Kaufland in Holt • Teil II: Versprechen, Versprecher und/oder plakative Augenwischerei? • Arbeitsplätze & Beschäftigungsverhältnisse [mit Video]

Bernhard Wilms [ - Uhr]

Zu jeder gewinn-erhoffenden Maßnahme einer Unternehmung gehört ein ausgefeiltes PR-Konzept.

Das gilt im „Fall Kaufland in Holt“ sowohl für Investor und Vermieter Jessen (Gebrüder Bücker) als auch den potenziellen Mieter Kaufland.

Für den Repräsentanten der Kaufland Stiftung GmbH & Co. KG, Volker Hildebrand, standen die vermeintlichen Vorteile, die ein Kaufland-Markt an Bahn- und Aachener Straße für Mönchengladbach und den Standort Holt haben würden, bei der „PR-Veranstaltung“ am 14.08.2014 fest.

Diese gilt es näher zu beleuchten:

„80 – 100 neue Arbeitsplätze und mind. 2 – 3 Auszubildende pro Jahr“

Immer dann, wenn es um Neuansiedlungen – gleich welcher Art – geht, reagieren Politik und Verwaltung in Kommunen sensibel und positiv aufgeschreckt, wenn sie hören „neue Arbeitsplätze“.  Dass viele dieser Arbeitsplätze nicht selten gar nichts anderes sind, als eine rechnerische „Verlagerung“ wird nicht hinterfragt.

Saldiert wird an dieser Stelle nicht. So wird nicht dargestellt, wie viele Arbeitsplätze in mittelbarer oder unmittelbarer Nähe verloren gehen.

Im Fall „Kaufland in Holt“ besteht die Gefahr, dass vorhandene Geschäfte im näheren und weiteren Umkreis über kurz oder lang ihre Kundschaft und damit ihre Existenz verlieren. Mit der Folge dass Arbeitsplätze verloren gehen.

Das gilt für den Einzelhandel an der Aachener Straße wie auch für den Netto-Markt mit Bäckerei und Metzgerei an der Bahnstraße. Eine „friedliche“ Koexistenz zwischen Kaufland und diesen Lebensmittelanbietern dürfte ausgeschlossen und damit Arbeitsplatzverluste hochwahrscheinlich sein.

Das erwartet auch eine Teilnehmerin am Informationsabend, die ganz offensichtlich an anderer Stelle ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit einer Tätigkeit bei Kaufland gemacht hatte. Die Art und weise, wie Kaufland-Repräsentant Hildebrand auf die Anfrage reagierte, zegte nicht von großer Informiertheit:

 

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„Alle Beschäftigungsverhältnisse sind kranken-, renten- und sozialversicherungspflichtig“

Diese  Aussage muss nicht prinzipiell falsch sein. Es ist nur eine Frage der Sichtweise. Vollzeitkräfte schlagen beim Arbeitgeber bekanntermaßen anders zu Buche als Teilzeitkräfte und wieder anders als 450-EURO-Kräfte.

In welchem Umfang dies geschieht, lässt sich einfach anhand des aktuellen AOK-Gehaltsrechners feststellen: http://www.aok-business.de/tools-service/gehaltsrechner/gehaltsrechner-2014/

Wenn im „Fall Kaufland in Holt“ 10% der „neuen“ Arbeitsplätze (also 8 bis 10) Vollzeitkräfte sein werden, erscheint dies angesichts der Strukturen bei ALDI, LIDL, Netto & Co. nicht unrealistisch.

Diese Arbeitsplätze sind vollumfänglich kranken-, renten- und sozialversicherungspflichtig, wie das Berechnungsbeispiel mit einem Monatsgehalt von brutto 2.000 EURO zeigt.

(Vollständige Berechnung nach Klick auf Grafik als PDF zum Download)

Dies gilt bis zu einem gewissen Maße auch für Arbeitsplätze, bei denen Einkommen der so genannten „Gleitzone“ (zwischen 451,00 und 850,00 EURO) angehören.

(Vollständige Berechnungen nach Klick auf Grafiken als PDF zum Download)

Auch bei so genannten „Mini-Jobs“ (bis 450,00 brutto) fallen Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung an. Diese müssen jedoch vollumfänglich vom Arbeitgeber getragen werden.

Wahlweise kann der Arbeitnehmer einen eigenen Beitrag zur Rentenversicherung leisten, was sein Netto-Einkommen reduziert.

(Vollständige Berechnung nach Klick auf Grafik als PDF zum Download)

Ansonsten: Der Arbeitnehmer erhält „Brutto für Netto“.

(Vollständige Berechnung nach Klick auf Grafik als PDF zum Download)

Fazit:

Die Kaufland-Aussage ist nicht falsch, aber auf Grund ihrer Undifferenziertheit irreführend. Sie suggeriert eine (überwiegende) Beschäftigung von Vollzeitkräften.

Erkennbar ist bei weiteren Vergleichsberechnungen, dass Beschäftigte erst ab einem Brutto-Einkommen von 945,00 EURO (mit einem EURO-Cent-Betrag) einkommen-/lohnsteuerpflichtig sind.

Bei dem angenommenen monatlichen Brutto-Einkommen von 2.000 EURO beläuft sich die Einkommensteuer auf 208,80 EURO.

Nicht zu vergessen ist ein weiteres häufig und gerne genutztes personalpolitisches Instrument:

„Outsourcing“ heißt hier das Zauberwort.

Fremdpersonal auf der Basis von Werkverträgen, das von externen Dienstleistern pauschal eingekauft wird. Der Stundenlohn dieses Personals liegt meist mehr als 40% unter Tariflohn. Eingesetzt wird Fremdpersonal gerne vor allem beim Auffüllen von Regalen.

Auch Kaufland setzte für das Einräumen der Waren in Regale auf dieses Sparmodell und geriet dabei im Rahmen von Razzien in den Fokus des Zolls, wie die Frankfurter Rundschau 2012 berichtete:

http://www.fr-online.de/arbeit—soziales/billige-arbeitskraefte-regale-einraeumen-fuer-5-70-euro,1473632,11621792.html

Die Stadt Mönchengladbach erhält von der Einkommensteuer der Mönchengladbacher Arbeitnehmer einen Anteil in Höhe von etwa 2,5%.

Insofern partizipiert die Kommune faktisch nicht an den vermeintlich neuen Arbeitsplätzen.

Holt erst recht nicht!

2 Kommentare zu “Kaufland in Holt • Teil II: Versprechen, Versprecher und/oder plakative Augenwischerei? • Arbeitsplätze & Beschäftigungsverhältnisse [mit Video]”
  1. Fortsetzung des aktuellen Glossi-Spruchs:

    Wenn der Klügere nachgibt, haben die Dummen das Sagen.

    Und wenn die Dummen das Sagen haben, verdienen Wenige und verlieren Viele.

  2. Verlust von Arbeitsplätzen, das scheint für Politiker, solange nicht selbst betroffen, irgendetwas weit weg und nebulöses zu sein. Ein paar Worte des Bedauerns, das war’s. Dasselbe trifft auf den örtlichen Einzelhandel zu.

    Wenn Geschäfte wegen Kaufland schließen müssen, bedeutet das, dass Existenzen vernichtet werden.

    Gejubelt wird, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Was das für „Arbeitsplätze“ sind stört Politiker offensichtlich nicht.

    Was Märkte wie Kaufland oder Einkaufscenter (wie demnächst die Arcaden in MG) dem Einzelhandel noch nicht genommen haben, erledigt dann der Onlinehandel.

    Nicht umsonst wurde dafür längst ein Ausdruck geprägt: Kannibalisierung des Einzelhandels.

    Was sagen die Politiker dazu? Haben die überhaupt eine Meinung oder lassen die alle Jessen (Bücker-Brüder) „machen“? Zumindest CDU, SPD und FDP?

    Schon Ex-OB Bude von der SPD war für die Kaufland-Ansiedlung und wohl Jessen „zugeneigt“:

    http://www.bz-mg.de/bauen-wohnen-leben/korb-fur-kaufland.html

    http://www.bz-mg.de/category/wirtschaft-handel-handwerk

    Der Klüngel bedient sich in dieser Stadt weiter nach Gutdünken und dank guter Verbindungen.

    Da kümmern einige Bürger, deren Existenz gefährdet wird oder solche, die nicht mehr Verkehrsbelastungen haben wollen, überhaupt nicht.

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