Von der Beziehung zwischen Natur und Künstlichkeit

Hauptredaktion [ - Uhr]

Das BIS-Zentrum im Alten Museum, Bismarckstraße 97-99, zeigt derzeit eine Ausstellung unter dem Titel „Veritas ad speciem“ der 1972 in Köln geborenen Künstlerin Ilka Sulten.

Die Ausstellung hinterfragt die Scheinwelt in der wir leben.

„Sie untersucht in großformatigen Installationen mit Duft, Ölbildern und Objekten die Relation zwischen Natur und Unnatur und den Platz, den der Mensch dabei einnimmt. Wie verhält sich unsere eigene innere Natur zu der Natur des alltäglichen Lebens, mit der wir uns tagtäglich konfrontieren müssen?“, erläutert Dr. Christian Krausch, der die Ausstellung kuratiert.

Alles ist künstlich in der Ausstellung von Ilka Sulten: Plastikblumen, von denen ein künstlicher Duft ausgeht, oder der Blick auf gemalte riesige Wasserpflanzen, die durch die Wasserfläche betrachtet, mit unserer Wahrnehmung spielen. Dabei neigen wir dazu, den künstlichen Duft jener Blumen für bare Münze zu nehmen, wie auch die von Ilka Sulten an verschiedenen Stellen platzierten Heil- oder auch Unkräuter in all ihrer fantastischen Künstlichkeit zu bewundern.

Geschickt reflektiert die Künstlerin das seltsame Verlangen der Menschen, den fremdesten Dingen einen Lebenshauch einzuflößen, auch, wenn es ihnen in Wahrheit nicht zusteht. Eine aufblasbare Nikolausmaske aus Plastik beispielsweise, die sich in Form einer Kohlezeichnung in drei Etappen entfaltet, wohingegen ein gezeichneter aufgeblasener Fisch in drei Etappen zu einem zerknüllten Etwas zusammenfällt. Das gewaltige Bild einer aufgeblasenen Plastikpistole beherrscht das Treppenhaus und stellt unter anderem die Frage, ob dieses Ding eigentlich funktionstüchtig ist. Und den Wasserpflanzen antwortet das Bild einer aufblasbaren Liebespuppe aus dem Sex-Shop, die trotz ihrer bisweilen so absichtlich realistischen Erscheinung so wenig mit Liebe zu tun hat, wie alle hier vorgestellten Plastikteile mit dem Leben.

„Wir schaffen uns ständig neue Illusionen, um in einer unnatürlichen Schweinwelt existieren zu können, wohl ahnend,“ so schreibt Ilka Sulten in ihrem Katalog, „dass wir den Gesamtzusammenhang unserer Existenz ohnehin nicht begreifen können, da wir Bestandteil dieser Existenz sind und diese nicht als außerhalb befindliches Subjekt betrachten.“

Zentrale Arbeit in der Ausstellung ist eine gewaltige Pflanze mit dem schönen botanischen Namen „Ilcrescallina vulgaris“, eine Zusammenarbeit von Ilka Sulten, Marcellina van der Grinten und dem Klangkünstler Chris Schulz, die sich bis ins Treppenhaus ausgebreitet hat. Fast bis zur Decke reichen ihre Blüten und die Wurzeln suchen sich im Raum ihren Weg. Rein physisch nimmt sie so viel Platz ein, dass Berührungen beinah unvermeidlich sind. Sie sind sogar gewünscht. Wer genau hinhört, hört leise Geräusche. Mit wenig Fantasie könnten dies die Geräusche der wachsenden Pflanze sein.

„Wir sind aufgefordert uns einzuschmiegen auf einer Art Liege um uns umfangen zu lassen von der sanften Macht dieses seltsamen Wesens. Zumindest symbolisch kann der Mensch hier wieder zur Natur finden und spüren, dass er als Bestandteil dieser Natur eine Verantwortung trägt. Er kann sich der Frage stellen, wie viel Platz er einnehmen will in diesem Gefüge, wie viel Platz ihm überhaupt bleibt in diesem Gefüge, wenn er immer mehr dazu neigt, dieses sensible Zusammenspiel durch Plastikimitate zu ersetzen. Imitate, die zwar leuchten und duften, aber letztlich ohne Lebenshauch sind“, so Dr. Christian Krausch weiter.

So werden in der Ausstellung von Ilka Sulten Plastikblumen und Plastikobjekte persifliert und stehen als Spiegel im gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang wie Mythen des Alltags vor unseren Augen. Nach Ilka Sulten macht sich der Mensch selbstständig abhängig von seiner äußeren Struktur, indem er nicht seine eigene Welt und Träume aufbläst und ins Leben erweckt, sondern durch Konsumgüter sowie verkrustete Handlungsweisen, die seine Scheinwelt glorifizieren.

Die Ausstellung ist bis zum 13. April freitags von 16 bis 20 Uhr, samstags von 14 bis 20 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen.

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