UN-Konvention & NRW-Landesgesetze: VdK wartet auf Beantwortung vieler Kernfragen

Red. Gesundheit & Soziales [ - Uhr]

logo-vdk-nrwBekanntlich tritt der Sozialverband VdK für die sozialrechtlichen Belange u.a. behinderter Menschen ein, vor Ort in der sozialrechtlichen Praxis durch Unterstützung im Einzelfall, auf Bundes- und Landesebene hinsichtlich der Gesetzgebung. Im Juli 2002 hatte sich die Landesregierung ausführlich mit der Situation behinderter Menschen in NRW beschäftigt (Landtags-Drucksache 13/2864).

Mit der Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in deutsches Recht hat sich die Rechtslage verändert.

Experten gehen allerdings davon aus, dass sich aus der UN-Konvention kaum direkt einklagbare Rechte und Ansprüche ergeben.

Daher müssen die bestehenden Bundes- und Landesgesetze selbst der neuen Rechtslage angepasst werden, z.B. die Landesschulgesetze und die Landesbauordnungen.

Ein besonderes Augenmerk kommt dabei dem Recht auf einen gleichberechtigten und gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Menschen zu, das nach Art. 24 UN-Konvention sicherzustellen ist.

Im bestehenden deutschen System, das eine deutliche Trennung von Regelschulen auf der einen und Förderschulen auf der anderen Seite vorsieht, ist die Hürde für eine schnelle Umsetzung inklusiver Maßnahmen allerdings sehr hoch.

Hier ist es aus Sicht des Sozialverbandes VdK NRW erforderlich, eine genaue Bestandsaufnahme des Schulsystems in NRW und dabei insbesondere der Hindernisse für eine Umsetzung der Inklusion von Menschen mit Behinderung durchzuführen.

Vor diesem Hintergrund stellte der VdK NRW im August 2009 der NRW-Landesregierung diese Fragen (deren Beantwortung auf sich warten lässt):

1.    
Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viele und welche öffentlichen Gebäude der Länder und der Kommunen barrierefrei iSd. § 3 BGG sind?

  • Wenn ja, welche Gebäude sind für welchen Personenkreis von Menschen mit Behinderung barrierefrei?
  • Wie viele und welche Einrichtungen sind nicht barrierefrei?

2.
Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viele und welche

  • Kinderkrippen und Kindergärten in NRW behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam pädagogisch betreuen und
  • wie viele und welche Schulen in NRW einen Gemeinsamen Unterricht und/ oder Integrative Lerngruppen behinderter und nichtbehinderter Menschen bereits praktizieren?

3. 
Zum Zeitpunkt des o.g. Berichts war die Landesregierung noch damit beschäftigt, die Erfahrungen aus dem Modellversuch „Gemeinsamer Unterricht“ auszuwerten und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Hat sich der Gemeinsame Unterricht aus heutiger Sicht, also sieben Jahre später und vor dem Hintergrund veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen, über das Stadium von Modellprojekten hinaus etabliert?

4.
Wie und mit welchen Mitteln unterstützt die Landesregierung die nach Art. 24 UN-Konvention zumindest in der Perspektive erforderliche flächendeckende Einführung des Gemeinsamen Unterrichts?

Wie und mit welchen Mitteln wird der Integrative Unterricht unterstützt?

5.
Bislang besuchen in Deutschland lediglich 15,7% der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Regelschule.

  • An wie vielen und welchen Regelschulen in Nordrhein-Westfalen, in denen der gemein­same Unterricht praktiziert wird, bzw. in welchen der 54 Schulamtsbezirke werden zurzeit
    • gehörlose/ stark hörgeschädigte Kinder
    • blinde/ sehbehinderte Kinder
    • Kinder mit Lernbehinderung
    • Kinder mit Problemen in der emotionalen und sozialen Entwicklung (seelische Erkrankungen), Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung, Kinder mit körperlicher oder motorischer Behinderung,
    • Kinder, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, unterrichtet? Inwiefern trifft dies für integrativen Unterricht zu?
  • Wie schätzt die Landesregierung den künftigen (jeweils regionalen) Bedarf an entsprechender Unterstützung ein?
  • An wie vielen und welchen Regelschulen bzw. in welchen der 54 Schulamtsbezirke und in welchem zeitlichen Umfang in NRW wird der Unterricht unterstützt durch den Einsatz von
    • Gebärdendolmetschern,
    • brailleschrift-gestützten Computersystemen,
    • Sozialarbeitern bzw. Psychotherapeuten,
    • Sonderpädagogen.
  • Wie viele und welche der Regelschulen sind für Kinder, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, ausgerichtet? Für welche Schulamtsbezirke gilt das?
  • Wie schätzt die Landesregierung den künftigen (jeweils regionalen) Bedarf an entsprechender Unterstützung ein?

6.
Wie häufig wird der sonderpädagogische Förderbedarf von betroffenen Kindern überprüft?

Wie häufig ist es in den vergangenen Jahren vorgekommen, dass Schüler, deren sonderpädagogischer Förderbedarf sich im Laufe der schulischen Ausbildung reduziert, in eine Regelschule gewechselt sind?

7.
Beabsichtigt die Landesregierung den nach Art. 24 der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung behinderter und nichtbehinderter Kinder ausdrücklich ins Schulgesetz zu übernehmen?

Soll gleichzeitig den Eltern ein uneingeschränktes Wahlrecht hinsichtlich der Schulform (also Regel- oder Förderschule) ihres Kindes gewährt werden?

Falls nicht, warum?

8.
Existieren bereits Pläne der Landesregierung, wie eine flächendeckende Ausstattung der Regelschulen mit Sonderpädagogen erreicht werden kann?

Wie steht die Landesregierung zum Prinzip des „Wanderlehrers“ bzw. Springers (ambulante Sonderpädagogik)?

9.
Wie beabsichtigt die Landesregierung das Lehramtsstudium in Nordrhein-Westfalen anzupassen, da künftig vermehrt Schüler mit Behinderungen an Regelschulen unterrichtet werden?

Inwieweit soll die Weiterbildung für bereits berufstätige Lehrer angepasst werden?

10.  
Inwieweit ist das Land bereit, für die Aufnahme von mehr Kindern mit Behinderung in den Regelschulen zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen?

11.  
Um das Ziel eines flächendeckenden gleichberechtigten und gemeinsamen Unterrichts zu erreichen müssen sich aus unserer Sicht nicht nur die Schulen an die Bedürfnisse der Kinder mit Behinderung anpassen, sondern auch Eltern und Lehrerinnen und Lehrer müssen einen Lernprozess durchlaufen.

Welche Initiativen plant die Landesregierung, um Vorurteile und Berührungsängste abzubauen?

Inwieweit ist die Landesregierung bereit, bei einer solchen Initiative Behindertenverbände mit einzubinden?

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