„Wir brauchen mehr Herz“: ALZ stellt Werke von John Barrawasser zur Unmenschlichkeit von Hartz IV aus

Herbert Baumann [ - Uhr]

Das Eis nach der Fahrradtour, eine Zuckerwatte auf der Kirmes, die Pommes mit den Freunden – es sind manchmal auch und vor allem die kleinen Dinge, die das Leben für Kinder schön und unbeschwerter machen. 

Aber bei 4,99 Euro für „Gaststättendienstleistungen“ pro Monat ist das Schälchen schnell leer. Mit der Ausstellung „Hartz IV im Alltag“ und Beispielen wie diesen zeigt der Gladbacher Künstler John Barrawasser (Jahrgang ’49) nicht zum ersten Mal die ganze Absurdität jener „Regelsätze“ auf.

Sie reglementieren und begrenzen – bewusst – den Alltag sehr vieler Menschen.

Allein in Gladbach leben mehr als 40 000 Menschen von Hartz IV. 

Barrawassers Serie von Plastik-Kollagen zum „Leben“ von und mit Hartz IV sind jetzt im Arbeitslosenzentrum (ALZ) an der Lüpertzender Straße 69 zu sehen. 

Der Eintritt zu den bekannten Öffnungszeiten ist frei.

Barrawasser will „positiv provozieren“, wie er sagt.

Bei Menschen, die nicht von der „Stütze“ leben müssen, will er Nachdenklichkeit und Verständnis auslösen.

Nehmen wir ein weiteres, alltägliches Beispiel: Urlaub.

Laut Gesetz stehen 14,40 Euro/Monat für „Verkehrsdienstleistungen (ohne Luftverkehr“) zur Verfügung.

Welch ein Hohn!

Damit kommt man noch nicht einmal mit der S-Bahn nach Düsseldorf und zurück nach MG. 

Barrawasser wird zum Sprachrohr der Betroffenen.

Dass es vorne und hinten nicht reicht, zeigt der Pädagoge ausdrucksstark – und anklagend.

Viele Besucher des ALZ müssen das Tag für Tag erleben.

Im schlimmsten Fall werden sie von den Jobcentern noch sanktioniert, weil eine Unterlage fehle.

Und das bedeutet dann: Noch weniger zu haben, noch mehr „draußen“ zu sein.

Einige von ihnen – zumeist Langzeitarbeitslose – haben so etwas wie eine Selbsthilfegruppe gebildet.

Sie informieren sich über kostenlose Kulturangebote, gucken, wo und wann die Kinokarte preiswert ist etc.

Und unternehmen dann gemeinsam etwas.

Auch das ALZ versucht, das kulturelle Grundbedürfnis jedes Einzelnen zu erfüllen – mit Ausstellungen, Info-Abenden, Musik.

Barrawassers Ausstellung ist ein nachhaltiger Appell – an die profitgeile Gesellschaft und vor allem an die Politik.

Die Münchner Schauspielerin und Hartz-IV-Kritikerin Bettina Kenter-Gödde machte es zuletzt bei ihrem Auftritt in der Gladbacher City-Kirche in der Rolle einer Betroffenen mehr als deutlich: „Wir brauchen kein Hartz IV, wir brauchen mehr Herz.“

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Schon im Februar 2008 hatte John Barrawasser eine ähnliche Ausstellung unter dem Namen „Warenkorb für Hartz IV-Empfängerinnen“ präsentiert … und es hat sich nichts verbessert

2 Kommentare zu “
„Wir brauchen mehr Herz“: ALZ stellt Werke von John Barrawasser zur Unmenschlichkeit von Hartz IV aus”
  1. @ Brummbär

    Sie schreiben:

    „Mit vollen Taschen und staatlicher Überversorgung können immer „gute“ Ratschläge erteilt werden.

    Z.B. a la Sarrazin, von wegen kalt duschen, Pulli statt Heizung und für ein Mittagessen eine Bratwurst für 38 Cent mit 150 Gramm Sauerkraut für 12 Cent und Kartoffelbrei für 25 Cent plus Gewürze und Öl für 20 Cent.

    https://www.welt.de/politik/article1649762/Sarrazin-entwickelt-Hartz-IV-Speiseplan.html

    Was für eine Unverschämtheit! Mehr Verhöhnung geht echt kaum noch! Wo gibt es eine Bratwurst für 38 Cent und Sauerkraut für 12 Cent?

    Solche abgehobenen Leute haben von der Lebensrealität wirklich null Ahnung. Oder kochen die immer mit Diätwaage, damit das so klappt?

    Unverschämt.

    Ich weiß einiges durch unsere Kinder, die betroffene Mitschüler haben. Nicht alle „Harzer“ sind faul und können nicht mit Geld umgehen. Sowas höre ich auch immer wieder. Klar gibt es solche Leute. Die gibt es aber auch mit sehr gutem Einkommen!

    Die „Diskussion“ (rechtzeitig vor der Europawahl?) der SPD über Hilfe für diese betroffenen
    Menschen kann ich fast nicht mehr ertragen. Kommt doch sowieso nic hts Vernünftiges am Ende dabei heraus.

    Von den Grünen und Linken bin ich genauso tief enttäuscht.

    ich habe immer stärker das Empfinden, dass ich nur bei oder vor Wahlen interessiere. Danach ist alles wieder wie gehabt. Leider meistens noch schlechter, was vorher als super verkauft wurde.

  2. Danke Herr Barrawasser und Herr Baumann, dass Sie den Finger in die widerliche, zum Himmel stinkende Hartz-IV-Wunde legen!

    Wenn ich das unfassbare Geschwurbel der Politiker und einiger Profiteure aus der Wirtschaft (von wegen „Erfolgsmodell“ – welch eine Verhöhnung Betroffener, die selbst gar keine Verbesserungen erreichen können, egal wie die sich abstrampeln!) mitbekomme, wird mir regelmäßig kreuzübel!

    Grüne und SPD wären endlich gefordert, das von ihnen maßgeblich und federführend (Rot-Grüne-Koalition mit Schröder/Fischer) eingerührte, absolut unnötige Elend zu beseitigen!

    Hartz IV ist eine Unverschämtheit, wie vieles, was damals in der Koalition des Grauens von Rot-Grün mit Schröder/Fischer in Gesetze gepresst wurde. Nicht nur der völkerrechtswidrige Jugoslawienkrieg!

    Das Elend klingt bis zum heutigen Tag nach und Menschen/Familien werden vollkommen zu Unrecht in menschenunwürdige Situationen gezwungen und auch noch sanktioniert, denn es fehlen definitiv Arbeitsplätze! und das wird noch schlimmer, denn KI -künstliche Intelligenz- und die Industrialisierung 4.0 sind nicht mehr aufzuhalten.

    Diejenigen, wie z.B. dieser Herr Peter Hartz (seine Meinung zum solidarischen Grundeinkommen „Wir haben mit der Reform gerade die Erwerbslosen aus der Sackgasse geholt und ihnen den Arbeitsmarkt geöffnet. Sie würden jetzt wieder als zweitklassig eingestuft.“), die den Wahnsinn geschaffen haben, sind selbst bestens versorgte Kassierer von Staatsknete und bester SICHERER Altersversorgung!

    WAS wollen uns die Medien ständig an Positivem zu den „Reformen“ von Rot-Grün/Schröder/Fischer verkaufen!

    Glauben die wirklich die Menschen sind blöd und können nicht bis Drei zählen! Nur weil die selber im oberen Top-Bereich der Nahrungskette wie die Maden im Speck leben? Mit vollen Taschen und staatlicher Überversorgung können immer „gute“ Ratschläge erteilt werden.

    Z.B. a la Sarrazin, von wegen kalt duschen, Pulli statt Heizung und für ein Mittagessen eine Bratwurst für 38 Cent mit 150 Gramm Sauerkraut für 12 Cent und Kartoffelbrei für 25 Cent plus Gewürze und Öl für 20 Cent.

    https://www.welt.de/politik/article1649762/Sarrazin-entwickelt-Hartz-IV-Speiseplan.html

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