Klage gegen Abfallgebühren • Teil III: Einrechnung der „Einmalkosten“ für so genanntes Müllbehälter-„Ident-System“ in Abfallgebühren unzulässig • Nicole Finger (FDP): „System ist nutzlos … und kostet nur Geld“ • Schlegelmilch, Heinrichs, Teufel & Co. und der Dreisatz

Bernhard Wilms [ - Uhr]

[06.09.2015] Nach einschlägigen Gesetzen und Rechtssprechungen dürfen Gebührenzahlern nur die Kosten in Rechnung gestellt werden, die auf Grund individuell zurechenbarer Leistungen entstanden sind.

Auf diesen Grundsatz bezog sich die gegen die Stadt Mönchengladbach klagende Eigentümergemeinschaft in ihrer Klagebegründung, die unserer Redaktion vorliegt.

In der Kalkulation der Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 2015 wurden unter der Position „Behälter-Ident-System“ so genannte „Einmalkosten“ in Höhe von 518.903 EURO in Ansatz gebracht.

Mit „System“ sollen Bio- und Papiertonnen ausgestattet/nachgerüstet werden.

Diese beiden Tonnen-Arten (Bio = braun und Papier = blau) werden den Hauseigentümern und damit auch deren Mietern gebührenfrei zur Verfügung gestellt.

Welchen Nutzen dieses Behälter-Ident-System für die Gebührenzahler haben soll, war aus der Beratungsvorlage 455/IX vom 28.11.2014 nicht ersichtlich.

Es handelt sich also offensichtlich nicht nur um eine „Nice-to-have-Maßnahme“ ohne Nutzen für den Gebührenzahler, sondern fachlich anerkanntermaßen um das teuerste Erfassungssystem, das unnötige Kosten produziert, wie eindringlich die Praxis in der überwiegenden Mehrheit der Kommunen in NRW zeigt.

Das bestätigte auch Nicole Finger (FDP), Geschäftsführerin des Mönchengladbacher Entsorgers Drekopf in einem kürzlich in der RP veröffentlichen Interview:

„Ein solches System steht dem Grundsatz des Gebotes von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zuwider. Es für die blauen und braunen Tonnen, die ja quasi kostenneutral durchgeschoben werden, einzuführen, ist sinnlos, kostet aber Geld.“ (Zitat Ende)

   http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/wichtig-ist-ein-umbau-der-sozialstruktur-aid-1.5299683

Auf Nachfrage unserer Zeitung bei der Stadt im Januar 2015, welchen Nutzen dieses Ident-System für die Bürger unmittelbar und mittelbar habe, erklärte Stadtsprecher Wolfgang Speen:

„Durch ein Ident-System können die Behälter genau einem Grundstück zugeordnet werden. D.h. werden Bio- oder Papiertonnen entwendet und an einer anderen Stelle zur Abfuhr bereitgestellt, so kann dies vor Ort vor der Entleerung ermittelt werden. Bio- und Papiertonnen, die sich am falschen Ort befinden, werden dann nicht mehr entleert. Damit entfällt dann auch ein Grund, diese zu entwenden.“ (Zitat Ende)

Die Frage: „Welchen Nachteil hätte es (für wen), wenn auf dieses System verzichtet würde?“ wurde so beantwortet: „Derzeit wird bei einem gemeldeten Verlust einer Bio- bzw. Papiertonne dem Melder eine Ersatztonne zur Verfügung gestellt. Die Kosten für die Ersatzstellung werden über die Unternehmervergütung der GEM auf alle Gebührenzahler umgelegt.“  (Zitat Ende)

Die sich daraus ergebende und am 12.01.2015 auch gestellte Frage, wie viele Tonnen in den letzten zwei Jahren entwendet und ersetzt werden mussten und welche Kosten dafür entstanden seien, konnte oder wollte Speen – trotz mehrfacher Nachfrage – bis zum heutigen Tage nicht beantworten.

In der vorigen Woche dann konnte man diese Zahl in einem RP-Artikel lesen, in dem das neue Ident-System in den höchsten Tönen gelobt wurde: Jährlich sollen 300 braune und/oder blaue Tonnen geklaut worden sein.

 http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/der-chip-fuer-die-muelltonne-aid-1.5343492

Im Internet kostet eine dieser Tonnen je 43,90 EURO, bei eBay würden sie sicherlich noch billiger zu bekommen sein. Auch dürfte die GEM vielleicht einen noch besseren Einkaufspreis erzielen können. Was bei Abnahme großer Mengen sogar sehr wahrscheinlich ist.

Unter Anwendung des zur allergemeinsten Bildung zählenden Dreisatzes – den auch promivierte Chemiker und andere „Groß-Kooperierende“ beherrschen dürften, ergeben sich bei 300 vermeintlich gestohlenen Tonnen Anschaffungskosten in Höhe von 13.170 EURO pro Jahr.

Für die von GEM, GroKo und Verwaltung in die Abfallgebühren für 2015 hineinlancierten 520.000 € könnten mehr als 39 Jahre lang Jahr für Jahr 300 solcher Tonnen „geklaut“ werden. Bei kostengünstigeren Tonnen (Abnahme großer Stückzahlen) noch länger.

Ob es die noch so lange gibt … also, bei Zugrundelegen vorstehender Berechnung, voraussichtlich bis 2053 oder gar länger?

Diese einfache Rechnung lässt den Eindruck entstehen, dass die Gebührenzahler durch CDU und SPD bewusst übervorteilt werden sollen; von „betrogen“ zu reden wäre an dieser Stelle nicht angebracht, weil ihnen dadurch keine unmittelbaren persönlichen Vorteile entstehen.

Die äußerst schwache „Diebstahlstheorie“ hätte vor dem Verwaltungsgericht jedenfalls kaum standgehalten.

Denn: Die Stadtjuristen hätten kaum belegen können, dass jedes Jahr wirklich 300 Tonnen gestohlen werden und dabei auch die Frage zu beantworten gehabt, wer solche Riesentonnen klaut und vor allem auch wie?

Diese stellt man sich nicht “mal eben“ in einen Kofferraum oder zieht sie geräuschvoll hinter sich her, indem man eine mal ebnen kurz „mitgehen“ lässt.

Zwischenfazit an dieser Stelle:

Die Stadt Mönchengladbach (Beklagte) hat dem Klagebegehren der Eigentümergemeinschaft (Klägerin) nur deshalb entsprochen und sich zur Übernahme der Kosten bereit erklärt, um einer Niederlage – vermutlich nicht nur beim Thema „Ident-System“ vor dem Verwaltungsgericht zu entgehen.

Ein Eigentümer aus der Eigentümergemeinschaft zu unserer Zeitung: „Es ist geradezu eine Unverschämtheit, dass Stadt und GEM dieses „Ident-System“ dennoch einführen wollen und damit nicht nur die Hauseigentümer und Mieter in dieser Stadt mit Tricksereien über den Tisch gezogen werden.“

Die Sauberkeitsoffensive als solche ist in dieser Stadt absolut richtig.

Dass es sich um ein populäres Thema handelt, mit dem gut zu punkten ist und sich politisch wunderbar im Eiltempo das Etikett des „Machers“ verpasst werden kann, dürfte auch jedem klar sein.

Es geht nicht darum der GroKo ihr Räppelchen zu nehmen, mit dem diese bei den Bürgern punkten will, weil bei Sauberkeit selbst die „dabei“ sind, die nicht zur Wahlgemeinde der beiden Kooperations-Partner gehören.

Es geht ausschließlich darum, dass den Bürgern etwas per Gebührenbescheid auferlegt und abverlangt wird, das mit großem Tam-Tam als großer Fortschritt verkauft wird aber vollkommen unnötig ist.

Der Gipfel dabei: dies auch noch klammheimlich ohne jegliche Transparenz mit der Aufforderung: zahlen Sie bitte bis spätestens …

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Foto Mülltonnen: Gabi Schoenemann | pixelio.de

3 Kommentare zu “
Klage gegen Abfallgebühren • Teil III: Einrechnung der „Einmalkosten“ für so genanntes Müllbehälter-„Ident-System“ in Abfallgebühren unzulässig • Nicole Finger (FDP): „System ist nutzlos … und kostet nur Geld“ • Schlegelmilch, Heinrichs, Teufel & Co. und der Dreisatz”
  1. @ M. Angenedt

    Sie schreiben: Die, die das verkaufen freuen sich jedenfalls ein Loch in den Bauch über ein gutes Geschäft.

    Logo. Wir Deppen zahlen doch dafür.

    Wozu? Vielen Dank für nix! Das ist eine Unverschämtheit!

    Sollen doch Schlegelmilch, Heinrichs und Teufel zahlen.

  2. @ Brummbär

    Och, da gibt es bestimmt den einen oder anderen, der daran verdient. Die übliche Frage: Cui bono?

    Die, die das verkaufen freuen sich jedenfalls ein Loch in den Bauch über ein gutes Geschäft.

  3. Was die Berechnung der Müllgebühren anbelangt könnte man glatt von einem Trio Infernale (Schlegelmilch, Heinrichs, Teufel) sprechen. Passend zum Namen.

    Die werden bestimmt sagen, dass die Verwaltung die Gebühren kalkuliert und berechnet hat.

    „Abgesegnet“ hat die aber die Politik.

    Drüber gesprochen wurde vorher bestimmt mal mit dieser.

    Sehen die wohl alle nicht so eng. Klar, wenn man genug Geld hat stören solche „Peanuts“ eben nicht.

    Wem nutzt dieses Identsystem bzw. wer wollte das unbedingt haben?

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