Positionierung von B90/Die Grünen zum Haushalt 2008

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Damit sich die Leser der BürgerZeitung Mönchengladbach einen Überblick über die Positionen verschaffen können, veröffentlichen wir die Haushaltsreden der im Mönchengladbacher Rat vertretenen Parteien im Wortlaut. Wesentliche Abweichungen durch das „gesprochene Wort“ gab es nicht. Hier die Rede des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Karl Sasserath:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst einmal möchte ich mich im Namen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen bei allen bedanken, die zur Erstellung des HH-Entwurfs beitrugen. Es steckt eine gewaltige Arbeitsleistung darin, die Anerkennung verdient.

1. Ursachen erkennen und durcharbeiten

Es mag schmerzhaft sein, aber es ist nicht vergeblich: Wer sich mit den Haushaltsproblemen Mönchengladbachs auseinandersetzt, sollte die spezifischen Ursachen dafür kennen. Es sind die Folgen des bis in die 60er Jahre des vorherigen Jahrhunderts zurückreichenden, tiefgreifenden industriellen Strukturwandels, den diese Stadt erfahren hat, auf den sich die Haushaltsprobleme dieser Stadt im Wesentlichen zurückführen lassen. Unsere Stadt gehört zu denjenigen Orten in Europa, die von den Folgen der internationalen Arbeitsteilung früh und mit einer ungeheuren Dynamik in ihren Strukturen völlig verändert wurden. Globalisierung ist für unsere Stadt kein neuer Begriff, dürfte kein Fremdwort, nichts ungewohntes sein. Wer das spezifische unserer Stadt versteht, kann die sichtbaren Zeichen dieses gewaltigen Wandels fast überall erkennen. Fakt ist, die Folgen dieses gewaltigen Strukturwandels konnte die Stadt bis heute nicht bewältigen.

Die Auseinandersetzung mit diesem Wandel, seinen Zusammenhängen und Folgen birgt die große Chance, einen Weg aus dieser Krise zu finden, der von den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt verstanden und akzeptiert wird, einen Weg, den sie bereit sind, mitzugehen. Denn in dieser Tradition liegt der unverwechselbare Teil, die gemeinsame Identität der Menschen und unserer Stadt.

Die Verschuldung der Stadt resultiert auf der einen Seite aus einem jahrelang anhaltenden Zustand, wo hohen städtischen Ausgaben sinkende und stagnierende Einnahmen gegenüber standen. Hier rührt auch das Problem der viel zu hohen Kassenkredite her.

Auf der anderen Seite steht das politische Versäumnis und der jahrelang politisch herrschende Irrglaube in dieser Stadt, die lokale Strukturkrise werde sich allein über den Markt lösen lassen. Dieser herrschenden Mentalität wiederum entspringt die Bereitschaft namhafter politischer Kreise insbesondere in den Mehrheitsfraktionen von CDU und FDP, sich immer wieder auf neue, den Haushalt belastende Prestigeprojekte, wie z.B. ECE einzulassen, die dann aber die Stadt nicht weiterbringen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr Wahlverhalten ändern, wird die Stadt perspektivisch in der Lage sein, die Verschuldung zu bewältigen. Zur Bewältigung der Strukturkrise bedarf es dazu der Hilfe des Landes, des Bundes und der Europäischen Union.

2. Mini-Max, mit minimalem Mitteleinsatz maximale Ergebnisse erzielen

Bisher verzichtet Mönchengladbach auf Förderungen im Millionenbereich, obwohl das Haushaltsdefizit von ca. 1 Milliarde Euro die Stadt eigentlich zu massiven Anstrengungen zwingt, sich Handlungsspielräume finanziell zu erschließen. Solche politischen Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich durch die finanzielle Beteiligung an öffentlichen Förderprogrammen. Allein für die Jahre 2007-2013 stehen in NRW im Ziel2-Programm (EFRE) Mittel von insgesamt 1,283 Milliarden Euro zur Verfügung. Für die Akquise von Mitteln aus den Förderprogrammen der Europäischen Union (EU) benötigt die Stadt einen finanziellen Eigenanteil. Damit Mönchengladbach eine 90 %-ige Förderung generieren kann, muss ein Eigenanteil von 10% aufgebracht und auch im Haushalt veranschlagt werden. Das CDU/FDP unserem Antrag zur Einrichtung einer Haushaltsstelle für die Bereitstellung der erforderlichen Ergänzungsmittel mit einem Ansatz in Höhe von 4 Mio Euro pro Jahr nicht folgten und dadurch eine Akquise von Fördermitteln im NRW Ziel2-Programm (EFRE) für die Jahre 2007-2013 kaum möglich ist, ist kaum mehr nachzuvollziehen. Die Mini-Max Idee, mit minimalem Mitteleinsatz für Mönchengladbach ein maximales Ergebnis zu erzielen, bleibt CDU und FDP fremd.

3. Kostenverlagerung stoppen, Konnexitätsgebot umsetzen

Zunehmend verlagern das Land NRW und der Bund Aufgaben auf Städte und Gemeinden. Im Land NRW hat das Konnexitätsgebot Verfassungsrang. Doch auch hier kann Mönchengladbach nicht immer mit einem finanziellen Ausgleich rechnen. So z.B. bei der Umsetzung des Kinderbildungsgesetztes (KiBiz).

Die alte Forderung, das Konnexitätsgebot auf für die Verlagerung von Aufgaben durch den Bund einzuführen, ist bis heute nicht erfüllt worden. So trägt die Stadt Mönchengladbach 30% der 82 Mio Euro, die für die Unterkunftskosten der Arbeitslosengeld II Empfänger ausgegeben werden. Ãœber alle Parteigrenzen hinweg muss hier endlich Abhilfe geschaffen werden. Unterstützung erwarten wir hier insbesondere vom Mönchengladbacher Bundestagsabgeordneten Herr Dr. Krings.

4. Strukturelle Haushaltsprobleme durch zusätzliche Einnahmen verbessern

Anstatt sich der Lösung der strukturellen Haushaltsprobleme ausgiebig und nachhaltig zu widmen, beauftragten CDU/FDP lieber die Firma Rödl & Partner mit der Beantwortung der Frage, wie die Haushaltslage der Stadt Mönchengladbach verbessert werden könne. An Stelle eigener politischer Arbeit, der Nutzung vorhandener Kompetenzen in der Verwaltung oder der Bürgerschaft, belasteten CDU/FDP lieber den städtischen Haushalt mit 200.000 Euro für die Erstellung dieses unnötigen Gutachtens.

Daraus nur ein Beispiel: Bekanntlich folgten CDU/FDP dankbar der Rödl-Empfehlung, die städtischen RWE Aktien zu verkaufen – obwohl der Verkauf der Stadt keinen wirtschaftlichen Nutzen bringt. Die Richtigkeit gegen den Aktienverkauf zu votieren, belegt die Änderungsliste, die der Kämmerer gerade zum Etat vorgelegt hat. Der Zinssatz für die Kassenkredite wurde von 4,5% auf 4% reduziert, was einer Reduzierung des Zinsaufwandes von 3 Mio Euro entspricht. Die Reduzierung durch den RWE Aktienverkauf schätzt der Kämmerer auf 6 Mio Euro.

Für 2008 verzichtet die Stadt in Folge des Aktienverkaufs auf die RWE Dividenden in Höhe von insgesamt 3,576 Mio. Euro; für 2011 wird der Einnahmeausfall schon auf 6,83 Mio Euro von der Kämmerei beziffert. Einmalig sollte der Aktienverkauf 150 Mio Euro bringen,- bis heute fiel aber der Kurs der RWE Stammaktie schon um 3 Euro, die Vorzugsaktie gar um 5 Euro. Fazit: Die euphorische Verkaufserwartung dürfte wohl kaum erreicht werden kann. Zu dem beläuft sich die Kapitalertragssteuer für die Stadt nach einem Verkauf von der Stadt zu entrichten, auf 9,5 Mio Euro. Bisher waren die RWE Aktien in den so genannten städtischen Betrieben gewerblicher Art eingelagert , was der Stadt einen steuerlichen Vorteil für diese Betriebe brachte.

Der beschlossene RWE Aktien Verkauf und die daraus resultierende einmalige Einnahme von vorteilhaft geschätzten 150 Mio Euro ändern nichts an den strukturellen Haushaltsproblemen der Stadt. Zu deren Lösung ist es unabdingbar, endlich die Einnahmeseite des Haushalts zu verbessern,- z.B. indem die Beteiligungsgesellschaften viel stärker wie bisher einen erforderlichen Beitrag zur Konsolidierung leisten.

5. Ressourcen sinnvoll und ergebnisorientiert einsetzen

Ausgaben und Aufgaben einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, sollte eigentlich eine politische Daueraufgabe sein. Das ECE-Projekt bietet ausgiebigen Anschauungsunterricht dafür, wie es hierum in unserer Stadt bestellt ist. Seitdem die Hamburger Projektentwickler ihre Zelte in Mönchengladbach aufschlagen durften, regiert in der Stadtentwicklung Mönchengladbachs der Stillstand.

Politisch längst beschlossene Maßnahmen, wie z.B. in Rheydt bleiben liegen, werden einfach jahrelang nicht umgesetzt. Zu Recht erzürnt ein solches politisch zu verantwortendes Unterlassen die Bürgerschaft. Gleichzeitig beauftragen CDU/FDP die Stadtverwaltung fortlaufend mit Untersuchungs- und Planungsaufträgen aller Art.

Als wenn dies noch nicht genug wäre, werden dann weitere Gutachten an externe Beratungsunternehmen vergeben. Allein die Stadt verausgabte bisher 540.000 Euro für externe Gutachten und Planungsaufträge, die im Zusammenhang mit ECE stehen. Hinzu kommen solche, die von der EWMG vergeben wurden und werden. Nicht zu vergessen die enormen Verwaltungskosten, die bisher schon durch das Projekt entstanden sind. Fazit: Unverantwortlich ist es wie hier mit den personellen, sachlichen und finanziellen Ressourcen dieser Stadt umgegangen wird.

Ohne nach rechts und links zu sehen, werden Bebauungspläne vorbereitet, Straßen und Plätze geplant, Gutachten aufeinander getürmt, wird seit nunmehr fast drei Jahren Tag und Nacht an diesem Projekt gearbeitet. Und mit welchem Ergebnis? Nach drei Jahren stellen die ECE Befürworter auf einmal fest, jetzt muss alles europaweit ausgeschrieben werden.

Übernimmt irgendwer für dieses Desaster Verantwortung? Fehlanzeige! Es ist der in dieser Stadt herrschende Geist, der Mönchengladbach seit Jahren auf der Stelle treten lässt. Was dieser Stadt fehlt, ist die breite Fortsetzung des politischen Bewußtseinswechsels, der sich in Ansätzen an verschiedenen Orten dieser Stadt seit der letzten Kommunalwahl feststellen lässt.

6. Nachhaltig wirtschaften
Von den Grünen angestoßen, wurde die Verwaltung mit der Erarbeitung eines Klimaschutzkonzeptes für MG beauftragt. Im Haushalt 2008 sind dafür lediglich bei Weitem nicht ausreichende 10.000 Euro eingestellt. Wie in jedem Jahr sind auch in diesem Jahr die Ansätze für den Unterhalt und Sanierung städtischen Eigentums nicht auskömmlich. Städtisches Eigentum wird an vielen Stellen seit vielen Jahren nur noch ungenügend oder gar nicht mehr unterhalten.

Der Bürgerschaft begegnet dieser Vermögensverzehr als leerstehende Gebäude, verwahrloste Grundstücke, ungepflegte öffentliche Anlagen, Wege und Plätze in schlechtem Zustand, als Straßen voller Schlaglöcher öffentliches Eigentum und städtische Vermögenssubstanz werden so dem Verfall preisgegeben, entwertet. Instandhaltungsansätze stehen in krassem Missverhältnis zum erforderlichen Unterhalt. So setzt auch dieser Etat die seit Jahrzehnten herrschende Linie des Substanzverlustes konsequent weiter fort. Fazit: Nachhaltiges Wirtschaften in öffentlicher Verantwortung können CDU und FDP nicht.

7. Zusammenhänge erkennen und vorausschauend handeln

Die Unterbringungskosten von Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien leben können, verursachen mittlerweile auf der Ausgabenseite ca. 25 Mio Euro; alleine die Heimunterbringung kostet 19 Mio Euro. Wie in anderen Städten und Gemeinden praktiziert, könnte die Stadt direkt nach der Geburt eines Kindes jungen Müttern und Vätern Hilfen aufzeigen und sie bei der Erziehung unterstützen. Eine vorausschauende Sozialpolitik könnte hier Abhilfe schaffen.

Aber auch hieran fehlt es in Mönchengladbach. Seit Jahren melden immer mehr Eltern ihre Kinder an den Gesamtschulen Mönchengladbachs an. Dieses Jahr erhielten wiederum Eltern von über 500 Kindern in Mönchengladbach eine Abweisung. In den diesjährigen Haushaltsberatungen konnte für dieses Problem erneut keine perspektivische Lösung gefunden werden. An sie meine Damen und Herren von CDU und FDP möchte ich den Hinweis geben, dass Sie mit ihrer Ablehnung einer geeigneten Lösung nicht nur den Elternwillen und den Bildungswunsch von Kindern nicht respektieren, sondern auch ein gravierendes Strukturproblem in der Bildungslandschaft Mönchengladbachs aussitzen.

8. Identifikation pflegen, soziales Kapital achten

Das größte Kapital über das unsere Stadt verfügt, ist das Engagement, das Menschen ihrer Heimatstadt entgegenbringen. Dieses setzt ein hohes Maß an Identifikation der Menschen mit dem Ort, an dem sie leben, voraus. Dieser Grad an Identifikation bestimmt nicht unwesentlich darüber, inwieweit sich Menschen für ihre Stadt, in ihr engagieren. Hierbei handelt es sich um das empfindlichste Kapital. Mönchengladbach befindet sich seit Jahrzehnten in einer dramatischen Haushaltskrise. Eine Krise, die den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt stark einschränkt. Über keinen genehmigten Haushalt zu verfügen, bedeutet für die Opposition, ihre Vorschläge fortlaufend durch den Kämmerer mit der Frage konfrontiert zu sehen, ob es sich dabei um kommunale Pflichtaufgaben handele. Freiwillige Aufgaben seien passe.

In einer Zeit der permanenten kommunalen Haushaltskrise müssen wir uns fragen, was hält diese Stadt eigentlich zusammen. Ist es die Suche nach gemeinschaftlichen, vom Konsens getragenen Lösungen, mit denen sich dieser Rat die breite Zustimmung weiter Bevölkerungskreise erschließt.

Gelang dies beim Pahlkebad, bei der Frage, wie viel Stadtbezirke diese Stadt benötigt, an der Antwort auf die Frage, welche städtebauliche Lösungskonzeption die beide Zentren eint statt spaltet? Zugegeben der Souverän hat der Stadt bisher ungewohnte politische Konstellationen gegeben. Aber verlangt eine Demokratie nicht, den Willen des Souveräns zu respektieren?
Niemand hat vor der letzten Kommunalwahl öffentlich erklärt, das Pahlkebad abreißen zu wollen. Den ECE Befürwortern sei gesagt, mit einem Einkaufscenter, das im einen Zentrum der Stadt auf breite Ablehnung stößt und im anderen Zentrum als Angriff auf die wirtschaftliche Existenz gesehen wird, kommt die Stadt nicht weiter. Auch hier gilt, wenn Du ein totes Pferd reitest, steig ab!

In einer Zeit der permanenten kommunalen Haushaltskrise muss unsere Stadt alles dafür tun, sich das Engagement und die Identifikation seiner Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich dieser Anspruch auch in den politischen Lösungen, den Antworten die dieser Rat für die großen vor ihm liegenden Herausforderungen findet.

Lassen Sie uns an dieser Stelle einen gemeinsamen Dank aussprechen, einen Dank für das großartige Engagement, das von so vielen Menschen in den verschiedensten Vereinen, Stiftungen, Organisationen für unsere Stadt geleistet wird. Sie alle machen unsere arme Stadt reich. Dieses Engagement zu erhalten, bedarf gerade in unserer Stadt der permanenten Pflege. Hierbei handelt sich dabei um eine politische Daueraufgabe.

Warum lehnt die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen den Haushalt 2008 ab?

Der Haushalt 2008 ist alleine von den Mehrheitsfraktionen von CDU und FDP zu verantworten. Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die nachhaltig eine strukturelle Verbesserung der Haushaltssituation brächten, wurden von den Mehrheitsfraktionen abgelehnt.

Der Etat 2008 beinhaltet Ausgaben, wie z.B. die 14,5 Mio Euro zur Subventionierung des ECE-Projektes, die in ihren baulichen und finanziellen Auswirkungen gegenüber der Bürgerschaft nicht zu verantworten sind. ECE spaltet die Stadt. Wir brauchen in Mönchengladbach aber Projekte, die die Stadt einen. Dieser Haushalt erkennt die Möglichkeiten, mit minimalem Mitteleinsatz maximale Ergebnisse zu erzielen, nicht.

Er verbessert die strukturellen Haushaltsprobleme nicht durch zusätzliche Einnahmen. Dieser Haushalt unterzieht Ausgaben und Aufgaben keiner kritischen Überprüfung. Er bietet zur Lösung der strukturellen Probleme Mönchengladbachs keine Perspektive.

Deshalb lehnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Haushalt 2008 ab.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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