Konstruierter Murks • Wie Verbraucher zur Kasse gebeten werden

Hajo Stotz [SCOPE Industriemagazin] [ - Uhr]

Weihnachten 2012 bekam ich ein WLAN-Radio geschenkt – tolles Teil; nach nur einem Tag Einstellen hatte ich es auch schon am Laufen und hunderte von Internet-Sendern abgespeichert.

Gehört habe ich zwar immer dieselben drei, aber die Beschränkung hat nichts gefruchtet: Es findet kein Netzwerk mehr, und die Reparaturkosten würden den Neupreis erreichen.

Das Röhrenradio meiner Mutter kann zwar keine Sender speichern, hat die Maße eines Reisekoffers und Tasten größer als Lego-Steine – aber es funktioniert seit mehr als 50 Jahren klaglos.

Bei immer mehr Produkten hat man heute den Eindruck, dass sie nur für eine sehr beschränkte Laufzeit produziert werden und ihre Wartung als Deckungsbeitrags­bringer der Hersteller herhalten muss.

Handys, deren Lebensdauer der gesetzlichen Garantiezeit entspricht; Akkus, die nicht austauschbar sind; Updates, die Altgeräte immer langsamer machen; Autos, bei denen nicht einmal die Scheinwerferbirne mehr selbst zu tauschen ist; Mixer, deren Plastikzahnräder sich nach Garantieablauf gegenseitig zerfransen… .

Konstruierter Verschleiß ist der Industrie bereits seit dem Glühlampenkartell von 1924 nachzuweisen, das die Lebensdauer einer Birne auf 1.000 Stunden beschränkte.

Und 1928 brachte ein US-Magazin die Einstellung der Industrie auf den Punkt: „Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie fürs Geschäft.“

Doch trotz immer besserer Konstruktionsmittel wie CAD, FEM-Berechnung und Simulation nimmt der Verschleiß seither offenbar immer schneller zu.

In zehn Jahren haben wir uns wahrscheinlich auch daran gewöhnt, alle drei Jahre einen neuen Fernseher zu kaufen.

„Geplante Obsoleszenz“ heißt der Fachbegriff für den vorkonstruierten Murks und Stefan Schridde, Vorstand einer Verbraucherschutzorganisation, schildert in seinem gerade erschienenen Buch „Murks? Nein Danke!“ die Methoden der Hersteller.

Auf der gleichnamigen Facebookseite zeigt Schridde hunderte von Beispielen – oft offenbart von Ingenieuren der Unternehmen, die den Murks produzieren.

Es würde schon etwas bewegen, wenn der Verbraucher die Gesamtkosten eines Produktes über die Lebensdauer vor dem Kauf richtig einschätzen könnte, um sich beim Kauf entsprechend zu orientieren – etwa durch grün-gelb-rote Punkte für die Gesamtkosten über zehn Jahre.

Hier könnte ja die EU endlich mal sinnvoll tätig werden… .

Für meine Gillette-Rasierklingenköpfe, die nach dem fünften Gebrauch nur noch schmirgeln und die Ersatzpackung teurer ist als der Rasierer selbst, habe ich jetzt übrigens einen lebensver­längernden Trick gefunden: Einige Male gegen die Rasur-Richtung über die Jeans gezogen, und sie sind wieder so scharf wie am ersten Tag… .

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Der Autor ist Chefredakteur von SCOPE-Industriemagazin für Produktion und Technik
Verlag WEKA BUSINESS MEDIEN GmbH, Darmstadt

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Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

2 Kommentare zu “
Konstruierter Murks • Wie Verbraucher zur Kasse gebeten werden”
  1. Ja, ich habe mich auch schon über sowas geärgert.

    Kaum ist der Fön zwei oder drei Jahre alt, kann man sich schon drauf einrichten, dass der bald nicht mehr funktioniert.

    Das ist bestimmt nicht nur mir schon passiert. Ich meine jetzt kein Billigteil. Ist mir sogar schon mit einem Pürierstab (angebliches Markenprodukt) passiert.

    Echt nervig und ärgerlich. Es wird ständig Müll produziert und wir wundern uns, dass die Rohstoffe nicht mehr reichen. Eben krank dieses Geschäftsmodell.

    Ich finde diese Repaircafes toll.

    In Repaircafes kann nicht alles wieder repariert werden, aber die Idee finde ich gut. Für beide Seiten.

    Obwohl wenn man das mal richtig überlegt, das zwar einigen eine Perspektive geben kann – aber ein richtiger, ordentlich bezahlter Job und ordentliche, reparierbare Geräte wären für alle viel besser.

    Handwerker, die Kleingeräte reparieren können, gibt es ja leider nicht mehr. Eine Neuanschaffung ist meistens billiger als eine Reparatur. Ein echt krankes System.

    So kann vielleicht doch noch das eine oder andere elektrische Gerät oder Haushaltsgerät gerettet werden.

    http://www.bz-mg.de/gesellschaft-menschen/hobby-freizeit/nachste-repair-cafe-am-sonntag-den-2-november.html

  2. Die Kurzlebigkeit von vielen Produkten ist wirklich nervig und reine Abzocke. Die Politik scheint es nicht zu bekümmern. So wird das Wirtschaftswachstum sozusagen erzwungen.

    Wirtschaftlich im Hinblick auf immer knapper werdende Ressourcen ist es nicht und hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

    Frankreich hat seit November 2014 ein Gesetz gegen geplante Obsoleszenz, ob es allerdings wirklich was bringt, bleibt abzuwarten, denn der Kunde muss diese nachweisen.

    Was das bedeutet, dürfte klar sein.

    Zitat elektroniknet.de: „Frankreich bestätigt: Geplante Obsoleszenz ist strafbar!“

    http://www.elektroniknet.de/elektronikfertigung/strategien-trends/artikel/114375/1/

    Mehr ist dort und im Netz dazu nachzulesen.

    Ob es was bringt? Fraglich. Immerhin wurde das Thema aber mal aufgegriffen.

    Zu den Rasierklingen gibt es noch einen Trick, falls gerade keine Jeans zur Hand ist:

    Rasierklingen sparen geht lt. Focus auch so, Zitat:

    „Mit diesem Trick bleiben Rasierklingen monatelang scharf.

    Schieben Sie die Klinge ein paarmal schnell über Ihren Unterarm, entgegen der Rasurrichtung. Dadurch richten Sie winzige Metallsplitter auf, die sonst flach bleiben und die Klinge stumpf werden lassen. So können Sie monatelang ohne einen einzigen Wechsel weiterrasieren.“

    http://www.focus.de/wissen/videos/clever-geld-sparen-mit-diesem-trick-bleiben-rasierklingen-monatelang-scharf_id_4187114.html

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