„Rock im JHQ“: „No risk, no fun“? • Verkehrssicherungspflicht im JHQ

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

„Man erinnere sich an den Unternehmer Rainer Schaller, Veranstalter der „Loveparade“: ‚Ich bin 100 Prozent risikobereit‘, ‚Ich gehe immer volles Risiko‘, solche Sprüche liebte er – bis eines der Risiken, die er so großmäulig einging (diesfalls eine Massenparty in einem ungeeigneten Gelände), zu einem Unglück mit 21 Toten führte.“

(Zitat aus „Die Presse.com“ vom 23.03.2011)

Den dummen Slogan „No risk, no fun“, der die Risikobesessenheit mit einer anderen Obsession unserer Zeit, dem Spaß, verbindet, dürfte niemand weder Marek Lieberberg noch der BImA unterstellen.

Insofern könnte dies auch ein wesentlicher Knackpunkt gewesen sein, den die BImA dazu veranlasste, das „Letter of Intent“ mit Lieberbergs Agentur zurückzuziehen und die Mietverhandlungen mit ihr abzubrechen.

Man sollte unterstellen dürfen, dass Politikern, die, anstelle von Verwaltungsjuristen, Verhandlungen über eine Anmietung eines 460 ha großen Areals führen, die Tragweite ihres Handelns bekannt ist.

Vor diesem Hintergrund drängt sich ein Wort förmlich auf: „Verkehrssicherungspflicht“. Was bedeutet dieses sperrige Wort im Zusammenhang mit dem angestrebten Rockfestival im ehemaligen JHQ?

Dazu ist beispielsweise in Wikipedia zu lesen: „Eine Verkehrssicherungspflicht bzw. Verkehrspflicht ist in eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen, deren Unterlassen zu Schadenersatzansprüchen nach den§§ 823 ff BGB [http://dejure.org/gesetze/BGB/823.html] führen kann.“:

§§ 823 ff.:

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Derzeit diskutiert die Groko die Möglichkeiten der Anmietung des ehemaligen JHQ für fünfJahre zu einem symbolischen Preis von 1 Euro oder den Kauf des Areals für einen ebenfalls symbolischen Euro.

Hintergrund ist, dass die BImA erklärte, dass sie nicht mehr mit Marek Lieberberg verhandeln wird, was Anlass dafür war, dass sich die Politik, in persona Dr. Hans Peter Schlegelmilch (CDU) und Felix Heinrichs (SPD), einschaltete, um das Event für Mönchengladbach zu retten.

Wie einem örtlichen Printmedium zu entnehmen war, und Heinrichs am Rande des SPD-Parteitages unserer Zeitung bestätigte, waren beide Fraktionsvorsitzenden zu Gesprächen mit der BImA in Berlin. Auf eigene Kosten wie Heinrichs ausdrücklich betonte.

Mit dem Ergebnis, dass die BImA der Stadt Mönchengladbach das Areal des JHQ in Gänze zur Miete oder auch Kauf anbietet.

Warum die BImA nicht mehr an Lieberberg vermieten will, ist, zumindest öffentlich, nicht bekannt.

Ein nicht unerheblicher, weil teurer, Grund von vielen, könnte die Verkehrssicherungspflicht sein, die die BImA als Eigentümerin bei der Vermietung für das Rockspektakel einem nicht kalkulierbaren Risiko aussetzen könnte.

Wie hoch die BImA die Verkehrssicherungspflicht einordnet, zeigt die Tatsache, dass das Gelände zwischen Rheindahlen und Hardt vollständig eingezäunt und umfassend bewacht wird. Und dabei dürfte es kaum nur darum gehen, zu versuchen, das Objekt gegen Vandalismus zu schützen.

Gemäß der Planungen, die unabhängig von den aktuellen Problemen weiter gegangen sein sollen, ist vorgesehen, dass sich auf dem HQ-Gelände neben den Bühnen und einigen erforderlichen Freiflächen für z.B. Catering, Sanitäter, Laufflächen usw., dort auch die Campingplätze eingerichtet werden sollten.

Das wäre insofern nichts besonderes, wären nicht ebenfalls 2.000 leer stehende, meist mehrstöckige Gebäude vorhanden, die keinesfalls, weder z.B. bei Regenwetter, noch aus Neugier, von Festivalbesuchern erkundet und erst recht nicht „bewohnt“ werden dürften.

Dass solche Gebäude Neugier, Forscherdrang und Abenteuerlust bei vielen erwecken ist bekannt.

Problematisch wäre, wenn sich jemand bei einer solchen Aktion verletzt oder es zu Vandalismus oder schlimmerem käme.

Es dürfte eine enorme Herausforderung, nicht nur in finanzieller Hinsicht (für Absperrmaßnahmen, entsprechende Anzahl Wachpersonal) sein, die Einzel-Areale so abzuschotten, dass sich solche Vorfälle nicht ereignen. Insbesondere bei Ringrockern, die es bekanntermaßen, auch was den Alkoholkonsum anbelangt, gerne mal krachen lassen.

Zwischen Eingang an der Queens Avenue und zu den vorgesehenen Konzert- und Campingflächen, liegen zwei Kilometer, die durch eine ehemalige Kleinstadt führen und die ebenfalls von Gebäuden umgeben sind.

Eine Kleinstadt mit vielen schmalen Nebenstraßen und diversen kleineren Plätzen und grünen Freiflächen.

Das würde bedeuten, dass alle Bereiche, die nicht betreten werden dürfen, abzusperren sind und zwar so, dass die Absperrung nicht mit einem Sprung darüber zu überwinden wäre.

Dass schon beim Betreten des Geländes darauf aufmerksam gemacht werden könnte, dass die abgetrennten Bereiche tabu sind, würde trotzdem oder gerade, den Reiz ausmachen und das Interesse wecken.

Die BImA, als Vermieterin des Geländes an Lieberberg, wäre für alles haftbar, was sich dort neugierige Besucher z.B. bei Unfällen zuziehen und an Sachschäden oder gar Schlimmerem entsteht, wenn sie sich auf nicht erlaubtem Terrain befinden. Gefahren, die nicht auszuschließen sind.

Einen Eindruck, wie weitläufig das Areal des ehemaligen JHQ ist und wie viele Gebäude dort stehen, vermittelt dieses Video, mit nur 10 Minuten einer regulären (wenn auch der letzten) Patrouillenfahrt des britischen „Germany Guard Service“ vom 11.12.2013:

 

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Entscheider in Politik und Verwaltung der Stadt Mönchengladbach sollten sich aber das gesamte Video ansehen, damit sie – über die grundsätzlichen Aspekte der Verkehrssicherungspflicht hinaus – einen Eindruck davon gewinnen, um welche „Dimensionen“ und um welche Vielfalt zu sichernder Objekte es sich hierbei handelt.

 


 

Vor diesem Hintergrund ist durchaus vorstellbar, dass die BImA diese Risiken nicht eingehen will, da sie allein aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit hat, dieses an Lieberberg zu übertragen, weil dieser ja nur Teile und nicht das gesamte Areal mieten will.

Die BImA ist Eigentümerin und bleibt somit letztendlich haftbar.

Das Angebot, das ehemalige JHQ an die Stadt Mönchengladbach für einen symbolischen Euro entweder zu verkaufen oder für denselben Betrag für fünf Jahre zu verpachten/zu vermieten, ist für die BImA eine elegante Lösung.

Als Mieter/Pächter mit Übertragung der Haftung wäre die Stadt Mönchengladbach für das gesamte Gelände im vollen Risiko, also auch für die Verkehrssicherungspflicht zuständig.

Dieser nachzukommen dürfte während der Festivalzeit eine enorme Herausforderung sein, weil sie ein erhebliches Haftungs- und Risikopotenzial bedeutet, das zusätzliches Geld kostet.

Das kann im Falle des JHQ durchaus einen sechsstelligen Versicherungsbeitrag pro Jahr bedeuten, evtl. sogar schon allein nur für das Rockfestival, weil es ein erhöhtes Risiko birgt, das sich Versicherer verständlicher Weise bezahlen lassen.

Von den Kosten für aufwendige Absperrungen und entsprechend hoher Anzahl Wachpersonal, das allein sich schon auf einen weiteren sechsstelligen Betrag (und mehr?)während des Festivals addieren kann, ganz zu schweigen.

Ob Marek Lieberberg für diese zusätzlichen Kosten aufkommen will, dürfte fraglich sein, denn unterm Strich zählt, wie immer und verständlich für einen Unternehmer, der Lieberberg trotz aller Liebe zu seinem Rockfestival ist und sein muss, was am Ende noch an Gewinn bleibt.

Dass auch in Mendig Kosten für Sicherheitsmaßnahmen anfallen, ist sicher, allerdings, so ist anzunehmen, nur zu einem Bruchteil der Kosten, die im JHQ anfallen werden.

Unabhängig davon:

Wäre Erich Oberem (FWG) noch in einer politischen Funktion im Rat oder in anderen Gremien, würde man sich nicht wundern, wenn er auf die persönliche Haftung der Ratsmitglieder und dabei auf die GO NRW hinweisen würde.

An die persönliche Haftung von Ratsmitgliedern für Folgen aus ihrem Abstimmungsverhalten legt die Gemeindeordnung im § 43 einen strengen Maßstab an. Dort heißt es u.a.:

„(4) Erleidet die Gemeinde infolge eines Beschlusses des Rates einen Schaden, so haften die Ratsmitglieder, wenn sie

a) in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung ihrer Pflicht gehandelt haben, …“

Dies gilt allgemein, könnte aber auch im konkreten Fall „Verkehrssicherungspflicht im JHQ“ zumindest zum Thema werden.

Foto: (c) “Rock am Ring”

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