„Große Koalition“ gegen demokratischeres Wahlrecht – FDP-Initiative im Landtag abgelehnt

Hauptredaktion [ - Uhr]

wahlzettel.jpgDer Landtag hat heute eine Initiative der FDP für mehr Demokratie beim Wählen abgelehnt. SPD, CDU und Grüne verwarfen im Kommunalausschuss den Vorschlag, den Wählern bei Kommunalwahlen in Zukunft mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Räte zu geben.

Nur die Linke unterstützte die Initiative der Liberalen. Die Initiative „Mehr Demokratie“ kritisierte die Ablehnung als „kurzsichtig und rückwärtsgewandt“.

Die FDP hatte die Einführung eines in bereits 13 Bundesländern praktizierten Wahlrechts auch in NRW gefordert. Beim so genannten „Kumulieren und Panaschieren“ können die Wähler gezielt Mandatsbewerber aus dem Angebot aller Parteien auswählen.

Sie erhalten dafür mehrere Stimmen, die sie auf einzelne Kandidaten häufeln oder an verschiedene Bewerber verteilen können. In die Räte ziehen dann die Politiker ein, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnten.

Bisher können die Bürger bei Kommunalwahlen in NRW nur starre Listen ankreuzen, die Kandidatenreihenfolge darauf aber nicht verändern.

Die Landtagsmehrheit lehnt ein kandidatenbezogeneres Wahlrecht ab. Sie fürchtet den höheren Organisationsaufwand und sieht die Wähler überfordert. Städte und Kreise sehen Mehrkosten auf sich zukommen.

Mehr Demokratie sieht hingegen beim geltenden Wahlsystem sehr viele Probleme. „Durch das aktuelle Wahlrecht entstehen sehr viel Überhang- und Ausgleichsmandate“, erläuterte Landesgeschäftsführer Alexander Slonka.

Bei der letzten Kommunalwahl 2009 seien 1.206 Mandate mehr vergeben worden als nötig. Außerdem machten die jetzigen Stimmzettel für die Wähler nicht sichtbar, welche Kandidaten für eine Partei anträten, weil immer nur die ersten drei Mandatsbewerber auf einer Liste genannt würden.

Mit nur einer Stimme seien die Möglichkeiten der Wähler, ihren politischen Willen auszudrücken, außerdem sehr beschränkt. „Es geht nicht darum, dass die Wähler die bessere Kandidatenauswahl treffen, sondern darum, dass sie das Recht auf eine Auswahl haben, weil sie der Souverän sind“, so Slonka.

Laut Mehr Demokratie haben Nachwahlbefragungen etwa in Bremen und Hamburg ergeben, dass die Wählerinnen und Wähler mit dem Mehrstimmenwahlrecht gut zurecht kommen und auch sehr zufrieden damit sind.

„Wählen ist ein Vorgang, der sehr viel mit Vertrauen zu tun hat“, erläuterte Slonka. Die Persönlichkeitswahl stärke die Identifikation mit der Demokratie und stabilisiere diese damit.

http://nrw.mehr-demokratie.de/nrw-kommunalwahl.html

[PM]

pfeil-rechts1http://www.bz-mg.de/nach-den-wahlen/kommunalwahl-2009/mehr-demokratie-das-sagen-die-gladbacher-parteien-dazu.html

pfeil-rechts1http://www.bz-mg.de/politik-verwaltung-parteien/cdu/fdp-mehr-demokratie-beim-wahlen.html

4 Kommentare zu “„Große Koalition“ gegen demokratischeres Wahlrecht – FDP-Initiative im Landtag abgelehnt”
  1. @ Henner Steigert

    Mit Ihrer Vermutung Richtung „Koalitionszwang“ liegen Sie in bezug auf die Grünen schon richtig.

    In einer Pressemitteilung von Torsten Sterk von „Mehr Demokratie“ schreibt dieser (letzter Absatz der Pressemitteilung):

    „Die Grünen konnten sich als Befürworter des Kumulierens und Panaschierens in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD nicht durchsetzen.“

    Der Link dazu:

    http://nrw.mehr-demokratie.de/7106.html?&tx_ttnews%5BbackPid%5D=7234&tx_ttnews%5Btt_news%5D=11219&cHash=499cd62dde553d3394f7a9d1e1777b35

    Womit wir wieder beim Thema „Fraktions-, Koalitions- oder Kooperationszwänge“ der Politik/Parteien wären, auf die auch Rainer einging.

  2. @ Rainer

    Wenn Sie mit Recht die Situation mit und um die Fraktionen und die mangelnde und eher hinderliche Sachkenntnis bemängeln, dann gilt es doch gerade dieses System zu ändern.

    Ein System, das ich mal als „1-Kreuzchen-Wahlverfahren“ bezeichnen möchte.

    Wäre es nicht besser, dass man in Kenntnis der sich zur Wahl stellenden Politiker, deren Engagement, deren Kompetenz und deren Bürgernähe, sie wählt/wieder wählt?

    Wäre es nicht besser, wenn der Bürger durch mehrere Kreuzchen gerade diesen den Vorzug gibt, als den ständigen fraktionsinternen Jasagern und Nichtstuern, die genau aus diesem Grund von den Parteien als Direktkandidaten aufgestellt oder an oberster Stelle ihrer Reservelisten gestellt werden?

    Die Entscheidung, welche Kandidaten aufgestellt wird und wer an welcher Stelle auf die Listen kommt, werden sich die Parteiführungen nicht aus der Hand nehmen und erst recht nicht dem „normalen“ Bürger in die Hand geben. Das ist und bleib ein Wunschtraum.

    Und dann noch abschließend: Wieso funktionieren Kumulieren und Panaschieren in anderen Bundesländern?

    Wieso sind die Bürger dort nicht „überfordert“?

    @ Ypsilon

    Sie zitieren Herrn Körfges: „Das Land sei mit dem aktuellen Kommunalwahlrecht gut gefahren. Es ermögliche eine gute Mischung aus der Festlegung der Kandidatenreihenfolge durch die Parteien und die Belohnung guter Politik durch die Auswahl eines Direktkandidaten im Wahlbezirk durch die Wähler.“

    Ist das Ignoranz oder Arroganz oder beides gleichzeitig?

    Nicht das Land „ist mit dem aktuellen Wahlrecht gut gefahren“, sondern die Parteien, die alles verhindern wollen, was ihre „fetten Pfründe“ (@ Rainer) schwinden lassen können.

    Und dass die Parteien ihre Direktkandidaten wegen „guter Politik“ belohnen wollen, oder die Wähler diese gar belohnen, grenzt zumindest für Mönchengladbach an Verhöhnung und Anmaßung.

    Denn gerade in der Mönchengladbacher SPD, der Herr Körfges ja angehört, kann man die „Bürgervertreter“, die eine „Belohnung“ verdient hätten, an zehn Fingern abzählen.

    Die meisten anderen sind genau die, für „die Fraktionssitzungen nicht viel mehr als eine Befehlsausgabe (das hässliche Wort „Fraktionszwang“ möchte ich vermeiden)?“ sind (@ Rainer).

    Und die tauchen erst dann wieder auf, wenn Kreuzchen zu vergeben sind, um sich ihre „Belohnung“ abzuholen.

    Hoffentlich bekommen die dann bei der nächsten Wahl ihre „Belohnung“ und gehen ohne Kreuzchen nachhause.

    Übrigens:

    Dass auch die Grünen im Landtag dieses „Spielchen“ mitgemacht haben, ist doch recht verwunderlich. Aber vielleicht unterliegen die in Düsseldorf dem gleichen „Kooperationszwang“, wie hier in Gladbach in der Ampel.

  3. In den 13 Bundesländern sind nicht nur die Wähler überfordert, sondern auch die ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und -helfer.

    Die Stimmzettel für die Kommunalwahl sind riesig, ca. 8 DIN-A4 Seiten und somit unübersichtlich und nicht einfach zu verstehen.

    In Mönchengladbach müssten deshalb 1500 Personen für die Kommunalwahl geschult werden, weil sich die Wahlhelferinnen und -helfer nicht das ganze Jahr über mit Wahlen beschäftigen, sondern nur alle paar Jahre.

    Lohnt sich der organisatorische Mehraufwand für eine bessere Zusammensetzung der Parlamente?

    Sind die Fraktionssitzungen nicht viel mehr als eine Befehlsausgabe (das hässliche Wort „Fraktionszwang“ möchte ich vermeiden)? Werden demokratisch gesinnte, selbständig denkende Menschen nicht ständig vonseiten der Fraktionsführung unter Druck gesetzt, ihre eigenen Positionen zugunsten der Fraktionssicht zurückzustellen?

    Sind vorhandene Sachkenntnisse ebenso nur hinderlich? Haben wir nicht zu viele stromlinienförmige Politiker?

    Warum werden die Bürger nur alle paar Jahre zur Wahlurne gerufen, um dann in der übrigen Zeit völlig ignoriert zu werden?

    Am Wahltag Einfluss auf die Zusammensetzung der Parlamente zu nehmen ist zu spät, weil ja nur die Vorschläge der Parteien auf dem Stimmzettel stehen.

    Nicht die Parteien, sondern die Wähler sollten entscheiden, welche Kandidaten auf die Stimmzettel kommen – oder gleich blanko Stimmzettel ausgeben, damit jeder Wähler seine Kandidaten auf den Stimmzettel schreiben kann.

    Durch Panaschieren und Kumulieren wird das vorhandene System nur kosmetisch verschönert – eine grundsätzliche Debatte über das Wahlrecht unterbleibt somit. Jede grundsätzliche Änderung würde auch bei keiner Partei auf Gegenliebe stoßen.

    Wer gibt schon freiwillig seine fetten Pfründe auf?

  4. Na prima! In 13 Bundesländern haben es die überforderten Wähler geschafft zu panaschieren und zu kumulieren.

    Warum sollten die Wähler in Nordrhein-Westfalen es nicht schaffen damit zurecht zu kommen? Dank an die „Landtagsmehrheit“, dass sie uns Bürger mal wieder nicht überfordern will! Wie gut, dass dieselben Bürger es noch so grade geschafft haben diese „Landtagsmehrheit“ zu wählen!

    Wie arrogant ist diese Aussage:

    „Die Landtagsmehrheit lehnt ein kandidatenbezogeneres Wahlrecht ab. Sie fürchtet den höheren Organisationsaufwand und sieht die Wähler überfordert.“

    Fürchtet die „Landtagsmehrheit“ wirklich nur den Organisationsaufwand oder vielmehr das kandidatenbezogenere Wahlrecht? Wie schrecklich wäre es, wenn nicht mehr Parteienklüngel und Parteienseilschaften bestimmen wer auf die vorderen Listenplätze kommt?

    In Bayern nutzten 80% und in Baden-Württemberg sogar 90% der Wähler die Möglichkeit anders zu wählen als es die Listen der Parteien vorsahen und entschieden sich auch für einzelne Kandidaten!

    Warum sollten wir in NRW das nicht auch schaffen? Sind wir dümmer oder könnten uns Kandidaten so sehr beeinflussen, dass wir diese wählen und die auf den Listen leer ausgingen?

    Wie „schrecklich“ wäre es, wenn die Wähler sich für einen von ihnen favorisierten Kandidaten entschieden? Das könnte bedeuten, dass die über Listen (die die Parteien nach deren Gutdünken aufstellen) zu wählenden Politiker „draußen“ blieben. Das könnte passieren, wenn alle einer Partei zur Verfügung stehenden Mandate über Direktmandate besetzt würden.

    Noch schlimmer: auch Kritiker und Querdenker aus Parteien hätten die Chance durch die Bürger gewählt zu werden.

    Interessant zu lesen, was Herr Körfges dazu meinte:

    „Hans-Willi Körfges stellte als SPD-Landtagsabgeordneter eine seltene Einmütigkeit zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten bei der Ablehnung des Kumulierens und Panaschierens fest. Dem FDP-Abgeordneten Engel warf er vor, in seiner Rede nur Allgemeinplätze verbreitet und keine Argumente gehabt zu haben. In der von Großstädten geprägten NRW-Landschaft seien große Wahlzettel wie etwa in Hessen keine Entscheidungshilfe. Das Land sei mit dem aktuellen Kommunalwahlrecht gut gefahren. Es ermögliche eine gute Mischung aus der Festlegung der Kandidatenreihenfolge durch die Parteien und die Belohnung guter Politik durch die Auswahl eines Direktkandidaten im Wahlbezirk durch die Wähler.“

    http://nrw.mehr-demokratie.de/7089.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=9462&tx_ttnews%5BbackPid%5D=924&tx_ttnews%5Bpointer%5D=3&cHash=eb4b810396c0c4f3182579cedbc63796

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