CDU und SPD befürchten „Überforderung“ der Wähler bei der Kommunalwahl

Hauptredaktion [ - Uhr]

logo-mdNamhafte Wahlrechtsexperten befürworten eine Stärkung der Wählermacht bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Bei einer Landtagsanhörung plädierten sie dafür, den Bürgern mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Räte zu geben.

„Die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen, dass die Menschen zusätzliche Auswahlmöglichkeiten gerne nutzen“, sagte Tim Weber für die Initiative „Mehr Demokratie“.

Er verwies auf die positiven Erfahrungen in 13 Bundesländern mit dem so genannten Kumulieren und Panaschieren. Bei diesem Wahlrecht können die Bürger die Listenreihenfolge der Ratskandidaten noch einmal dadurch verändern, dass sie gezielt Stimmen an ihre persönlichen Favoriten vergeben.

Derzeit können die Wähler in NRW nur starre Kandidatenlisten ankreuzen und einen Direktkandidaten in ihrem Wahlbezirk auswählen.

„Ein Wahlrecht mit einem echten Personenwahlelement kann einer Politik- oder Parteienverdrossenheit entgegen wirken, wenn die Gewählten die Anliegen ihrer Wähler besser aufgreifen“, meint Martin Fehndrich vom Internetportal www.Wahlrecht.de.

Die Chance dazu werde durch die Personenwahl größer. Dies bestätigt auch Joachim Bordt, Landrat im niedersächsischen Landkreis Harburg, in seiner schriftlichen Stellungnahme. Die Wähler nutzten das Kumulieren und Panaschieren aktiv und zielgerichtet, um auf die Zusammensetzung der Räte und Kreistage einzuwirken.

Der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund stehen einer Wahlrechtsreform ebenfalls wohlwollend gegenüber. Mit der Einführung des Kumulierens und Panaschierens eröffne sich den Wählern eine größere Möglichkeit zu einer differenzierteren Wahl, heißt es in der Stellungnahme des Städtetages.

Nach Meinung des Städte- und Gemeindebundes wären Parteien und Wählergemeinschaften bei der Einführung dieses Wahlrechts bemüht, „Kandidaten aufzustellen, die bei den Bürgern angesehen sind und mit denen das Parteiprogramm umgesetzt werden kann“.

Einen negativen Einfluss auf die Wahlbeteiligung oder den Anteil ungültiger Stimmen sehen die Interessenvertreter der NRW-Kommunen nicht.

Die Anhörung war Folge eines Antrags der FDP, mit dem die Liberalen die Landesregierung im Sommer aufgefordert hatten, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalwahlrechts einzubringen. Die Linke unterstützt die Initiative der FDP prinzipiell.

Die Grünen konnten sich als Befürworter des Kumulierens und Panaschierens in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD nicht durchsetzen.

Die Sozialdemokraten lehnen wie die CDU eine Wahlrechtsänderung ab, weil sie darin eine Überforderung und Abschreckung der Wähler sehen.

Die Sorge der SPD, dass die Wähler (= Bürger) überfordert würden, beschränkt sich offensichtlich nicht nur auf das Wahlrecht, sondern auch auf die Bürgerbeteiligung im „normalen täglichen“ Politik-Alltag in Mönchengladbach.

[PM/bzmg]

Ein Kommentar zu “CDU und SPD befürchten „Überforderung“ der Wähler bei der Kommunalwahl”
  1. Grundsätzlich ist ein mehr an Demokratie durch das Kumulieren und Panaschieren zu begrüßen. Mündige Bürger werden diese (für NRW neue) Möglichkeit sicherlich nutzen. Trotzdem müssen auch einige kritische Anmerkungen erlaubt sein.

    – Eine Voraussetzung für das Kumulieren und Panaschieren ist, dass die Wähler die Kandidaten kennen. Sonst wird es schwierig, auf die personelle Zusammensetzung der Räte Einfluss zu nehmen. Die Kandidaten sind doch mehr oder weniger unbekannte Personen.

    – Der Wahlzettel wird so groß wie eine Zeitungs-Doppelseite. Entsprechend unübersichtlich und schlecht handhabbar wird er. Da muss im Vorfeld viel Aufklärungsarbeit geleistet und die Wahlvorstände gut geschult werden. Das kostete Zeit und Geld.

    – Durch das komplizierte Wahlsystem gibt es eine langwierige Auszählung, die drei bis vier Tage dauert. Welcher ehrenamtlicher Wahlhelfer ist dazu bereit? Schon jetzt wird es immer schwieriger genügend Wahlhelfer zu rekrutieren. Jedenfalls ist das mit der jetzigen Aufwandsentschädigung nicht zu machen.

    Fazit: Jede Änderung am Wahlrecht muss gründlich durchdacht werden, damit es wirklich mehr Demokratie gibt. Halb-gare Lösungen nutzen niemanden, weder den Wählern noch den Kandidaten.

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