Abschiebungssorge um afghanische Familie • „Ökumenischer Arbeitskreis Flüchtlinge“ sendet Offenen Brief an Kanzlerin Merkel

Red. Gesundheit & Soziales [ - Uhr]

[01.01.2017] Eine Woche vor Weihnachten erhielt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Brief vom „Ökumenischen Arbeitskreis Flüchtlinge“ in Hardt, dem eine Vielzahl freiwilliger Helfer angehört aus dem nördlichsten Mönchengladbach Stadtteil angehören.

Der Arbeitskreis befürchtet, dass breite Schichten humanitär-aufklärerischer Bürgerinnen und Bürger zwischen dem themensetzenden Terrorismus und den populistischen „Verteidigern des Abendlandes“ in der medialen Öffentlichkeit fast zu verschwinden drohen.

Deshalb hatten sich die Initiatoren und Unterzeichner entschlossen ihre Stimme in Form dieses „Offenen Briefes“ an die Bundeskanzlerin zu erheben:

 

„Hella und Klaus Rosenland
Hardter Waldstraße 40
41169 Mönchengladbach

18.12.2016

Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1

10557 Berlin

OFFENER BRIEF

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Dr. Merkel,

Ihre sehr menschliche Aussage „Wir schaffen das“ hat meine Frau und mich ermutigt, in unserer aktiven Flüchtlingshilfe über den Sprachunterricht hinaus Hilfestellung auch bei der Wohnungssuche und im Alltag zu leisten.

Unsere derzeitige Sorge gilt einer siebenköpfigen afghanischen Familie, die bereits nach einem Jahr in Deutschland ein überzeugendes Beispiel für Integrationsfähigkeit ist.

Vier Kinder zwischen acht und 16 Jahren haben schon gute Sprachkenntnisse und gehen gerne und bereits sehr erfolgreich zur Schule; auch der fünfjährige Sohn hat sich im Kindergarten gut eingelebt und spricht ebenfalls schon gut deutsch.

Der Sprachunterricht für diese Familie hat mit unserer Beteiligung vor einem Jahr bei Null begonnen.

Den Grund für die Flucht haben wir erst allmählich erfahren.

Aufgrund von traumatischen Erlebnissen ist die Familie erst jetzt in der Lage, nach und nach zu erzählen, was ihr widerfahren ist.

Inzwischen wissen wir, dass der Familienvater für ein Unternehmen als Kranführer gearbeitet hat, das im Auftrag der amerikanischen Streitkräfte beschädigte Militärfahrzeuge zu bergen hatte.

Während eines solchen Einsatzes wurde er bei einem Überfall durch Taliban mitgenommen und verhört.

Weil er seine Adresse – und damit den Aufenthaltsort seiner Familie – nicht preisgeben wollte, hat man ihn schwer misshandelt und solange gefoltert, bis er nur noch den Ausweg sah, sich als Nichtschwimmer in den reißenden Fluss am Lager zu stürzen.

Bis heute trägt er erschreckende Folterspuren am Rücken. Zum Glück konnte er sich trotz der Gewehrsalven, die ihn töten sollten, irgendwo ans Ufer retten und sich nach Kabul durchschlagen, wo seine Familie seit Wochen um ihn bangte.

Er brauchte Wochen, um sich einigermaßen zu erholen, und verließ vor der Flucht das Haus nicht mehr, lediglich seine Frau erledigte das Nötigste – anonym unter einer Burka.

Wenn wir jetzt täglich von geplanten Abschiebungen nach Afghanistan hören, kann man den oft geäußerten Dank an die ehrenamtlichen Helfer in Deutschland nur als Hohn empfinden.

Das freundliche Gesicht, das Deutschland einmal gezeigt hat, droht sich ins Gegenteil zu verkehren.

Von Pro Asyl und anderen Organisationen hatten wir bereits Kenntnis, wie die Situation in Afghanistan wirklich ist und dass es sehr inhuman ist, Flüchtlinge dorthin zurückzuschicken.

Der Beitrag „Das Märchen vom sicheren Afghanistan“ in der Sendung Monitor vom 8.12.16 hat unsere Sorge sehr verstärkt, dass die Familie, die wir betreuen, im Falle einer Abschiebung ein sehr hartes Schicksal erwarten würde. Sie würde erneut tödlichen Gefahren ausgesetzt.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

mit großen Anstrengungen haben wir im vergangenen Jahr dafür sorgen können, dass für eine sehr liebenswerte afghanische Familie das Motto „Wir schaffen das!“ ein Stück weit wahr werden konnte.

Jetzt aber droht die große Politik uns – und mit uns Millionen von Helferinnen und Helfern im ganzen Land – in den Rücken zu fallen und alles wieder zunichte zu machen, was wir in mühsamer, aber auch erfüllender Alltagsarbeit aufbauen konnten.

Auch wir sind „das Volk“ – wenn auch nicht so lautstark und medial gehypt.

Seien Sie bei diesen Menschen und wenden Sie eine totale Kehrtwende der deutschen Flüchtlingspolitik ab! Schaffen Sie das!

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Klaus und Hella Rosenland

Der Brief wird unterstützt von nachstehend genannten Helferinnen, Helfern und Sympathisanten des „Ökumenischen Arbeitskreises Flüchtlinge“ in Mönchengladbach-Hardt:

Simon Albertz,  Doris Grob-Beckmann, Folke Beckmann, Gaby Brenner,  Dr. Gerd Brenner, Diane Fix, Inge Graefe, Dr. Michael Graefe, Burkhard M. Kuba, Lennard Merkl, Hajo van Ool, Ulla van Ool, Helga Panglisch, Anke Schimanski, Herbert Schimanski, Brigitte Schmitz, Lea Schroers“

 

Offener Brief an Kanzlerin Merkel