- BürgerZeitung für Mönchengladbach und Umland 1.0 - http://www.bz-mg.de -

Neubau Zentralbibliothek oder „Kollektiv der Zahlenjongleure“? – Teil III: Magie der Besucherzahlen und ausschweifender Argumentationen

[1]Eines der Hauptargu­mente für den geforderten Bibliotheks­neubau sind die Besucherzahlen, die für das Jahr 2011 mit 475.740 angegeben werden. Auf den ersten Blick eine eindrucksvolle Zahl. Das sind pro Tag 1.903 Besucher und pro Stunde 297.

Von diesen 475.740 Besuchern (Quelle: Deutsche Bibliotheksstatistik/DBS) sollen sich laut Berichtsvorlage 333/VIII vom 25.02.2010 überwiegend, nämlich 60%, aus verschiedensten Zwecken in der Bibliothek aufhalten.

Tatsächlich sind es aber 95%, nämlich (in 2011) 451.762, die sich „aus verschieden Gründen“ dort aufhalten.

Nur 5%, nämlich 23.978 Besucher leihen Bücher oder sonstige Medien tatsächlich aus.

Daraus ergibt sich die Frage: was machen die verbleibenden 35% der Besucher (laut Berichtsvorlage 333/VIII), die sozusagen auf magische Weise durch das Raster fallen?

Was motiviert 35% der „Besucher“, die nicht vor Ort lesen, recherchieren, Musik hören, Bücher ausleihen oder was auch immer, in die Bibliothek zu gehen?

Diese „magischen“ 166.509 Besucher, die ebenfalls als Argument für einen Neubau herangezogen werden, passen nämlich zu keinem, der auch in der Berichtsvorlage der Verwaltung erläuterten Argumente für einen Neubau.

Die DBS trennt Daten nicht nach verschiedenen Standorten, so dass daraus nicht abgeleitet werden kann, wie viele Besucher auf die Blücherstraße entfallen.

Somit fließen in die Daten aller vier Mönchengladbacher Bibliotheksstandorte (Zentralbibliothek Blücherstraße und die Stadtteilbibliotheken Rheydt, Rheindahlen und Giesenkirchen) ein.

Eine Anfrage bei der Stadt Mönchengladbach brachte ebenfalls keine Klarheit und keine Zahlen für die Blücherstraße, sondern lediglich den Hinweis auf die Deutsche Bibliotheksstatistik.

Telefonisch meinte man, dass die Fachverwaltung wichtigeres zu tun hätte, als BZMG-Excel-Dateien auszufüllen.

Dabei drängt sich die Frage auf: Kann oder will man keine transparenten Zahlen liefern?

Da die Daten für die Weitergabe an die DBS nicht vom Himmel fallen und mit Sicherheit weitere, vielleicht nur „interne“ Daten, erhoben werden, die nicht von der DBS abgefragt, für eigene Planungen aber unerlässlich sind, lässt dieses Verwaltungsverhalten einen breiten Raum für Spekulationen.

Gehören derartige Fragen, die aus der mangels Antworten „unvollendeten“ Excel-Tabelle ersichtlich sind, doch sicher zu denen, die für Planungen und politischen Entscheidungen von Bedeutung sind:

Verwunderlich ist, dass im Extra-Tipp“ vom 03.02.2013 detailliert über die Zahl von „mehr als 10.000“ Büchern berichtet wird, die Kinder anlässlich der „Leseförderung“ im Rahmen des Projektes „Sommer-Lese-Club“ in den vergangenen Sommerferien lasen.

Es konnte sogar mitgeteilt werden, dass fast 50% der Teilnehmer Jungen waren.

Auf der Seite „Eine Lobby für Utopia“, der Befürworter eines Bibliothekneubaus, findet sich der Punkt „Wussten Sie?“.

Hier wird zu den Besucherzahlen ausgeführt (Zitat): … dass die Stadtbibliothek Mönchengladbach die meistgenutzte Kultureinrichtung der Stadt ist? Allein die Zentralbibliothek besuchen täglich 1.000 Menschen, 60% von ihnen nutzen die Bibliothek vor Ort, sie leihen nichts aus und nutzen die Angebote im Hause.“ (Zitat Ende)

Dieser Aussage zufolge müssten logischerweise 40% der Besucher, also täglich 400 Personen die Ausleihe nutzen, was die wesentlich größere Zahl von 100.000 Entleihern allein an der Blücherstraße bedeuten würde.

Dem stehen lediglich 23.978 tatsächliche Entleiher in 2011 (gemäß DBS-Statistik) in allen städtischen Büchereien gegenüber. Diese Zahl wurde von der Verwaltung in die Statistik „transferiert“.

Dies entspricht der äußerst geringen Zahl von nur 5%.

Zur Frage, wie die Besucherzahlen zustande kommen, präsentiert Fachbereichsleiter Weyer nichts, sondern nur immer wieder diese falschen Zahlen:

„Regelmäßige Zählungen bestätigen, dass 60% der Besucher keine Ausleihe tätigen, sondern die Bibliothek vor Ort nutzen, sich in der Bibliothek aufhalten, lesend verweilen, recherchieren, Informationen elektronisch abrufen, gemeinsam Referate bearbeiten, Familienforschung betreiben, historische Zeitungsbände einsehen
u. v. m.“ (Zitat Ende)

Nicht überraschend ist die Deckungsgleicheit der Zahlen bei „Utopia“ und der Weyerschen Berichtsvorlage.

Die Ampel hat diese Zahlen nie hinterfragt.

Wie aus der Ampel zu hören war, hat man der Verwaltung geglaubt, ohne auch nur im Ansatz die Zahlen und die ausschweifenden, seitenlangen Angaben der Berichtsvorlage vom 25.02.2010 geprüft oder auch nur hinterfragt zu haben.

Die Politik ist dem Kulturdezernenten Dr. Gert Fischer (CDU) und seinem Fachbereichsleiter Guido Weyer ganz offensichtlich „aufgesessen“.

Dass dies so geschehen konnte ist nur damit zu erklären, dass zumindest die Ampelpartner die Bibliothek an der Blücherstraße in keinster Weise (mehr) interessiert.

Zu keinem Zeitpunkt hatte die Ampel auch nur im Ansatz die Idee, diesen Standort (mit oder ohne Erweiterung) zu prüfen bzw. von unabhängigen Fachleuten, vielleicht mit dem Ziel einer „Ertüchtigung“ prüfen zu lassen.

Stattdessen haben Ampel-Protagonisten den Sanierungsbedarf gerne als Anlass (und als Vehikel) genommen, um, dank von der Verwaltung gelieferter und als vermeintlich hinreichend angesehener Argumente, ihre zwanghafte Idee, eines Bibliotheksneubaues umzusetzen.