil des BZMG-Interviews mit Karl Sasserath zum Thema VEP [ca. 12 Min]:

[audio:10-02-10-sasserath-interview-ausschnitt-vep.mp3]

Möglicherweise braucht es für die „dicken Bretter“ beim VEP ja nicht nur Zimmerleute oder Schreiner, sondern auch (Ampel-)„Architekten“, die das Gewerk verstehen.

Ein Kommentar zu “VEP: Schreiner oder Zimmer­leute sind gefragt [mit O-Ton Krichel-Mäurer und Sasserath]”
  1. Also wieder einmal Gelbphase.

    Was ist das für eine Haltung, die schon an Ignoranz grenzt?!

    Was heißt hier:

    „Wenn wir der einen Initiative entgegenkommen, dann leisten wir dazu Vorschub, dass an allen Ecken und Kanten der Stadt andere Initiativen entstehen‘. Das ist zum Beispiel die Position der FDP.“

    Warum ließ man es überhaupt so weit kommen?

    Wie wäre es gewesen, mal irgendwann anzufangen gegenzusteuern und nicht nur autofreundlich zu denken? Let it be! Man ist ja selbst nicht betroffen.

    Dass es dann irgendwann an allen Ecken und Kanten kracht, darf niemanden wundern. Man hat an einigen Stellen der Stadt regelrechte „Ruheräume“ geschaffen, die durch (fast) keinen Verkehr gestört werden.

    Grundsätzlich eine gute Sache – wenn es nicht massiv zu Lasten anderer (übrigens auch Steuerzahler und Bürger derselben Stadt) gegangen wäre. Hat man darüber im Vorfeld nie nachgedacht? Oder war es so gewollt?

    Dass sich in diesen ruhigen Bereichen Bürger wehren, wenn sie nun, was in einer Stadt auch als normal angesehen werden muß, mit etwas mehr Verkehr konfrontiert werden sollen, als es vorher war, ist doch vollkommen klar. Für diese ist schon allein die Zahl von 5.000 Fahrzeugen ein Drama – obwohl es keines ist.

    Mit der Politik/den Politikern der Vergangenheit, hätte ich in dieser Stadt auch nicht Stadtplaner sein wollen.

    Was ist das für eine Einstellung, die die FDP vertritt!? Liberal oder egal?

    Dafür wurden sie nicht gewählt. Solche Zustände können wir Bürger auch ohne Politik(er) schaffen.

    Müssen die betroffenen Bürger so etwas noch verstehen?

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