Schulentwicklungsplanung 2010 • Teil I: Das Konzept 2009 [mit O-Ton Ulrich Elsen]

Red. Schule, Studium & Arbeitswelt [ - Uhr]

bzmg-140010„Man könnte so schön Schule verwalten, wenn da nicht Eltern, Schüler und Lehrer wären.“ Das zeigt sich schon im Schulentwicklungsplan 5 (SEP5) aus dem Jahr 2006 und setzt sich aktuell im so genannten „Konzept zur Neustrukturierung der Schullandschaft“ fort, das dem Anspruch, einer Fortschreibung des SEP5 zu sein, kaum gerecht zu werden scheint.

BZMG hatte am 10.12.2009 Gelegenheit ausführlich mit dem Schulausschussvor­sitzenden Ulrich Elsen (SPD) zur Schulentwicklung in Mönchengladbach zu sprechen. Die Interviewergebnisse stellen wir in  dieser REIHE „Schulentwicklungsplanung“ vor.

Das Schulrechtsänderungsgesetz NRW vom 1. August 2006 hob mit dem Schuljahr 2008/09 die Grundschulbezirke auf. Damit entfiel eine wesentliche Planungsgrundlage, um das örtliche Grundschulangebot ökonomisch und effizient zu gestalten.

Die Verwaltung ging zwar auch im SEP5 davon aus, dass Eltern überwiegend die wohnortnächste Grundschule wählen würden, schränkt allerdings ein, dass das Ausmaß dieses Wahlrechts in puncto Schülerströme letztlich abzuwarten ist und konkrete Informationen in den nächsten Jahren erst einmal gewonnen werden müssen. 

Insofern könnte das „Konzept“ – zumindest im Grundschulbereich – allenfalls die erste Fortschreibung des SEP5 sein, wenn Dr. Fischer die Daten zu jeder einzelnen Grundschule fortgeschrieben hätte. Diese Daten gibt es sicherlich, nicht aber in Fischer’s Konzept.

Wie waren die Erwartungen ins das Konzept? Hoch? Verhalten? Abwartend?

„Abwartend“ trifft es wohl am ehesten.

Das mit Spannung – oder sagen wir besser mit politischer Neugier – erwartete Papier – pardon, Konzept – kam und die Reaktionen waren bzw. sind keineswegs begeistert.

  • Bewegung im Grundschulbereich
  • Das AUS für (die ersten) 3 Hauptschulen.
  • Mehr Gesamtschulplätze?

War’s das?

BZMG hat sich intensiv mit dem vom Dezernenten Dr. Fischer (CDU) vorgelegten „Konzept“ befasst. 

Aber was heißt hier eigentlich Konzept?

„Konzept (v. lateinisch: concipere = erfassen, in sich aufnehmen, conceptus = das Erfasste, das Verfasste) bezeichnet:

  • einen Plan, ein Programm für ein Vorhaben,
  • einen ersten Entwurf,
  • eine Vorstufe einer Theorie,
  • eine gedankliche Zusammenfassung (Vorstellung) von Gegenständen und Sachverhalten, die sich durch gemeinsame Merkmale auszeichnen, siehe Begriff und Vorstellung.“

(Wie alle Zitate in diesem Artikel – Quelle: Wikipedia)

Hat der Sport-, Kultur- und Schuldezernent Dr. Fischer (CDU) einen Plan?

Hat er den Politikern auch eine Entscheidungsgrundlage vorgelegt, die dem Anspruch des Titels des Papiers „Konzept zur Neustrukturierung der Schullandschaft“ auch gerecht wird? 

Einen Plan hat er:

  • Das System Hauptschule stärken durch Schließungen.
  • Grundschulen zusammenlegen bzw. deren Regelzügigkeit festlegen analog zur Entwicklung der Schülerzahl in Stadtteilen.
  • Eine kostenneutrale, bewahrende Schulstruktur.

Da, wo es in seinen Plan passt, gibt es auch Daten in seinem Konzept, da wo nicht, fehlen sie.

Womit getreu der Definition des Wortes „Konzept“ die Verwaltung bei ihrer Vorlage auch nicht falsch liegt: Ein Konzept ist auch nebulös, eben „ein erster Entwurf“, „Vorstufe einer Theorie“, „eine gedankliche Zusammenfassung“. 

Die Definition des Wortes „Konzept“ ist damit noch nicht zu Ende, das wäre zu einfach: 

„Eine Fehlerquelle bei der Abgrenzung unterschiedlicher Konzepte zueinander ist die Anwendung scharfer Logik in der Diskussion dann, wenn Konzepte nicht scharf abgrenzbar sind, die Grenzen also Grenzbereiche sind.

Als Mengen betrachtet, unterscheidet sich ein Konzept von einem anderen Konzept durch die Unterschiedlichkeit der Elemente der Konzepte.

Die scharfe Abgrenzung ist dabei ein Sonderfall der weichen Abgrenzung. Bei letzterer unterscheiden sich gleiche Elemente von Konzepten zum Beispiel hinsichtlich ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit, ihrer Gewichtung oder ihrer örtlichen Abweichung voneinander.

Mit Hilfe unscharfer Logik können aber auch bei Vorliegen unscharfer Abgrenzungen scharfe Entscheidungen bezüglich der Auswahl aus einem Angebot an Konzepten getroffen und damit unergiebige Diskussionen vermieden werden.“

Zu kompliziert? Wer sagt, dass Schulpolitik einfach ist. Das ganze erinnert eher an die berühmte Quadratur des Kreises:

  • Schülerzahlen sinken und alle Schulen sollen weiter bestehen.
  • NRW-Bildungsoffensiven für die Hauptschulen, die aber irgendwie an den Lehrern und Eltern vorbeilaufen.
  • Mehr vom Land NRW torpedierte Gesamtschulplätze, die der Stadt nichts kosten dürfen.

Eine Konzeption (w; Verb: konzipieren, Adjektiv: konzeptionell, aus dem Lateinischen concipere: auffassen, erfassen, begreifen, empfangen, sich vorstellen) ist eine umfassende Zusammenstellung der Ziele und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren und deshalb strategisch zu planenden Vorhabens.

Sie beinhaltet die dazu notwendigen Informationen und Begründungszusammenhänge, häufig darüber hinaus auch eine Chancen-Risiken-Abwägung sowie einen Zeit- und Maßnahmenplan und eine Ressourcenplanung (Zeit, Geld, Material, Personal).

Informationen und Begründungszusammenhänge werden in Dr. Fischer’s Konzept geliefert: im Grundschul- und im Hauptschulbereich. Hier finden sich streckenweise sogar detaillierte, textliche Darstellungen von Schülerströmen. 

Chancen-Risiken-Abwägungen finden sich im Gesamtschulbereich.

Der Zeit- und Maßnahmeplan ist die bis 2014 prognostizierte Entwicklung der Schulen: im Grundschul- und Hauptschulbereich bis auf den einzelnen Schulstandort heruntergebrochen, bei Realschulen und Gymnasien reichen Dr. Fischer gesamt-städtische Zahlen, bei Gesamtschulen … kommt drauf an.

Und worauf? 

Auf das Ziel. Damit auch ein strategisch zu planendes Vorhaben umgesetzt werden kann.

Die Vorgabe dieses Ziels wurde allerdings bei Beauftragung der Verwaltung (vor der Kommunalwahl – wir berichteten) mangels politischen Willens zur Veränderung verpasst. 

Ergo hat der Dezernent „freie Hand“ in der Festlegung von Zielen und Vorgehensweisen: die Quadratur des Kreises.

Dr. Fischer ist auch Kulturdezernent, kennt den Wert schöpferischer Kraft und versuchte folge dessen in künstlerischer Freiheit diese Nicht-Zielsetzung zu Papier zu bringen. Unter Konzept versteht sich auch „ein erster Entwurf“. 

Das Entwerfen ist eine zielgerichtete geistige und schöpferische Leistung, als Vorbereitung eines später daraus zu entwickelnden Gegenstandes. Entwerfen gilt als Schlüsseltätigkeit in einigen Bereichen der Bildenden Künste, spielt aber in vielen Aspekten des menschlichen Denkens und Handels eine Rolle, bei denen Kreativität und Planung eng miteinander verknüpft sind.

Jetzt ist wenigstens klar, warum die Ressorts „Schule“ und „Kultur“ bei einem Dezernenten vereinigt sind. 

„… In der Regel wird unter dem Begriff Entwurf jedoch eine Darstellung und Präsentation in Form von Texten, Zeichnungen, Grafiken und Modellen verstanden. Diese Darstellungen sind Mittel der Veranschaulichung und Kommunikation mit anderen Menschen. Anhand ihrer können Qualität, Funktionsweise und Funktionstüchtigkeit aber auch eventuelle Fehler eines Entwurfs überprüft, diskutiert und gegebenenfalls verbessert werden.

Die Darstellungen: Zahlenkolonnen. Graphische und leicht zu verstehende (und zu durchschauende) Aussagekraft? Fehlanzeige. 

Nicht einmal Bezüge zum SEP5, dessen Fortschreibung Fischer’s Papier sein soll, sind zu finden.

Texte werden mehrfach wiederholt, möglicherweise um Seiten zu füllen, möglicherweise aber auch, um den Lesern, also den Politikern, bestimmte Sachverhalte auch nachhaltig durch stetige Wiederholung „unvergesslich“ zu machen. 

Oder aber, den oft zeitlich überforderten ehrenamtlichen Politikern mit Masse (statt Klasse) das Verstehen des schwierigen Problemfeldes Schule nicht zu gerade zu erleichtern.

Das war schon beim SEP5 so. Aus weit über 500 Seiten mussten sich die Schulpolitiker die Essenz heraussuchen und fanden sich nur in ihren Stadt-/Wahlbezirken zurecht; verwaltungsgesteuerte Kirchturmspolitik par excellence.

Wenn die Politiker tatsächlich die Schullandschaft neu strukturieren wollen, dann bedarf es der qualitativen Nachbesserung des „Konzeptes“ in erheblichem Umfang: das Konzept lässt mehr Fragen entstehen, als es Antworten gibt.

Die Frage ist: Wollen die Politiker alle Antworten und will der Dezernent alle Fragen (beantworten)? Wie war das noch mit der Quadratur des Kreises? 

Keiner will sie stellen, aber alle wissen, dass sie längst gestellt ist: die System-Frage.

Die Frage nach der Ausrichtung des Schulsystems. Aber ein Konzept ist der Definition zu folge auch die Vorstufe einer Theorie. 

Eine Theorie ist ein vereinfachtes Bild eines Ausschnitts der Realität, der mit diesem Bild beschrieben und erklärt werden soll, um auf dieser Grundlage möglicherweise Prognosen zu machen und Handlungsempfehlungen zu geben. Jeder Theorie liegen mehr oder weniger deutlich ausformulierte Annahmen zugrunde. 

Dr. Fischer prognostiziert und empfiehlt zu handeln oder warnt zu handeln.

Es lassen sich Alltagstheorien und wissenschaftliche Theorien unterscheiden. Letztere unterscheiden sich von ersteren durch höheren Grad an Bewusstheit, ausdrückliche Formulierung, größeren Umfang und meist durch die Einbeziehung von systematischer Beobachtung, die der Prüfung der Theorien dient (empirische Prüfung). 

Jetzt ist endlich klar, welches Papier Dr. Fischer erarbeitet hat: das Konzept zur Neustrukturierung der Schullandschaft ist eine Alltagstheorie!

Die Politiker haben es nun in der Hand durch gezielte Fragen entscheidungsrelevante Daten wie z. B. von Schülerbewegungen und -entwicklungen, Schulwahlverhalten, Erst-Anmeldezahlen etc. abzufordern.

Nur durch präzise Fragen und präzise Antworten kommt Licht in die Mönchengladbacher „Schuldunkelheit“.

Nur so versetzt sich Politik in die Lage, Ziele und Vorgaben zu definieren, die der Schuldezernent in seiner Funktion als „ausführendes Organ“ zu realisieren und umzusetzen hat.

Nur so kann Schulpolitik in Mönchengladbach den Bedürfnissen von Eltern und Schülern gerecht werden.

Nur so wird eine gute Basis für die Realisierung des ach so strapazierten „Elternwillens“ geschaffen.

Nur so nimmt man denen die Chance, schon in der Verwaltung ihren „Parteibuch-Ideologien“ zu manifestieren.

Nur so kann Fischer’s Papier zu dem werden, was sein Name noch nicht hält: zu einer bedarfsorientierten, gesellschaftlich-zeitgemäßen Neustrukturierung der Schullandschaft in Mönchengladbach.

Welche „Knackpunkte“ Fischer’s Papier zu den einzelnen Schulformen enthält, haben wir mit dem Vorsitzenden des Schul- und Bildungsausschusses, Ulrich Elsen, erörtert.

Die Inhalte des sehr ausführlichen Interviews mit Elsen haben wir schulformbezogen aufbereitet. Die einzelnen Passagen mit entsprechenden O-Ton-beiträgen finden Sie nach und nach in dieser Themenreihe „Schulentwicklung“; das Interview führten Dagmar Pardon und Bernhard Wilms.

Grundsätzliche Positionierungen von Ulrich Elsen zum „Konzept“ hören Sie in diesem „O-Ton“:

[audio: 09-12-10-01-grundsatzliches-mono.mp3]

Bisher keine Kommentare

Ihr Kommentar