Die Auswirkungen des Braunkohletagebaus auf Erkelenz [mit O-Ton]

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

125Erkelenz wird die Auswirkungen des Braunkohletagebaus genauso schmerzhaft zu spüren bekommen, wie schon vorher andere Kommunen. Mehr als 30% des Stadtgebietes werden durch den Tagebau verloren gehen.

162Das bedeutet für Erkelenz Substanzverlust in Bezug auf die Werte von Immobilien ohne Ersatzanspruch, Wegfall der Stadtteile Kuckum, Ober- und Unterwestrich, Keyenberg, Beverath, Borschemich, Lützerath und Holzweiler zusätzlich zu den bereits umgesiedelten Immerath und Pesch. Hier müssen rund 5.000 Menschen ihre Heimat verlassen.

Es bedeutet aber auch Substanzverlust hinsichtlich Gewerbe und somit Steuerkraft, da das Gewerbegebiet Commerden ausgereizt ist. Einige Unternehmen werden abwandern. Neue Flächen fehlen infolge Tagebau, es gibt kaum Flächen für Gewerbe und Landwirtschaft (Wegfall von Ackerland nicht nur wegen Sümpfungsbrunnen, Immissionsschutzwall, Straßenbau usw.). Der Ersatz für Landwirte ist aktuell ungeklärt.

Es steht fest, dass die wirtschaftliche Fortentwicklung von Erkelenz auf Dauer begrenzt sein wird.

Durch den Wegfall von Straßen müssen die (neuen) Verkehrsströme anders gelenkt werden, was sicher nicht unproblematisch sein wird.

Die Umsiedlung bedeutet für die betroffenen Menschen emotionale Belastung, geprägt durch Existenz- und Zukunftsängste, zerbrechende Nachbarschaften und Vereine, ein Leben in seit Jahren „sterbenden“ Orten.

Viele leisten neben ihrem Beruf zusätzliche Arbeit in Gremien, was zusätzlichen, hohen persönlichen Einsatz bedeutet.

181Hinzu kommen oft schwierige Verhandlungen was die Umsiedlung (Suche neuer Siedlungsorte, finanzielle Entschädigungen usw.) anbelangt und die zunehmende Belastung durch Grob- und Feinstaub, Lärm und auch Licht durch den näher rückenden Tagebau.

Vor allem die Belastungen aus den vorgenannten Emissionen werden der Stadt 30 Jahre lang „erhalten“ bleiben, wodurch auch gesundheitliche Gefahren für die Bürger nicht ausgeschlossen werden können.

063071Erkelenz leidet, wie auch andere NRW-Kommunen, außerdem darunter immer mehr Lasten schultern zu müssen, während die Schlüsselzuweisungen des Landes NRW seit 2001 bis 2012 geringer wurden. Diese Zuweisungen sanken von fast 14 Mio. Euro 2001 auf nur noch rd. 5 Mio. Euro für 2012.

Vor diesem Hintergrund stellen die Umsiedlung und der Gebietsverlust für die Stadt eine Herausforderung dar, die zu bewältigen keine leichte Aufgabe ist.

Ob Erkelenz auf Förderung durch das IRR-Innovationsprogramm 1.0 rechnen kann, scheint noch nicht sicher. IRR steht für „Innovationsregion Rheinisches Revier“.

Zu den Prinzipien der IRR heißt es in dem Programm (April 2012):

„Die Landesregierung hat am 1. Februar 2011 – in Umsetzung der Koalitionsvereinbarung – die Eckpunkte des Programms „Innovationsregion Rheinisches Revier“ beschlossen.

Mit dem Programm sollen die regionalen Potenziale an Technologie, Wissenschaft, Industrie und Dienstleistungsbranchen sowie der gut ausgebildeten Arbeitnehmerschaft für die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Wirtschaftsstruktur identifiziert und gemeinsam mit Impulsen von außen in eine Zukunfts- und Umsetzungsplanung zusammengeführt werden.“

Konkreter wird es auf Seite 5.

Dort wird ausgeführt:

„Das Rheinland hält eine einzigartige Struktur aus Forschung, Lehre, Technologiekompetenz und Industrie rund um das Thema Energie vor. Die Braunkohle bildet dabei eine wesentliche funktionale Klammer der Region und hat mit ihrer lokalen Wertschöpfung wie ein Motor für die Regionalentwicklung gewirkt.

Das größte Braunkohlenrevier in Europa hat eine starke und zugleich energieintensive Wirtschaftsstruktur hervorgebracht. Und auch in Bezug auf die Forschungsdichte im Energiesektor, spielt die Region weltweit in der ersten Liga.

Der mit der Energiewende induzierte Transformationsprozess stellt somit besondere Anforderungen gerade an diese Region – die Energiekammer der Republik!

Im optimierten Zusammenspiel von Braunkohle und erneuerbaren Energien wird die Region Wege für die zukünftige Gestaltung der Energielandschaft und den auch zukünftig nachhaltigen Umgang mit Ressourcen aufzeigen müssen.

Dies geschieht im Hinblick auf die langfristig abnehmende Bedeutung der fossilen Energieträger in der Verstromung.

Gleichzeitig werden dadurch Braunkohlemengen zur Herstellung hochwertiger Veredlungsprodukte und zur sonstigen stofflichen Nutzung frei. Hier gilt es, die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern und gleichzeitig die Rolle als Impulsgeber oder Schrittmacher für den globalen Modernisierungsprozess zu stärken.

Dies bedeutet gerade für das Rheinland die Modernisierung der konventionellen Stromerzeugung ebenso konsequent voranzutreiben, wie den Ausbau der Erneuerbaren Energien, um der stark industriell geprägten Region auch langfristig bezahlbare Energie versorgungssicher zur Verfügung stellen zu können.“ (Zitat Ende)

Erkelenz war zunächst nicht für das Programm „Innovationsregion Rheinisches Revier“ berücksichtigt worden. Man hatte Erkelenz wohl „vergessen“.

DSC00824Bürgermeister Peter Jansen meinte dazu bei der WDR 5-Veranstaltung zum Thema „Braunkohletagebau – Verbrannte Heimat“ am 08.11.2011 in Neu-Immerath nonchalant: „Sagen wir es einmal so, man hatte wohl anfangs nicht darüber nachgedacht, dann gab es einen kleinen Aufstand – aber nun sind wir „mit drin“.
[audio:11-11-08-wdr5-immerath-peter-jansen.mp3][ca. 3 Min.]

Es ist Erkelenz zu wünschen, dass es durch und von dem IRR-Programm profitieren wird, denn die Veränderungen werden gravierend sein und lange in die Zukunft hinein wirken.

[Grafiken: Pressestelle Stadt Erkelenz]

Ein Kommentar zu “Die Auswirkungen des Braunkohletagebaus auf Erkelenz [mit O-Ton]”
  1. Mal sehen, was auf Erkelenz durch IRR zukommt. Hoffentlich bringt es was für die Stadt. Lesen tut sich’s ganz gut, klingt gut.

    Zitat aus dem Programm „Innovationsregion Rheinisches Revier“:

    „Im optimierten Zusammenspiel von Braunkohle und erneuerbaren Energien wird die Region Wege für die zukünftige Gestaltung der Energielandschaft und den auch zukünftig nachhaltigen Umgang mit Ressourcen aufzeigen müssen.“

    Dann fangen wir doch mal gleich mit der „zukünftigen Gestaltung“ und dem „nachhaltigen Umgang mit Ressourcen“ an.

    Ausbau der Energiegewinnung durch Wind und Sonne. Das wäre innovativ, schafft Arbeitsplätze, schont die Ressource Braunkohle und verschont die Kommunen, wie hier Erkelenz, am Grubenrand vor weiteren enormen Belastungen.

    Beschäftigt dank erneuerbarer Energien waren in Deutschland im Jahr 2010 rund 367.000 Personen. 2004 waren es noch 160.000 Arbeitsplätze. Steigerung also um mehr als das Doppelte.

    Prognose bis 2030 eine halbe Million Beschäftigte.

    Da müsste auch einiges für NRW drin sein. Wenn Politik und Energiekonzerne, in unserem Land also RWE, es wirklich wollen. Oder sind die Erneuerbaren zu erfolgreich?

    Interessant dazu: DIE 4. REVOLUTION – ENERGY AUTONOMY

    http://www.youtube.com/watch?v=-WU8QThVEEE

    Politisch (Lobbyismus?) scheinen die Erneuerbaren (Zufallsstrom, wie Gegner gerne behaupten) aktuell nicht en vogue zu sein. Anders ist die Kehrtwende der Bundesregierung dank des massiven Betreibens von FDP-Rösler (Kotau an die Energiekonzerne?) nicht zu interpretieren.

    Da wird hingenommen, dass eine Zukunftsbranche vor die Wand gefahren wird und Tausende ihren Arbeitsplatz verlieren. Auch in NRW. Jobverluste werden billigend in Kauf genommen.

    Ob wir von Herrn Voigtsberger etwas zum Ausbau der Erneuerbaren in NRW zu hören bekommen werden?

    2010 klang das auch seitens der Bundesregierung noch sehr positiv:

    „Erneuerbare Energien schaffen Arbeitsplätze.

    Hinzu kommt die Exportstärke der Branche: Auch zum Thema Energieeffizienz genießen deutsche Technik und Know-how weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Mit Weltmarktanteilen von zwischen sechs und 30 Prozent bei steigender Tendenz trägt deutsche Umwelttechnik auch weltweit zu Klimaschutz bei.

    Neue Energien – neue Jobs. Erneuerbare Energien bedeuten also auch: Berufe mit Zukunft.“

    Nachzulesen hier:

    http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2010/08/2010-08-26-erneuerbare-energien.html

    Tja, dann kam FDP-Rösler. Aber auch er wird die Erneuerbaren nicht aufhalten können.

    Wie war das noch? Sozial ist, was Arbeit schafft (Bundeskanzler Schröder, Agenda 2010)?

    Hoffentlich auch in Erkelenz.

    Glückauf!

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