Perspektiven für Mönchenglad­bach – Teil VII: VEP und Verkehrssituation in Mönchengladbach [mit O-Ton]

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

bzmg-p1010686Der neue Mönchengladbacher Baudezernent Andreas Wurff sieht aus sachlichen Erwägungen heraus keine Chance, dass der VEP, wie bislang vorgesehen, noch in 2010 verabschiedet werden kann.

Es müssten noch zusätzliche Aspekte berücksichtigt werden, bevor der Entwurf in irgendeiner Form beschlussreif sei. Auch seien noch politische Entscheidungen hinsichtlich der Frage des „Modalsplit“ noch zu treffen.

Damit ist gemeint, dass eine Richtung festgelegt werden muss, wie sich in Zukunft der Gesamtverkehr in Mönchengladbach auf  Radverkehr, ÖPNV, Fußgänger und MIV („motorisierten Individualverkehr“) aufteilen soll..

Der derzeitige VEP-Entwurf basiert auf einer Fortschreibung des Entwicklungstrends für das Verkehrsgeschehens in Mönchengladbach:

  • Reduzierung des Radverkehrsanteils von derzeit 7% auf 6% und des
  • ÖPNV von heute 16% auf 15% in 2015 bei gleichzeitiger
  • Zunahme des MIV von momentanen 59 % auf 62%.

Das bedeutet, dass der aktuelle VEP-Entwurf keine dringend erforderlichen, sinnvollen Veränderungen vorgibt.

Dazu sagte Wurff, er habe empfunden, in allen politischen Fraktionen sei mittlerweile die Erkenntnis eingekehrt, dass der MIV zugunsten von ÖPNV und Radverkehr reduziert werden müsse.

Wurff im Interview: „Ein MIV von 60% oder darüberliegend ist heute nicht mehr zeitgemäß“.

Es gehe auch darum, dem ÖPNV und dem Radverkehr eigene attraktive Trassen zu bieten. Schon im eigenen städtischen Interesse müsse man zu einer Optimierung des ÖPNV (Anm.: z.B. Steigerung der Fahrgastzahlen) kommen, weil die Stadt den ÖPNV jährlich mit etwa 15 Mio. EURO subventioniere.

[audio:10-07-22-interview-wurff-03-05-vep.mp3]

Hier dieser Interviewteil zum Nachlesen:

BZMG: Herr Wurff, wir sprachen soeben von Bürgerbeteiligung. Ihnen ist nicht verborgen geblieben, dass es in Mönchengladbach Initiativen gibt, etwa zehn, die sich mit dem Verkehr, und demzufolge mit der Verkehrsentwicklung und dem Verkehrsentwicklungsplan auseinander gesetzt haben und auseinander setzen. Bislang haben die städtischen Verkehrsplaner und Teile der Politik darauf gedrungen, den VEP noch in diesem Jahr – also noch in 2010 – zu verabschieden.

Wie sehen Sie diese Zeitschiene? Ist das leistbar, macht das Sinn?

Andreas Wurff: Weder das eine noch das andere. Wobei die Sinnhaftigkeit im Vordergrund steht. Ich glaube, dass der jetzige VEP hinsichtlich seines Bearbeitungsstandes nicht die aktuellen Erkenntnisse der Verkehrsplanung wirklich berücksichtigt.

Ich glaube auch, dass der VEP nach seinem jetzigen Bearbeitungsstand auch nicht die Beteiligungsprozesse erfahren hat, die ein solcher VEP einfach erfahren muss. Es gab sicher die Beteiligung vieler Fachleute und das bisherige Arbeitsergebnis ist sicherlich auch zu würdigen.

Ich glaube aber, dass wir zu einer anderen Verkehrspolitik kommen müssen, die dieser Verkehrsentwicklungsplan so nicht ausdrückt.

Das, was ich kenne, ist so gestaltet, dass es natürlich die Verkehrsplanung der vergangenen Jahre aufnimmt. Das muss er auch. Das ist auch sicherlich sehr vernünftig.

Dass er aber seinerseits keine Akzentuierung für die Zukunft beinhaltet. Ich bin der Meinung das fehlt deutlich, und ist nicht so ausgebildet, dass er wirklich ein Konzept für die Zukunft ist.

Der VEP, so wie er sich im Entwurf jetzt darstellt, beschreibt weitestgehend die Ist-Situation, den Status quo. Schreibt ihn auch in wesentlichen Punkten so fest, hat sicherlich einige zusätzliche Elemente, die durchaus auch zukunftsweisend sind, wie z.B. durchaus diese Nordspange, um ein Beispiel zu nennen. Auf diese werden wir vielleicht noch zu sprechen kommen.

Aber er löst in vielen Bereichen eigentlich nicht die Frage: Wie viel Verkehr will ich in der Innenstadt haben? Wie attraktiv will ich meine Innenstadt gestalten?

Er ist als rein funktionaler Plan, sicher sehr sinnhaftig. Aber ein VEP muss eigentlich mehr beinhalten als nur den Individualverkehr.

Er trifft nur wenige Aussagen zum ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr). Auch die Verzahnung Bus, Bahn ist so nicht erkennbar, dass eine zukunftsträchtige Entwicklung auch unseres ÖPNV daraus hervorgehen könnte.

Das Thema „verkehrsreduzierte Bereiche“, ich will jetzt nicht unbedingt verkehrsberuhigte Bereiche sagen, verkehrsreduzierte Bereiche zu Gunsten der Wohn- und Lebensqualität, lässt sich aus dem bisherigen Konzept nur schwer erkennen.

Ich glaube, dass es wichtig ist Verkehr auf Trassen zu bündeln, die auch leistungsfähig sind, die diesen Verkehr dann aber auch aufnehmen sollen zu Gunsten von Quartieren, die dann verkehrsentlastet werden.

Diese Verkehrsentlastung ist derzeit eigentlich so nicht erkennbar, d.h. die Güte, die aus diesem Verkehrskonzept für vom Verkehr nicht so belastete Bereiche erkennbar ist und resultieren könnte, ist noch viel stärker herauszuarbeiten.

Welche Bereiche ich erschließen will, welche Bewirtschaftung des Verkehrs ich eigentlich vornehmen will in diesen Bereichen, ist noch nicht abschließend durchdacht, so dass man sagen muss, dass es einen Qualitätssprung geben muss, was künftige Konzeptionen anbelangt.

Dafür braucht es Zeit, natürlich auch etwas Geld, aber es braucht Zeit, ja vielleicht auch eine, ja neuere, andere Herangehensweise, als bisher.

Ich will damit nicht sagen, dass die Arbeit, die bisher geleistet wurde schlecht ist. Selbstverständlich nicht. Diesen Eindruck möchte ich nicht erwecken, aber es bedarf zusätzlicher Aspekte, die hier einfließen müssen, und das ist sicherlich noch zu leisten, bevor dieser VEP in irgendeiner Form beschlussreif ist.

Das ist er heute noch nicht. Er muss qualifiziert weiter entwickelt werden, und da sehe ich das Ende des Jahres als kein realistisches Ziel.

BZMG: Klare Aussage. Wenn man den VEP zumindest in der jetzigen Fassung liest, dann hat man natürlich in der Prognose Null, das ist der Status quo, so hat man auf dieser Basis Zukunftsszenarien aufgesetzt. Zumindest was Prozentzahlen angeht.

Im Detail darauf einzugehen, würde zu weit führen, aber momentan heißt es, dass wir 7% Radverkehr haben, für 2015 war prognostiziert 6%, also eine Reduzierung. 16% ÖPNV wurde auch reduziert  auf 15%  in 2015, in der Folge hat man 59% motorisierten Individualverkehr auf 62% steigern wollen. So steht es in der Prognosegrundlage für 2015.

Das sind Zahlen, die im VEP gedruckt sind. Hier muss also auch Politik eine Marschrichtung vorgeben. Auch auf der Metaebene, wenn ich es mal so sagen darf. D.h. was wollen wir denn überhaupt? Und daraus dann ableiten, wenn ich Sie richtig verstanden habe, was will man im Detail, wo will man die Hauptverkehre bündeln, um andere Bereiche zu entlasten. Braucht es da also eine politische Entscheidung?

Wurff: Ich denke ja. Ich habe diese Äußerung vielfach wahrnehmen können, dass man zu einer Verschiebung des Modal-Splits kommen muss, also der Anteile des motorisierten Individualverkehrs, zu Gunsten des ÖPNV, der Radfahrer und Fußgänger.

Ich glaube dieses Bewusstsein ist bei allen politischen Fraktionen mittlerweile eingekehrt, vielleicht unterschiedlich stark ausgeprägt, es ist mir so aber auch durchaus entgegen gebracht worden.

Es spricht vieles dafür, dass wir diesen VEP wirklich noch einmal partiell überarbeiten müssen.

Ein MIV-Anteil von 60% oder darüber liegend, ist, glaube ich, auch heute nicht mehr zeitgemäß. Andere Städte sind hier deutlich weiter. Das heißt nicht, dass wir die Erreichbarkeit der Innenstadt verschlechtern wollen.

Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum, das ÖPNV-Angebot, das Vor-Ort-Angebot, zu qualifizieren, attraktiver zu gestalten.

Auch den ÖPNV und dem Radverkehr eigene, attraktive Trassen zu bieten, wo der ÖPNV vielleicht schneller fließen kann, reibungsloser, d.h. die Qualitätsmerkmale in den Vordergrund gestellt werden. Vielleicht finden wir auch zusätzliche Trassen, die dazu führen, dass wir auch die Auslastung des ÖPNV und damit die Wirtschaftlichkeit verbessern können.

Sie wissen, zurzeit haben wir eine Subvention von etwa 15 Mio. EURO pro Jahr, die wir als Stadt stemmen müssen. Hier zu einer Optimierung zu kommen, das müssen wir schon aus Eigeninteresse, damit wir nicht ständig diese Zuschüsse fahren.

Also da ergänzen sich die Dinge eigentlich, nicht nur funktionell, sondern auch ökonomisch, als Resultat dessen und ich glaube, da müssen wir noch einige Schritte gehen, um in dieser Richtung deutliche Fortschritte zu machen. Das wollen wir. Das wollen die Fraktionen, das will die Verwaltung, das möchte ich persönlich auch.

BZMG: … und das möchten die Bürger.

Wir haben mittlerweile, im Laufe der Jahre, insbesondere im letzten Jahr, eine erhebliche Sachkompetenz angesammelt, da finden Diskussionen, fachliche Diskussionen auf Augenhöhe statt. Diskussionen zum Teil aber auch Dispute, das liegt in der Natur der Sache, und da komme ich natürlich auf Bürgerbeteiligung im Quartier und all diese Themen, die wir ganz zu Anfang des Interviews angerissen haben.

Aktuell komme ich dann auf die Frage der Nordspange. Da soll es also Signale aus Düsseldorf geben.

Im Moment, solange da noch nichts auf dem Tisch ist, gibt es also Absichtserklärungen. Aber bei diesem Thema Nordspange, Verlängerung Künkelstraße zur Kaldenkirchener Straße, da stellt sich natürlich die Frage, wie man denn dann das Franziskushaus, das ja eine überregionale Bedeutung haben wird, besser an diese überregionale Verkehrsstruktur anbinden will. Das Franziskushaus liegt an der Viersener Straße.

Die Kaldenkirchener Straße ist die einzige Stelle, die einen Autobahnanschluss hat, die weitergehende Landstraße Richtung Viersen wäre auch Zubringer zum Franziskushaus, ist es auch heute schon und da wird dann irgendwann die Frage gestellt werden: Ist es richtig, was die Interessengemeinschaft Schürenweg vermutet, befürchtet, dass der Verkehr, der zum Franziskushaus über die Viersener Straße geht dann über ihren Weg geleitet wird oder sich den Weg sucht?

Ob es dann nicht Sinn hat, diese Spange, die ich eben angesprochen habe, weiterzuführen bis zur Viersener Straße, um da eine Entlastung herbeizuführen oder die Belastung erst gar nicht auftreten zu lassen?

Das sind ja Diskussionen, die geführt werden. Wo die Bürger sich sachkundig gemacht haben und da auch eingebunden werden sollten.

Wurff: Die Bürgerinitiative Schürenweg verfolgt ja durchaus ein Ziel, das nachvollziehbar ist. Ich glaube auch, dass die Belastung des Schürenwegs sehr hoch ist, vielleicht zu hoch.

Das kann man auch nachvollziehen. Wenn man dort wohnen würde, würde man das sicherlich so sehen. Die Belastung des Schürenweges resultiert allerdings aus vielerlei Aspekten heraus.

Die Erreichbarkeit des Krankenhauses ist dabei nur einer.

Ich glaube, dass die Durchgängigkeit des Schürenweges in Richtung Westen weitergehend ein Problem darstellt, weil hier Abkürzungsfahrten getätigt werden, die im weiteren Verlauf des Schürenweges/Metzenweg zu ganz anderen Probleme führen.

Ich will jetzt nicht ablenken von den Problemen Schürenweg und der Situation Wohnen und Verkehr, die sicherlich im Moment sehr unverträglich gestaltet ist. Aber im weiteren Verlauf haben wir Schulen, haben wir Situationen, die die Verkehrslage als schwierig einstufen lässt.

Wir haben Gedanken, diesen Bereich, der auch, was Verkehrsgefährdung anbelangt und die Erkenntnisse liegen ja vor, sehr hoch einzustufen ist, gegebenenfalls dadurch zu mildern, indem wir dort mit der Geschwindigkeit auf 30 km/h heruntergehen, das ist begründet durch die direkt anliegenden Schulstandorte.

Würde man eine solche Lösung zunächst wählen, wäre die Abkürzungsfahrt für manchen durchaus unattraktiver und so gibt es eine Menge an Argumenten, aber auch Möglichkeiten diese Verkehrsbelastung des Schürenweges, durch Verkehre, die dort eigentlich gar nichts zu suchen haben, zu reduzieren.

Das heißt nicht, dass der Schürenweg quasi ein verkehrsberuhigter Bereich wäre, um es einmal völlig überspitzt auszudrücken. Ich denke, das wird auch nicht von den Anwohnern erwartet, aber eine Reduzierung würde sicherlich aus diesen möglichen Maßnahmen im Umfeld oder Weiterführung dieser Linienführung Schürenweg/ Metzenweg dazu führen, dass die Belastung geringer wird.

Ich glaube also, man muss sich Gedanken machen, wie man das Verkehrsnetz dort so gestaltet, dass eben diese unerwünschten Fahrbeziehungen dort herausgenommen werden.

Ich höre von Anwohnern, dass hier auch LKWs diese, ich sage mal Abkürzungsstrecke nutzen. Dem muss man sicherlich auch entgegen wirken. Ich glaube, wenn man all das, was da gar nicht hingehört heraus bekommt, also die Belastung des Schürenweges so minimiert, dass er wieder seine ursprüngliche Funktion aufnimmt, er damit auch deutlich wohnverträglicher wird.

Den Verkehr ganz herausnehmen wird man nicht können. Aber ich sage ganz deutlich, diese Verkehrsbeziehung zum Krankenhaus werden wir sicherlich auch, Sie haben die Wege gerade geschildert, Schürenweg – Viersener Straße, die werden wir sicherlich eine geraume Zeit auch noch haben.

Diese Spange, Ausbildung Nordspange und dann Weiterführung zur Viersener Straße, ist im Moment nicht wirklich aktuell in der Diskussion, so ehrlich muss man sein. Es gibt erste Überlegungen wie die Nordspange vielleicht umsetzt werden könnte.

Die Sinnhaftigkeit der Nordspange, die ist geprüft worden. Auch vom Land. Die haben wir nachgewiesen. Die ist uns auch so bestätigt worden, d.h. weitergehende Anträge, die jetzt quasi gestellt werden könnten, haben Aussicht auf Erfolg.

Das ist das, was man heute sicherlich sagen kann, das ist aber wirklich nur die Nordspange, der Autobahnzubringer, wenn Sie so wollen, eben in Richtung Hohenzollernstraße und der Kaldenkirchener Straße.

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Über diesen Link gelangen Sie zum Beginn des Interviews mit Andreas Wurff und zu den weiteren Intervieteilen

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