Zwei Ballette an einem Abend, „Verlorene Kinder“ (Uraufführung), „Bilder aus der Neuen Welt“ im Stadttheater

Red. Theater [ - Uhr]

Kann man ein Flugzeugunglück, bei dem 69 Menschen, davon 52 Kinder, ums Leben kamen, gemeint ist hier das schreckliche Geschehen vom 1. Juli 2002 in der Nähe von Überlingen am Bodensee, auf die Bühne bringen? Verbietet die Trauer um Menschen nicht ein solches Unterfangen?

Ist ein solches Drama, das doch für die Angehörigen der Todesopfer einen Riss in ihrem Leben, einen ständigen, unendlichen Schmerz bedeutet, in eine Ballettdarstellung zu übertragen?

Der Versuch hierzu wurde an unserem Stadttheater gewagt und ging in jeder Weise daneben. 

Zu einer Musik, die vom Solopianisten unseres Orchester geschrieben, (zusammengestellt?) war, bewegten sich unsere Tänzer.

Diese Musik stellte sich als eine Breitwand-Filmmusik vor, stellte sich in den sehr ausgewalzten, langen, zu langen Teilen der Schilderung der Kinder und Jugendlichen, bevor sie die Flugreise antraten, sehr unkindlich, in den Teilen der Trauer, des Entsetzens der Angehörigen dagegen, sehr pompös und wenig wahrhaftig dar.

Das ganze sehr laut, der Einsatz einer Musical singenden Solistin störte den Ablauf nur, Betonung lag auf dem Klavierpart.

Es sollte doch wohl kein Klavierkonzert sein. 

Das tänzerische Element erschöpfte sich in kindlich jugendlichem Getue, in stereotypen Schmerzensgesten nach dem Absturz des Flugzeuges. 

Fast nur Ensemble, sehr sportlich, einige Pas de Trois, ein Hauptdarsteller, der sehr gut gefiel, Paolo Franco.

Das Publikum verhielt sich nach diesem ersten Teil sehr verhalten.

Handlungsballette sollen und müssen sein, aber eine solch schreckliche Sache zu Ballett zu verarbeiten, sollte man bleiben lassen!

 

Der zweite Teil des Abends brachte ein Ballett nach Musik von Aaron Copland,

„Bilder aus der neuen Welt“.

Schmissige Musik,  gut zu vertanzen.

Eine nette Choreographie, das Ensemble zeigte sich in guter Verfassung, es brauchte ja nicht mehr auf kindlich und Schmerz zu mimen, einige gute Solo-Leistungen.

Auffallend das Pas de Deux von Elisa Rossignoli und dem neuen Tänzer Raphael Peter. Hier wurde sehr schön und geschmeidig getanzt.

Was die fahnenschwenkende Figur (eine lebende Freiheitssstatue?) bedeutete, erschloss sich mir nicht, das Geballere der „Mafiosi“ war zu lang. 

Das Orchester und der Komponist André Parfenov am Flügel spielten recht gut und laut.

Andreas Fellner war der umsichtige und versierte musikalische Leiter des Abends.

Choreographie Robert North, Bühne und Kostüme Frank Hänig.

Nach dem zweiten Teil gab es, angestachelt durch einige Bravoschreier und Pfeiffer, wie fast immer im gleichen Stil tätig, Beifall.

 

Peinlich wurde es, als der Beifall endete, der Vorhang gefallen war, dieser nochmals geöffnet und das Publikum hierdurch zum Beifall veranlasst wurde!

 

Fazit: Auch wenn im wirklichen Leben Leid und Freude oft nahe beieinander liegen – in diesem Fall schlug diese gewagte Mischung auf der Bühne fehl.

Zu unterschiedlich die Inhalte der Ballette, zu tragisch der wahre Hintergrund des zuerst aufgeführten.

Die Mischung war fatal.

 

 Herbert Rommerskirchen

 

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